Am Donnerstag hat der BayVerfGH den Auskunftsanspruch der Landtagsabgeordneten bestätigt und gestärkt. Bei Anfragen, die sensible Bereiche wie den Verfassungsschutz betreffen, dürfen Regierungen nicht pauschal mit dem Hinweis auf Geheimhaltungsbedürftigkeit mauern. Das Urteil könnte auch auf andere Fragen wie etwa jene nach deutschen Rüstungsexporten ausstrahlen, meint Sebastian Roßner.
In der vergangenen Legislaturperiode des Bayerischen Landtages wollten es zwei Abgeordnete der Grünen und die grüne Landtagsfraktion genauer wissen: Sie fragten bei der bayerischen Regierung, wie es mit der Überwachung der rechtsextremen Szene durch V-Leute des Verfassungsschutzes bestellt sei, und wollten auch erfahren, ob und in welchem Umfang Mandatsträger auf kommunaler, Landes-, Bundes- und europäischer Ebene durch den bayerischen Verfassungsschutz überwacht würden.
Weitere Fragen richteten sich auf die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über das Oktoberfestattentat im Jahr 1980, bei dem 68 Menschen starben, und auf die Richtlinien zur Archivierung von Akten des Nachrichtendienstes. Die Antworten aus der Staatsregierung vermochten die Fragesteller nicht zu befriedigen; es kam zu einem Organstreitverfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH), in dem die Antragsteller überwiegend erfolgreich waren.
Das Urteil vom 20. März 2014 enthält drei Kernaussagen: Die Regierung muss generell Auskunft über ihre Tätigkeit geben. In Fragen des Verfassungsschutzes verdrängt eine Informierung des in der Landesverfassung vorgesehenen Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) nicht den Anspruch der übrigen Landtagsmitglieder, selbst informiert zu werden. Sollte eine Information aber geheimhaltungsbedürftig sein, muss die Regierung dies bezogen auf den Einzelfall begründen (BayVerfGH, Urt. v. 20.03.2014, Az. Vf. 72-IV-a-12).
Informationsweitergabe nur an Sondergremium reicht nicht aus
Das Gericht bekräftigt zunächst, dass es einen generellen Auskunftsanspruch jedes einzelnen Landtagsabgeordneten gegenüber der Staatsregierung gebe, der sich auf alle Vorgänge im Zuständigkeitsbereich der Regierung beziehe, also auch auf die Tätigkeit des Verfassungsschutzes als einer Behörde, die dem Innenministerium nachgeordnet ist. Es leitet diesen Informationsanspruch aus der Stellung der Abgeordneten als Vertreter des Volkes nach Art. 13 Abs. 2 S. 1 Bayerische Verfassung (BV) ab. Der BayVerfGH liegt damit auf der allgemeinen Linie der deutschen Verfassungsgerichte und teilt diese Begründung des Auskunftsanspruches der Abgeordneten zum Beispiel mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 14. Januar 1986 - 2 BvE 14/83, 2 BvE 4/84) oder dem nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof (NWVerfGH, Urteil vom 4. Oktober 1993 - Ver-fGH 15/92).
Bedeutsam ist die Feststellung des BayVerfGH zum PKG, dass nämlich der verfassungsrechtliche Auskunftsanspruch des Parlaments in Sachen Nachrichtendienste nicht verdrängt werde, wenn die Regierung ein parlamentarisches Gremium entsprechend informiert, welches, wie das PKG, zur Geheimhaltung verpflichtet ist. Zur Begründung führt der BayVerfGH aus, dass das Plenum, die Fraktionen und einzelnen Abgeordneten eben nicht auf die Informationen zugreifen können, die die Regierung dem PKG gegeben hat. Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, bestimmte Bewertungen des PKG mit Beschluss durch Zweidrittelmehrheit des Gremiums dem Landtagsplenum zugänglich zu machen, ändere die Lage nicht wesentlich.
Der BayVerfGH geht damit einen Schritt über das BVerfG hinaus, nicht im Ergebnis, aber in der Begründung. Denn die Richter in Karlsruhe haben sich bisher darauf beschränkt, das Verhältnis zwischen PKG des Bundestages und Bundestagsplenum einfachrechtlich zu bestimmen und dabei die verfassungsrechtlichen Fragen ausdrücklich offen gelassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.07.2009, Az. 2 BvE 5/06).
Sebastian Roßner, BayVerfGH zu Informationsansprüchen des Landtages: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11405 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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