Früher gingen langjährige Mitarbeiter mit 65 in die Pension – heute werden sie oft in befristeten Arbeitsverhältnissen weiter beschäftigt. Eine solche Befristung kann zulässig sein, sagt das BAG. Jedoch nur, wenn die Rentner den Nachwuchs in der Firma einarbeiten. Die Bundesrichter haben die Chance verpasst, endlich Klarheit in die verworrene Rechtslage zu bringen, meint Sascha B. Greier.
War es vor einiger Zeit noch üblich, ältere Mitarbeiter mit großzügigen Abfindungen in den Ruhestand zu entlassen, führt der demographische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel zum Umdenken. Heutzutage sind Arbeitgeber bemüht, ihre erfahrenen Mitarbeiter auch nach Eintritt ins Rentenalter zumindest bis zur Einarbeitung eines Nachfolgers zu halten. Dennoch birgt das für den Arbeitgeber erhebliche finanzielle Risiken.
In dem nun vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall hatten der bisher unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, der nun das Renteneintrittsalter erreicht hatte, und sein Arbeitgeber immer wieder befristete "Vereinbarungen" geschlossen, wonach der Arbeitnehmer auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres weiterbeschäftigt werden sollte. Der Vertrag enthielt die Abrede, dass der Arbeitnehmer eine noch einzustellende Ersatzkraft einarbeiten solle. Nachdem er vom Arbeitgeber vergeblich seine Weiterbeschäftigung über den Beendigungszeitpunkt verlangt hatte, klagte er gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und machte geltend, bei der "Vertragsergänzung" handele es sich um eine unzulässige nachträgliche Befristung.
Bislang war höchstrichterlich nicht geklärt, inwieweit eine befristete Weiterbeschäftigung nach Erreichung des Rentenalters überhaupt möglich ist, oder ob hierin eine unzulässige nachträgliche Befristung des Arbeitsverhältnisses liegt.
Das BAG hat nun entschieden, dass eine solche Befristung aufgrund des Erreichens des Rentenalters zwar sachlich gerechtfertigt sein kann, sofern der Arbeitnehmer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und die befristete Fortsetzung der Einarbeitung einer Nachwuchskraft dient (Urt. v. 11.02.2015; Az. 7 AZR 17/13). Ob dies der Fall ist, muss nun die Vorinstanz entscheiden.
Ist das Renteneintrittsalter ein Sachgrund?
Eine Befristungsabrede, wie sie die Parteien geschlossen hatten, liegt zwar in ihrer beider Interesse an einer vorübergehenden Weiterbeschäftigung, birgt allerdings für den Arbeitgeber hohe finanzielle Risiken. Wird sie nämlich nachträglich als unzulässig angesehen, verwandelt sich das vermeintlich befristete Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes. Eine Kündigung aufgrund des Rentenalters ist dann nicht möglich, mit Blick auf das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit zumeist sogar schwieriger.
Eine sachgrundlose Befristung scheitert gemäß § 14 Absatz 2 S. 2 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBFG) an dem Anschlussverbot. Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund ist nicht erlaubt, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
In Betracht kommt daher allenfalls eine Befristung mit Sachgrund gem. § 14 Absatz 1 TzBfG. Sofern ein anerkannter sachlicher Grund vorliegt, ist eine Befristung auch ohne zeitliche Grenzen und insbesondere unabhängig von etwaigen Vorbeschäftigungszeiten zulässig. Als Sachgrund für die befristete Weiterbeschäftigung kommen hier nur in der Person des Arbeitnehmers liegende Aspekte nach Nr. 6 der Norm in Betracht. Das BAG hatte hier zu entscheiden, ob das Erreichen des Renteintrittsalters ein solcher anerkannter Sachgrund ist.
2/2: Arbeitgeber muss Nachwuchsplanung genau begründen
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin Brandenburg hatte festgestellt, dass für die nachträgliche Befristung ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Sachgrund i.S.d. § 14 I Nr. 6 TzBfG vorlag (Urt. v. 20.11.2012; Az. 12 Sa 1303/12). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG liege ein solcher vor, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann oder bei Vertragsschluss bereits die für den Bezug der Altersrente erforderliche rentenrechtliche Wartezeit erfüllt hat, da dann das Interesse des Arbeitgebers an einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung regelmäßig das Fortsetzungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt.
