Kurz vor Fristablauf werden nun wieder die Betriebskostenabrechnungen in den Briefkästen der Mieter landen. Regelmäßig erreichen die Abrechnungen auch den BGH. Am Mittwoch geht es dort um eine nachträgliche Erhöhung der Grundsteuer, die der Vermieter rückwirkend auf den Mieter umlegen will. Dominik Schüller gibt einen Überblick über vergangene und anstehende Rechtsprechung rund um die Nebenkosten.
Die meisten Mieter müssen die Betriebskosten für ihre Wohnungen monatlich im Voraus bezahlen. Spätestens am Ende des Jahres, das auf den Abrechnungszeitraum folgt, muss der Vermieter die tatsächlich angefallenen Kosten abrechnen, § 556 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach kann er in der Regel keine Nachforderungen mehr stellen. Wenn im Mietvertrag nichts anderes vereinbart ist, ist also meist der 31. Dezember der Stichtag. Kommt die Abrechnung erst am 01. Januar beim Mieter an, muss er die Nachforderung nicht mehr begleichen.
Es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Ein solcher Fall liegt dem Bundesgerichtshof (BGH) derzeit vor (Az. VIII ZR 264/12). Am Mittwoch wird der VIII. Zivilsenat darüber verhandeln, ob der Vermieter eine nachträgliche Erhöhung der Grundsteuer durch das Finanzamt rückwirkend auf den Mieter umlegen kann. Die Vermieterin hatte die Betriebskosten unter dem Vorbehalt einer zu erwartenden rückwirkenden Neufestsetzung der Grundsteuer abgerechnet und schließlich über 1.000 Euro von ihrem Mieter nachgefordert, als das Finanzamt die Grundsteuer tatsächlich erhöht hatte.
Die Vorinstanzen hatten der Vermieterin Recht gegeben, wobei das Landgericht Berlin zur Begründung ausgeführt hatte, dass die Nachforderung der Vermieterin nicht verjährt sei, weil sie erst durch den Bescheid des Finanzamts von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt und die Verjährung damit erst zu diesem Zeitpunkt begonnen habe, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Mieter muss Abrechnung nachvollziehen können
Die anstehende Entscheidung des BGH ist nur eine von zahlreichen zum Komplex Nebenkosten. Wann ist eine Abrechnung zugestellt? Wie muss sie aussehen? Kann der Vermieter einfach einseitig die Betriebskosten erhöhen? Was passiert wenn der Mieter sich weigert, die Erhöhung zu zahlen? Darf der Vermieter auch sein eigenes Schneeschippen in Rechnung stellen? Und: Die Kneipe im Erdgeschoss verbraucht doch viel mehr Wasser als der Rentner im Dachgeschoss!
Bei einer Betriebskostenabrechnung "kurz vor Torschluss" ist es besonders wichtig, die Zustellung nachweisen zu können. Entgegen landläufiger Meinung genügt ein Einschreiben mit Rückschein nicht. Einzig gerichtsfeste Zustellungsart, ist die Botenzustellung. Auch am 31.12. selbst sollte man mit Zustellungen vorsichtig sein. Eine am Nachmittag eingeworfene Betriebskostenabrechnung geht erst am Folgetag zu (Urt. v. 05.12.2007, Az. XII ZR 148/05).
Der BGH betont außerdem stets, dass eine Betriebskostenabrechnung für den Mieter nachvollziehbar und verständlich sein muss. Der Mieter soll nachrechnen können. Ist ihm dies nicht möglich, ist die Abrechnung formell unwirksam. Der Vermieter muss daher über die Gesamtkosten jedes einzelnen Posten informieren, sowohl den Gesamt- als auch den Einzelverteilungsschlüssel offenlegen (vgl. Gesamtfläche aller Wohnungen bzw. Fläche der einzelnen Wohnung), die auf die Wohnung entfallenden Einzelkosten darlegen und diese den geleisteten Vorauszahlungen gegenüberstellen.
Einseitige Erhöhung der Vorauszahlungen möglich
Ein ständiges Ärgernis sind Mieterhöhungen. Das Gesetz gibt dem Vermieter in § 560 Abs. 4 BGB das einseitige Recht, die vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen nach einer Abrechnung angemessen anzupassen.
Bis zur Entscheidung des BGH vom 15. Mai 2012 (Az. VIII ZR 246/11) genügte für eine solches Erhöhungsrecht, dass der Vermieter formell wirksam abgerechnet hatte. Inhaltliche Fehler der Abrechnung waren irrelevant. Diese Rechtsauffassung haben die Karlsruher Richter jedoch zugunsten der Mieter ausdrücklich aufgegeben. Eine formell und inhaltlich wirksame Abrechnung ist nun Voraussetzung für eine Erhöhung der Vorauszahlungen.
Häufig hatten Vermieter eine solche Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung genutzt, um pauschal einen Zuschlag auf die Durchschnittskosten des letzten Abrechnungsjahres zu erheben. Auch das hat der BGH aber untersagt (Urt. v. 28.09.2011, Az. VIII ZR 294/10). Der Vermieter darf maximal ein Zwölftel der angefallenen Nebenkosten des Vorjahres verlangen. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Erhöhung einzelner Kostenpositionen bereits bekannt ist, darf hierfür ein Aufschlag einkalkuliert werden.
