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Mobiles Arbeiten: Kanz­leramt stellt sich gegen mehr Mit­be­stim­mung für Betriebs­räte

von Hasso Suliak

07.01.2021

Laptop mit Video-Call in einem Konferenzraum

Blue Planet Studio - stock.adobe.com

Ein Entwurf aus dem BMAS will die Rechtsstellung von Betriebsräten beim Thema Homeoffice stärken. Doch ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht in Sachen mobiles Arbeiten will die Union nicht: Das Kanzleramt besteht auf Streichung der Regelung.

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Das Thema Homeoffice und mobiles Arbeiten hat in Zeiten der Pandemie Hochkonjunktur, entzweit die Koalition jedoch bei den Rechtsfragen immer weiter. 

Nachdem die Union bereits vor einigen Monaten einen arbeitsrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice abgelehnt hatte und daher jetzt nur noch darüber diskutiert wird, ob die Beschäftigten nicht zumindest das Recht bekommen sollen, über das Thema Homeoffice und mobile Arbeit mit der Arbeitgeberin zu reden, droht Arbeitsminister Hubertus Heil nun bei diesem Thema die nächste Blockade durch den Koalitionspartner. 

Wie LTO aus der CDU/CSU- Bundestagsfraktion bestätigt wurde, will das Bundeskanzleramt den jüngsten Entwurf eines Betriebsrätestärkungsgesetzes aus dem BMAS noch gehörig zurechtstutzen. Heil hatte den Entwurf kurz vor Weihnachten in die Ressortabstimmung und Verbändeanhörung gegeben. Er sieht u.a. – wie teilweise auch schon im Koalitionsvertrag vereinbart - Erleichterungen und mehr Rechtssicherheit bei Betriebsratswahlen, eine weitergehende Mitwirkung der Betriebsräte bei Qualifikationsmaßnahmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber eben auch mehr Rechte für den Betriebsrat bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit vor. 

BMAS: "Gefahr der Entgrenzung von Arbeits-und Privatleben" 

Hierzu soll, wie schon in einem Gesetzentwurf aus dem BMAS vom Oktober vorgesehen, § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), der die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auflistet, um eine zusätzliche Ziffer 14 "Ausgestaltung von mobiler Arbeit" ergänzt werden. Damit soll laut Ministerium mobile Arbeit zum einen stärker gefördert, zum anderen aber auch damit verbundene Gefahren, wie etwa einer drohenden Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben, zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser begegnet werden. 

In der Begründung des Entwurfs heißt es: "Die Rechte der Betriebsräte im Hinblick auf mobile Arbeit werden zu einem Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von regelmäßiger wie auch anlassbezogener mobiler Arbeit ausgebaut. Eine Vereinbarung der mobilen Arbeit auf betrieblicher Ebene ist im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weil diese einheitlich verbindliche und auf den Betrieb zugeschnittene Regeln zu mobiler Arbeit schafft und zugleich dazu beiträgt, die mit mobiler Arbeit verbundenen Gefahren zu reduzieren. Dazu gehört insbesondere die Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben."

CDU/CSU: "Mehr Homeoffice-Mitbestimmung steht nicht im Koalitionsvertrag"

Doch dass die gewählten Betriebsräte künftig bei möglichen individuellen Homeoffice-Belangen ein Wörtchen mitreden sollen, geht der Union, die traditionell eher die Interessen von Arbeitgebern vertritt, deutlich zu weit. "Die Erleichterungen zur Betriebsratswahl sind Bestandteil des Koalitionsvertrages und werden von der Union begrüßt. Ein erweitertes Mitbestimmungsrecht bei Homeoffice steht nicht im Koalitionsvertrag. Deshalb besteht schon das Kanzleramt auf einer Streichung dieses Passus", bestätigt Peter Weiß MdB, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.

Dass sich am Ende bei dieser Frage eher Angela Merkel durchsetzen wird, gilt als ausgemacht – und damit dann auch der nächste Tiefschlag beim Thema Homeoffice für Arbeitsminister Heil und die SPD.

Auch bei den den Sozialdemokraten nahestehenden Gewerkschaften dürfte die Enttäuschung groß sein. Diese hatten erst kürzlich vehement den Gesetzgeber angemahnt, im Kontext mobile Arbeit endlich tätig zu werden. 

Nach Worten von Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), sei ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Sachen Homeoffice "unbedingt" erforderlich: "Der Arbeits- und Gesundheitsschutz muss auch bei mobiler Arbeit gelten, damit Beschäftigte vor Entgrenzung, Überlastung und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen geschützt werden. In nur rund einem Drittel der Betriebe, die Homeoffice und mobile Arbeit anbieten, gibt es dazu Betriebsvereinbarungen. Dabei wissen wir, dass Mitbestimmung unerlässlich ist, wenn es darum geht, Arbeit zu gestalten und Beschäftigte ausreichend zu schützen."

