Bundesregierung will Betreuungsbehörden stärken: Angst vor einer "für­sor­g­li­chen Ent­mün­di­gung" bleibt

Bald werden mehr als 2,5 Millionen Menschen an Demenz leiden. Damit steigt auch die Zahl der Betreuungen. Um dem entgegen zu steuern, sollen die Behörden frühzeitig auf alternative Hilfsangebote hinweisen. Denn oft genüge eine punktuelle Hilfe. Ein wünschenswertes Ziel, das aber besser mit mehr Familienbetreuung und einer verstärkten Kontrolle der Betreuer erreicht werden könnte, meint Herbert Grziwotz.

Eine interdisziplinär besetzte Arbeitsgruppe hat im Herbst 2011 Vorschläge erarbeitet, wie der Gesetzgeber das Betreuungsrecht verbessern kann. Darauf beruht der nun von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf, der die Betreuungsbehörden stärken soll. Bisher wurden die Behörden in einem betreuungsgerichtlichen Verfahren nur auf Wunsch des Betroffenen eingeschaltet oder wenn dies der Sachaufklärung dienen konnte. Künftig sind sie zwingend zu beteiligen, bevor ein Betreuer bestellt oder ein Einwilligungsvorbehalt zugunsten des Betreuers für rechtsgeschäftliche Erklärungen des Betreuten angeordnet wird, es sei denn es geht um die bloße Verlängerung einer Maßnahme oder eine Entscheidung von vorläufiger Natur.

Die Betreuungsbehörden sollen dem Betroffenen alternative Hilfen vorschlagen und nicht nur Betreuer, sondern auch Vorsorgeberechtigte bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützen. Ziel ist es, ehrenamtliche Betreuer und Bevollmächtigte langfristig in das Netzwerk paralleler Betreuungsangebote von Gerichten, Behörden und Vereinen einzubinden.

Außerdem soll der ärztliche Sachverständige im Gerichtsverfahren den Bericht der Betreuungsbehörde über die persönliche, gesundheitliche und soziale Situation des Betroffenen kennen und über die Alternativen für eine Betreuung Bescheid wissen.

Mehr Bürokratie und Kosten

Bereits bisher haben die bei den Landratsämtern und Städten angesiedelten Betreuungsbehörden die Aufgabe, Betreuer und Bevollmächtigte zu beraten und sie sowie das Betreuungsgericht zu unterstützen, vgl. §§ 4, 6 Abs. 1 und 8 Betreuungsbehördengesetz. Dass sie demnächst zwingend am betreuungsgerichtlichen Verfahren beteiligt sind, bedeutet zunächst mehr Bürokratie und für die Betroffenen mehr statt weniger Staat. Der Wunsch, dass das Gesetz im Ergebnis zu einer Kostenentlastung führt, dürfte sich angesichts des erforderlichen Personalaufwandes wohl nicht erfüllen.

Wenn ein Volljähriger wegen einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst erledigen kann, darf ein Betreuer bereits aktuell nur auf seinen Antrag bestellt werden, vgl. § 1896 Abs. 1 S. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Bei einer psychischen Krankheit oder Behinderung kann dagegen eine Betreuung auch von Amts wegen angeordnet werden. Allerdings erst dann, wenn die psychische Erkrankung bereits vorliegt. Zu Beginn etwa einer Demenz kann man durchaus auch noch geschäftsfähig sein und eine Vorsorgevollmacht selbst erteilen (Oberlandesgericht München, Beschl. v. 05.06.2009, Az. 33 Wx 278, 279/09).

Deshalb kommt die gut gemeinte Beratung durch eine Betreuungsbehörde, mit der Alternativen zur Vorsorgevollmacht aufgezeigt werden sollen, im Normalfall zu spät. Denn eine Betreuung ist gegenüber einer Vorsorgevollmacht nur dann subsidiär, wenn letztere wirksam erteilt wurde. Bestehen hieran erhebliche Zweifel, etwa weil der Betroffene bereits schwer erkrankt ist, muss das Gericht einen Betreuer bestellen.

Mehr Familienbetreuung wäre die bessere Lösung

Auch bei der gerichtlichen Auswahl des Betreuers soll bereits nach geltender Rechtslage nicht über den Kopf des Betroffenen hinweg entschieden werden. Schlägt er selbst eine Person vor, wozu ein natürlicher Wille bei einer psychischen Erkrankung ausreicht, ist das Gericht hieran gebunden, vgl. § 1897 Abs. 4 BGB. Aber auch wenn er niemanden benennt, sollen verwandtschaftliche und persönliche Bindungen berücksichtigt werden. Als Betreuer kommen daher insbesondere Eltern, Kinder, der Ehegatte oder Lebenspartner in Betracht.

Bei alleinstehenden Menschen lässt sich wegen einer räumlichen Entfernung eine Familienbetreuung oft nicht bewerkstelligen. Gegen Berufsbetreuer bestehen dagegen häufig Bedenken, weil schwarze Schafe sich am Vermögen des Betreuten schamlos bedient haben. Stichworte wie Betreuungsmafia, die Generierung von Prozesskosten und ohnmächtige Angehörige nähren die Ängste in der Bevölkerung und die Furcht, im Alter hilflos zu sein und um das eigene Vermögen gebracht zu werden. Es geht  den Betroffenen nicht um Hilfen im gerichtlichen Betreuungsverfahren, sondern um die Kontrolle der Betreuer. An dieser Stelle hat der Gesetzgeber aber 2009 mit der Einführung der genehmigungsfreien Abbuchung von Guthaben auf einem Giro- oder Kontokorrentkonto unabhängig von ihrer Höhe erhebliche Risiken für betreute Personen geschaffen.

Der Angst der Betroffenen und ihrer Angehörigen vor einer „fürsorglichen Entmündigung“ durch eine staatlich angeordnete Fremdbetreuung ließe sich nur durch eine Familienbetreuung, die auch bei größeren Entfernungen organisiert werden müsste, und durch mehr Kontrolle der Betreuer begegnen. Der Staat muss die Schwachen der Gesellschaft durch eine gesetzlich angeordnete Kontrolle auch vor schwarzen Schafen unter den Betreuern schützen. Das Strafrecht allein reicht dafür nicht aus.

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Autor zahlreicher Beiträge im Familienrecht.

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, Bundesregierung will Betreuungsbehörden stärken: Angst vor einer "fürsorglichen Entmündigung" bleibt . In: Legal Tribune Online, 12.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8306/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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