Diese Erwägungen hat das LAG mit dem Fall der nachträglichen Befristung nach Erreichen der Regelaltersgrenze gleich gesetzt. Befristungsabreden, die zeitlich vor Bezug der gesetzlichen Regelaltersrente auf diesen Zeitpunkt abstellen, dürften nicht anders behandelt werden als solche, die nach Eintritt in das gesetzliche Rentenalter getroffen werden und eine darüber hinaus gehende befristete Beschäftigung vereinbaren.
Das BAG hat nun die Entscheidung im Grunde bestätigt, jedoch betont, dass alleine der Bezug von gesetzlicher Altersrente die Befristung eines Arbeitsverhältnisses aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht rechtfertigt. Erforderlich sei vielmehr gerade auch, dass die Befristung einer konkreten Nachwuchsplanung des Arbeitgebers dient, welche im Einzelfall festzustellen ist.
Für die Nachwuchsplanung seien aber konkrete Feststellungen erforderlich, die in diesem Fall nicht getroffen wurden. Daher hat es den Rechtsstreit an die Vorinstanz zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen
Rechtsunsicherheit führt zu komplizierten Vermeidungsstrategien
Für die Beantwortung der Frage, ob hier nun tatsächlich ein Mehr an Rechtssicherheit geschaffen wurde, bleiben die Entscheidungsgründe und der Ausgang des weiteren Verfahrens abzuwarten. Solange nicht wenigstens Klarheit besteht, welche Anforderungen an die Nachwuchsplanung des Arbeitgebers konkret verlangt werden, dürfte die Unsicherheit indes nicht beseitigt sein.
Das BAG hat leider die Gelegenheit verpasst, Klarheit in die umstrittene Frage zu bringen, unter welchen Umständen Rentner nach dem 65. Lebensjahr weiter beschäftigt werden können. Es ist zu hoffen, dass das BAG zeitnah klare Leitlinien aufzeigt, um eine Weiterbeschäftigung "rüstiger Rentner" rechtssicher gestalten zu können.
Andernfalls werden die Vertragsparteien weiterhin versuchen, durch komplizierte Vermeidungsstrategien wie vorgeschobene Projektverträge, aneinander gereihte Aufhebungsverträge und vermeintliche Wunschbefristungen das Verbot der Befristung zu umgehen.
Sozialgesetzliche Regelung reicht nicht aus
Daran ändert auch die Einführung des seit dem 01. 07. 2014 geltenden § 41 S. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) VI nichts, mit dem der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen wollte, auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich das Arbeitsverhältnis rechtssicher fortsetzen zu können. Diese Regelung gilt nur für Arbeitsverhältnisse, die bereits vorher eine Regelaltersbefristung vorgesehen haben.
Zudem lässt die Neuregelung einige Fragen offen. Es bleibt unklar, ob nur eine reine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses möglich ist, oder auch inhaltliche Änderungen gestattet sind, was bei derartigen Beschäftigungen regelmäßig der Fall sein wird. Ebenfalls nicht geregelt ist die Frage, ob es eine Höchstgrenze für mehrfache Befristungen gibt. Nach der Regelung wären jenseits der Regelaltersgrenze beliebig viele Befristungen möglich, was gegen europarechtliche Vorschriften verstoßen und eine Altersdiskriminierung darstellen könnte.
Es bleibt zu hoffen, dass auch der Gesetzgeber sehr zeitnah reagiert und klare Vorgaben aufstellt, um die nicht ganz überraschende Entwicklung in gesetzlich geordnete Bahnen zu lenken. Die Flexibilisierung des individuellen Renteneintrittsalters wird nicht aufzuhalten sein.
Der Autor Sascha B. Greier ist als Rechtsanwalt im Bereich des Arbeitsrechts, gewerblichen Rechtsschutzes und Medienrecht in Köln tätig.
Sascha B. Greier, BAG zur Wirksamkeit befristeter Verträge : Rentner dürfen Nachfolger einarbeiten . In: Legal Tribune Online, 14.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14689/ (abgerufen am: 03.06.2023 )
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