Dieselskandal, Vorratsdatenspeicherung, Uploadfilter, Grenzkontrollen im Schengenraum, Verjährung von Urlaub und Jura-Professoren vertreten die eigene Uni: Der EuGH hatte 2022 wieder mit einem großen und interessanten Themenspektrum zu tun.
Thermofenster gleich zwei Mal vor dem EuGH
Der Klimaschutz ist in diesem Jahr wegen anderer Ereignisse häufig in den Hintergrund gerückt – von der Debatte um die Klimaaktivist:innen von Letzte Generation abgesehen. Umso mehr sollte man sich zum Ende dieses turbulenten Jahres zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Erinnerung rufen, die für Umwelt- und Klimaschützer:innen als Erfolge gewertet werden können: Erstens entschied der EuGH im Juli, dass Thermofenster illegale Abschalteinrichtungen sind. Zweitens dürfen Umweltvereinigungen wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen das Kraftfahrtbundesamt vor Gericht ziehen, weil es damit ausgestattete Autos trotzdem auf den Straßen fahren lässt, so der EuGH dann im November.
Thermofenster stehen im Kontext des "Dieselskandals". Dahinter steckt eine Software in Dieselfahrzeugen, die bei bestimmten Temperaturen aktiviert wird. Der EuGH störte sich daran, dass sie aber so programmiert sei, dass bereits bei in Europa völlig üblichen Temperaturen von unter 15 Grad die Abgasreinigung gedrosselt werde – und daher die Grenzwerte für giftiges und gesundheitsschädliches Stickstoffoxid regelmäßig überschritten würden.
Dass das aus "Motorschutzgründen" – wie von VW und anderen Herstellern hervorgebracht – notwendig sei, ließ der EuGH dabei nicht gelten. Da gebe es andere technische Lösungen, auf die die Hersteller zurückgreifen müssten – auch wenn das teurer sei. Aber ganz abgesehen davon stellten die Luxemburger Richter:innen nochmal klar: Selbst wenn es keine andere Lösung gebe, um den Motor zu schützen, ginge es so trotzdem nicht. Eine Abschalteinrichtung, die den überwiegenden Teil des Jahres nicht funktioniere, sei schlicht und einfach unzulässig.
Nicht verarbeitet haben diese Beurteilung anscheinend das Kraftfahrtbundesamt und das Bundesverkehrsministerium. Trotz des EuGH-Urteils hielten sie weiter daran fest, dass Thermofenster legal seien. Umso wichtiger erscheint daher das zweite EuGH-Urteil in diesem Jahr zu den Thermofenstern. Darin stellte das Gericht klar, dass Umweltvereinigungen gegen die Genehmigung der Thermofenster durch das Kraftfahrtbundesamt klagen dürfen. Das ergebe sich zum einen aus der Aarhus-Konventionen, nach der Verbände gegen Behörden wegen des Verstoßes gegen Umweltbestimmungen vorgehen können müssen. Das deutsche Recht sei im Sinne dieses völkerrechtlichen Abkommens auszulegen. Zum anderen verpflichte auch Art. 47 der EU-Grundrechtecharta i.V.m. der Aarhus-Konvention Mitgliedstaaten dazu, effektive Rechtsschutzmöglichkeiten vorzuhalten. Entgegenstehendes deutsches Recht müsse unangewendet bleiben. Ob das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrtbundesamt nun nach diesem zweiten Urteil einlenken oder einen noch laufenden Prozess der DUH vor dem Verwaltungsgericht Schleswig gegen die Genehmigungen der Thermofenster durch das Kraftfahrtbundesamt abwarten, ist noch unklar.
Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 30.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50535 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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