Mitbestimmungsrecht unter Arbeitsrechtlern umstritten

Unterdessen ist es keineswegs so, dass der Betriebsrat nach bestehender Rechtslage beim Thema mobile Arbeit so ganz außen vor bliebe. Im Gegenteil: Im Zusammenhang mit der Ein- und Durchführung sogenannter Telearbeit - worunter jegliche Arbeit von zu Hause zu verstehen ist – stehen ihm bereits heute sowohl Mitwirkungs- als auch Mitbestimmungsrechte zu. Dies gilt allerdings nur, soweit es um eine kollektive Ein- oder Durchführung geht. Vereinbart die einzelne Arbeitnehmerin mit dem Arbeitgeber Telearbeit, ist der Betriebsrat nicht zu beteiligen.  

Unter Arbeitsrechtlern ist die Einführung eines ausdrücklichen Mitbestimmungsrechts, wie es sich das BMAS wünscht, wie in der Politik umstritten. Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht und im Ausschuss Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins DAV, begrüßt den Vorstoß aus dem BMAS: "Es ist aus meiner persönlichen Sicht überfällig, dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit einzuräumen", sagte er gegenüber LTO. Markowski zufolge kann schließlich über die Mitbestimmung sichergestellt werden, "dass auf betrieblicher Ebene Lösungen gefunden werden, die tatsächlich auf den Betrieb und seine Beschäftigten zugeschnitten sind. Tatsächlich wäre sogar ein Initiativrecht wünschenswert, damit der Betriebsrat solche modernen Arbeitsformen, die dem Betrieb und der Belegschaft nützlich sein können, auch gegen Vorbehalte der Arbeitgeber durchsetzen kann.”

Andere Arbeitsrechtler, die in ihrer anwaltlichen Praxis anders als Markowski eher die Interessen von Unternehmen vertreten, winken bei dem Thema jedoch ab. Beispielsweise Dr. Patrick Mückl, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Noerr: "Bereits heute greifen bei der Einführung von Homeoffice-Arbeitsplätzen oder mobiler Arbeit regelmäßig verschiedene Beteiligungsrechte des Betriebsrats ein. Ich halte eine entsprechende Erweiterung von § 87 Abs. 1 BetrVG daher für überflüssig. Der damit verbundene Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist nicht gerechtfertigt", meint er.

Und auch Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott kann sich mit dem Vorschlag aus dem BMAS nicht anfreunden: Das BetrVG habe sich bewährt und sei auch im Hinblick auf die neuen Herausforderungen "ausreichend flexibel", sagt er. Für den Bereich des Homeoffice gebe es zudem vielfältige Beteiligungsrechte: "Diese beginnen bei der Beteiligung bei Versetzungen in oder aus dem Homeoffice - § 99 BetrVG - und gehen über Fragen des Arbeitsschutzes bis hin zur Ausgestaltung der Tätigkeit und Ausgestaltung des Homeoffices-Arbeitsplatzes, insb. §§ 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 BetrVG."

Virtuelle Betriebsratssitzungen auch nach Corona 

Weniger konfliktbeladen als das zusätzliche Mitbestimmungsrecht dürfte dagegen in der Koalition ein weiterer Vorschlag aus dem Entwurf sein, der in Corona-Zeiten geboren wurde und nun für immer gesetzlich etabliert werden soll. 

So soll die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz künftig dauerhaft möglich werden. Bisher existiert diese nur nach Maßgabe des § 129 BetrVG und nur befristet bis zum 30.06.2021. In den nun vom BMAS neugefassten §§ 30ff. BetrVG sind dafür detaillierte Regelungen vorgesehen. 

Für Arbeitsrechtler Fuhlrott ein richtiger Schritt: Auch außerhalb von Pandemiezeiten könnten so flexiblere Abstimmungen im Gremium ermöglicht werden. Zudem drohe auch keine Beschneidung der Mitbestimmung, wenn Betriebsräte selbst wählen könnten, ob sie ihre Sitzungen persönlich oder virtuell abhalten wollen. Ob auch zu dieser Änderung mit Widerstand aus der Union zu rechnen ist, bleibt abzuwarten.  Im vor der Pandemie geschlossenen Koalitionsvertrag findet sich hierzu jedenfalls keine Vereinbarung.

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Mobiles Arbeiten: . In: Legal Tribune Online, 07.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43919 (abgerufen am: 17.11.2025 )

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