2/2: Räumung bei Zahlungsverweigerung
Hat der Vermieter wirksam die Betriebskostenvorauszahlungen erhöht, birgt der Beschluss des BGH vom 16. Oktober 2012 (Az. VIII ZR 360/11) ein enormes Risiko für den Mieter. Verweigert er nämlich die Zahlung, weil er sie (fälschlich) für zu hoch hält, kann der Vermieter fristlos oder fristgerecht kündigen, sobald ein ausreichender Rückstand erreicht ist. Dies kann bereits nach wenigen Monaten der Fall sein.
Der Vermieter muss nach Auffassung des VIII. Zivilsenats nicht zunächst den Rückstand einklagen, sondern kann sogleich kündigen und Räumungsklage einreichen. Für den Vermieter ist eine solche Kündigung allerdings ebenfalls riskant, da er die Vorauszahlungen ja nur erhöhen darf, wenn seine Abrechnung formell und materiell wirksam war. Erweist sich die Erhöhung als (teilweise) fehlerhaft, können Kündigung und Räumungsklage kippen.
Vermieter darf auch eigenes Schneeschippen berechnen
Streit gab es häufig über die Berechnung von Eigenleistungen eines Privatvermieters wie Reinigung, Gartenpflege oder Schneebeseitigung. Erst kürzlich hat Karlsruhe dazu festgestellt, dass Vermieter eigene Sach- und Arbeitsleistungen in der Betriebskostenabrechnung ansetzen dürfen (Urt. v. 14.11.2012, Az. VIII ZR 41/12). Denn unbestritten hätte er auch eine Firma mit den Arbeiten beauftragen können.
Immer wieder bringen Vermieter außerdem Posten in die Abrechnung ein, die gar nicht der Mieter zu tragen hat. Solche falschen Berechnungen sind behebbare materielle Fehler (Urt. v. 31.01.2012, Az. VIII ZR 335/10).
In vielen Mehrfamilienhäusern gibt es neben Wohnungen auch Büroräume oder Ladenlokale. Verursachen die Gewerbemieter mehr Nebenkosten als Wohnraummieter, muss dies bei der Abrechnung berücksichtigt werden. Bevor die Kosten verteilt werden, muss dann unter Umständen eine Position für die Gewerbemieter abgezogen werden. Dies muss sich aus der Betriebskostenabrechnung ergeben. Unterlässt der Vermieter diesen Vorwegabzug, ist die Abrechnung lediglich materiell fehlerhaft und nicht generell unwirksam (Urt. v. 7.12.2011, Az. VIII ZR 118/11).
BGH nicht per se mieterfreundlich
Häufig bemängeln Mieter, dass die einzelnen Betriebskostenpositionen überteuert seien. Gern diskutiert werden Versicherungen, Hausmeister- und Reinigungsarbeiten sowie Aufzugskosten. Tatsächlich ist der Vermieter – auch und gerade weil es nicht sein Geld ist – verpflichtet, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Völlig überteuerte Hausmeisterverträge muss der Mieter nicht dulden.
Allerdings ist der Vermieter auch nicht verpflichtet, stets den billigsten Vertrag abzuschließen und ständig Preisvergleiche durchzuführen. Wenn der Mieter der Meinung ist, einzelne Abrechnungspositionen seien zu hoch, muss er mehr tun, als die Kosten zu bestreiten und auf von den Mietervereinen überregional ermittelte Durchschnittswerte zu verweisen (BGH, Urt. v. 06.07.2011, Az. VIII ZR 340/10).
Der Mieter muss praktisch Vergleichsangebote einholen und damit nachweisen, dass der Vermieter die Leistung konkret billiger hätte einkaufen können. Für den Mieter keine leichte Aufgabe, so dass das Wirtschaftlichkeitsgebot in der Praxis zwar ein beliebtes Argument, jedoch kein scharfes Schwert ist.
Begleicht der Mieter eine Betriebskostennachforderung oder zahlt der Vermieter ein Guthaben zurück, so ist dies für sich genommen kein Anerkenntnis der Richtigkeit der Abrechnung (BGH, Urt. v. 12.01.2011, Az. VIII ZR 296/09). Der Mieter kann trotz Zahlung die Betriebskostenabrechnung überprüfen und Fehler bemängeln. Bis zum Ablauf der Abrechnungsfrist hat der Vermieter hingegen die Möglichkeit, eigene Fehler zu seinen Gunsten zu korrigieren.
Der BGH ist übrigens nicht per se mieterfreundlich, wie teilweise kolportiert wird. Die Mehrzahl seiner Entscheidungen sind in letzter Zeit tendenziell zugunsten der Vermieter ergangen.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht mit dem Schwerpunkt Immobilienrecht in der Kanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin.
Dominik Schüller, Betriebskosten: Alle Jahr wieder zum 31. Dezember . In: Legal Tribune Online, 11.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7757/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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