Tennisstar erstattet Strafanzeige gegen Influencerin: Hat Cathy Hum­mels Boris Becker ver­le­umdet?

Gastbeitrag von Dr. Yves Georg

08.01.2023

Nachdem Cathy Hummels dem Ex-Tennisprofi "Verbrechen", "Betrug" und das "Ruinieren" anderer Menschen vorwarf, hat Boris Becker Anzeige wegen Verleumdung erstattet. Wie wahrscheinlich ist eine Anklage? Einschätzungen von Dr. Yves Georg.

Es "reicht" Boris Becker: Nach den Angaben seines Rechtsanwalts hat er Cathy Hummels angezeigt, weil die ihn "verleumdet" habe. In Teil I des Podcasts "sHitstorms", in dem Hummels und der Comedian Matthias "Matze" Knop (den der ein oder andere noch als "Supa Richie" kennen mag) einen Jahresrückblick unter dem – gerade für das vergangene Jahr – bemerkenswerten Titel "Nippelalarm" wagen, äußert sich die Influencerin in dem hier allein interessierenden Teil des Dialoges zu Boris Becker wie folgt:

"(...) Das ist ein Verbrechen, was er gemacht hat, und deswegen ist es auch gerechtfertigt, dass er es absitzen muss. Und er hat viele Menschen geprellt, betrogen und verarscht und das gehört sich einfach nicht. Dann muss man halt genauso wie jeder andere, wenn er das eben machen würde, ins Gefängnis. (…) das war nicht okay, der hat Menschen verarscht, der hat die ruiniert, das muss man absitzen."

Zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe für Becker

Hintergrund ist die zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe Boris Beckers infolge des Urteils eines britischen Gerichts im April 2022. Dieses sprach ihn in vier von 24 Anklagepunkten für schuldig, Insolvenzstraftaten begangen zu haben. Die Jury des Geschworenengerichts war überzeugt, dass Becker hohe Geldbeträge durch Überweisung auf andere Konten beiseitegeschafft und der Insolvenzbehörde Immobilieneigentum, eine Darlehensschuld und Unternehmensanteile verheimlicht hat. Wegen eines Abschiebeprogramms, das die überfüllten Gefängnisse in Großbritannien entlasten soll, kam Becker bereits im Dezember wieder frei.

Die in Betracht kommenden Straftatbestände

Hat sich Hummels vor diesem Hintergrund strafbar gemacht? Wegen übler Nachrede macht sich gemäß § 186 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar, wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wenn diese Tatsache nicht erweislich wahr ist. Demgegenüber macht sich wegen Verleumdung nach § 187 StGB strafbar, wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist.

Entscheidend für die Strafbarkeit Hummels ist danach, ob sie Tatsachen behauptet hat, die nicht erweislich wahr sind oder deren Unwahrheit ihr sogar bewusst war. Gehen wir die relevanten Teile ihrer Äußerungen einmal durch:

"Verbrechen"

Zunächst zum Vorwurf, Becker habe ein "Verbrechen" begangen: Die Handlungen, derentwegen Becker vom britischen Gericht für schuldig befunden und verurteilt wurde, dürften im deutschen Strafrecht dem Tatbestand des Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB unterfallen. Dieser stellt gemäß § 12 StGB zwar kein Verbrechen, sondern (nur) ein Vergehen dar. Das ist aber ebenso unerheblich, wie es auf sich beruhen kann, ob das britische Strafrecht diese Unterscheidung ebenfalls kennt und teilt oder ob die bezeichneten Taten dort "ernstzunehmende Verbrechen" sind, wie es die britische Insolvenzbehörde "Insolvency Service" nach der Strafmaßverkündung mitgeteilt haben soll. 

Denn neben dessen rechtlicher Bedeutung hat der Begriff des Verbrechens auch eine allgemeinsprachliche und wird laut Duden als "schwere Straftat", "verabscheuenswürdige Untat; verwerfliche, verantwortungslose Handlung" und bloße "Kriminalität" verstanden. Bei mehrdeutigen Begriffen darf mit Blick auf die in Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit die zur Verurteilung führende Deutung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn alle anderen Auslegungsvarianten "mit nachvollziehbaren Gründen auszuschließen" sind (BVerfG NStZ 2001, 640 [641]). 

Weil Hummels aber näherer juristischer Kenntnisse unverdächtig ist, liegt die Annahme fern, sie habe den Verbrechensbegriff in seinem rechtlichen und nicht in seinem allgemeinsprachlichen Gehalt verwenden wollen. Und dass Becker "verwerfliche, verantwortungslose Handlungen" begangen hat und kriminell war, ist – seine Verurteilung in Großbritannien wegen Bankrotts zugrunde gelegt – nicht unwahr.

"Geprellt, betrogen und verarscht"

Weiter zur Aussage, Becker habe "viele Menschen geprellt, betrogen und verarscht und das gehört sich einfach nicht.": Ob sich etwas gehört oder nicht, ist offenkundig eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung. Wie steht es aber mit dem Vorwurf, "geprellt", "betrogen" und "verarscht" zu haben? 

Laut Duden bedeutet jemanden zu "prellen" sowohl "jemanden um etwas ihm Zustehendes bringen, betrügen" als auch "einen ausstehenden Geldbetrag nicht bezahlen". "Betrügen" heißt insbesondere "bewusst täuschen, irreführen, hintergehen" und "durch Betrug um etwas bringen". Und jemanden "verarschen" meint insbesondere, ihn "zum Besten haben, zum Narren halten, veralbern". Legt man wiederum die britische Verurteilung Beckers wegen Bankrotts zugrunde, scheinen die Aussagen zutreffend, er habe seine Gläubiger um etwas ihnen Zustehendes gebracht, einen ausstehenden Geldbetrag nicht gezahlt, über weiteres (Immobilien- und Unternehmensanteils-)Vermögen in die Irre geführt und damit zum Narren gehalten. Hinsichtlich des Vorwurfs des "Betrugs" ist wiederum die allgemeinsprachliche und nicht die rechtliche Bedeutung zugrunde zu legen.

"Ruiniert"

Kritisch wird es dann aber, wenn Hummels erklärt, Becker haben "Menschen verarscht, der hat die ruiniert". Unter Ruin versteht man gemeinhin den "(durch jemanden, etwas verursachten) Zustand, in dem eine Person oder Sache in ihrer Existenz getroffen ist, (körperlich, moralisch, wirtschaftlich o. ä.) am Ende ist; Untergang" und den "Zustand des vollständigen finanziellen, gesundheitlichen oder moralischen Zusammenbruchs".

Eine Internet-Recherche führt zutage, dass 15 Gläubiger Geld von Becker fordern sollen, darunter der Schweizer Unternehmer und Multimillionär Hans-Dieter Cleven, die Privatbank Arbuthnot Latham & Co, die Boris Becker GmbH und weitere Banken und Privatpersonen. Dass eine davon durch Handlungen Beckers im Zusammenhang mit dessen Insolvenz in ihrer körperlichen oder wirtschaftlichen Existenz betroffen, am Ende oder dem Untergang geweiht war oder körperlichen oder wirtschaftlichen Zusammenbruch erlitten hat, ist nicht ersichtlich.

Strafbarkeit möglich, Anklage unwahrscheinlich 

Bleibt es dabei, dürfte der Vorwurf, Becker habe andere Menschen ruiniert, als unwahre Tatsachenbehauptung zu qualifizieren sein. Ob diese sich, wie angezeigt, als Verleumdung darstellt, hängt davon ab, ob Hummels nachgewiesen werden kann, dass ihr die Unwahrheit bewusst war. Da ihre Aussage eher unbedacht daher gesagt klingt, drängt sich das nicht auf. Dann läge stattdessen eine üble Nachrede vor, bei der Zweifel zu ihren Lasten gingen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wäre gleichwohl zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft nicht selbst Anklage erheben, sondern Becker gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 2, § 376 StPO, Nr. 86 Abs. 2 RiStBV auf den Privatklageweg verweisen würde. Der unbedachte und nur das Ausmaß der Folgen betreffende Vorwurf, Menschen ruiniert zu haben, erscheint unter Berücksichtigung Beckers rechtskräftiger Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung in Deutschland und wegen vier Insolvenzstraftaten in Großbritannien nicht so erheblich, dass die Strafverfolgung Hummels wegen dieser Passage ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit wäre. 

Angesichts dessen und seines übrigen Gerierens in der Öffentlichkeit, gerade auch das Insolvenzverfahren betreffend, hätte Becker besser daran getan, Hummels Äußerung allenfalls zivilrechtlich anzugreifen, statt mit einer von medienwirksamem Tamtam begleiteten, in der Sache aber dünnen Strafanzeige und der über seinen Anwalt an jeden (offenbar auch nur vermeintlichen) zukünftigen Verleumder gerichteten Drohung mit "einer harten Reaktion". Ob getroffene Hunde bellen?

 

Dr. Yves GeorgDr. Yves Georg ist Strafverteidiger und Partner der Kanzlei Schwenn Kruse Georg Rechtsanwälte in Hamburg 

Kanzlei des Autors

Zitiervorschlag

Tennisstar erstattet Strafanzeige gegen Influencerin: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50683 (abgerufen am: 09.10.2024 )

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