Bayerischer Jurist klagt gegen Rundfunkabgabe: "Der GEZ-Wahnsinn geht immer weiter"

Interview mit Ermano Geuer

14.08.2012

Einige Monate vor seinem Inkrafttreten klagt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Passau per Popularklage in Bayern gegen den haushaltsbezogenen neuen Rundfunkbeitrag. Im LTO-Interview erklärt Ermano Geuer, wieso die neue Abgabe nicht besser ist als die alte Gebühr, warum vor allem Studenten ihre Opfer sind und was passiert, wenn der Verfassungsgerichtshof ihm recht gibt.

LTO: Sie wollen per Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München die Neuregelung im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag stoppen. Demnach sollen ab dem 1. Januar 2013 alle Haushalte und Betriebe eine Abgabe zahlen, unabhängig davon, ob sie überhaupt Fernseher, Radios oder internetfähige Computer und Smartphones besitzen. Die Abgabe soll die bisher gerätebezogene Gebühr ablösen. Was haben Sie dagegen?

Geuer: Wir haben über diese Neuregelung natürlich auch im Kollegenkreis diskutiert und wir finden sie nicht ganz fair. Bislang gab es die Möglichkeit, nach den Geräten zu differenzieren. Sie konnten also gegenüber der Gebühreneinzugszentrale angeben, dass Sie beispielsweise nur ein Radio haben oder nur einen Internetanschluss nutzen, der ja ebenfalls gebührenpflichtig ist.

Vor allem zum Beispiel Studenten betrifft das: Viele von ihnen haben gar keinen Fernseher, sondern nur einen Internetanschluss. Für solche Rundfunknutzer ergibt sich mit der Neuregelung eine erhebliche Steigerung, immerhin beträgt die Gebühr für einen Internetanschluss derzeit 5,76 Euro, ab 2013 müsste der Teilnehmer den Pauschalbetrag von 17,98 Euro zahlen.

Ähnlich verhält es sich für Betriebe: Auch bei einem großen Fuhrpark konnte man bislang beispielsweise die Radios aus vielen Kraftfahrzeugen ausbauen, um die hohen Rundfunkgebühren zu sparen. Diese Möglichkeit besteht nun nicht mehr – was erhebliche Mehrkosten auslösen kann, zumal die Unternehmen in der Regel ja auf den Fuhrpark angewiesen sind.

Es können sich also durchaus gewisse Härten ergeben, die gar nicht so selten sind. Ich halte das nicht für eine faire Umsetzung.

"Hoffnung, dass GEZ abgeschafft wird, hat sich nicht erfüllt"

LTO: Härtefälle machen ein Gesetz aber noch nicht zwingend verfassungswidrig. Mit welchen rechtlichen Argumenten begründen Sie Ihre Klage?

Geuer: Verfassungsrechtlich gibt es zwei Seiten, eine formelle und eine grundrechtliche. Ich sehe den Gleichheitssatz verletzt, der in der bayerischen Landesverfassung selbstverständlich genauso niedergelegt ist wie im Grundgesetz. Eine Pauschalierung wie die geplante neue Rundfunkabgabe setzt gewisse sachliche Gründe voraus – die ich bei der Rundfunkabgabe nicht sehe.

Es werden vielmehr jedenfalls in Teilen durchaus sachfremde Erwägungen angestellt, um die pauschale Abgabe zu begründen. Zum Beispiel bei der Betriebsstätte gibt es keinerlei Zusammenhang zwischen der Anzahl der Betriebsstätten oder der Anzahl der Mitarbeiter einerseits und dem Rundfunkempfang andererseits.

Das gilt umso mehr, als eben nicht nur eine vom Rundfunkempfang entkoppelte Pauschalierung stattfindet, sondern auf der anderen Seite Kraftfahrzeuge dann doch wieder extra zu zahlen ist – das ist systemfremd. Letztlich geht es wohl nur darum, ohne verfassungsrechtlich abzuwägen, Einnahmen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu schaffen.

"Es würde quasi ein zweites Melderegister entstehen"

LTO: Aber die Kritik an der derzeit noch geltenden Rundfunkgebühr lautete doch vor allem, dass zu viele Informationen relevant waren, um den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen, was wiederum dazu führte, dass die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) erhebliche Nachforschungen auch im privaten Wohnbereich anstellte. Liegt es nicht in der Natur der Dinge, dass mehr Pauschalierung erforderlich ist, wenn man weniger Information über den Einzelfall herausgeben will?

Geuer: Das Problem ist ja, dass es dadurch nicht besser wird. Die ursprüngliche Hoffnung, dass die GEZ vielleicht abgeschafft wird, hat sich ja mitnichten erfüllt. Die Behörde stockt ihre Mitarbeiter sogar noch auf. Auch weiterhin werden ihr von den Einwohnermeldeämtern Meldedaten übermittelt, wodurch quasi ein zweites Melderegister entsteht parallel zu denen der Gemeinden. Wir sprechen also noch von einem zusätzlichen datenschutzrechtlichen Problem – besser wird daher, was die Weitergabe von Informationen an die GEZ angeht, leider gar nichts.

Das wird sich sogar noch steigern. Jetzt zu Beginn darf die Behörde zwar keine Adressdaten von Händlern ankaufen, es ist aber schon gesetzlich geregelt, dass auch das in einigen Jahren möglich werden soll. Und es wird ja weiter ermittelt, nur eben nach anderen Dingen: Wer hat sich im Haus Wohnungen gekauft, wer ist dort gemeldet, ist eine Einliegerwohnung vermietet – all diese Fragen stellen sich weiterhin. Es ist also nicht so, dass dieser GEZ-Wahnsinn jetzt aufhören würde, er geht vielmehr immer weiter.

LTO: Wie könnte denn eine Ihres Erachtens verfassungsgemäße Regelung aussehen?

Geuer: Damit befinden wir uns beim zweiten, diesmal kompetenzrechtlichen Ansatz, den ich auch in meiner Klage gegen die Neuregelung aufgreife: Ich halte die jetzige Regelung für eine Steuer. Das führt wiederum dazu, dass die Länder keine Kompetenz hätten, diese zu erlassen.

Man könnte durchaus andenken, Rundfunkbeiträge über eine Steuer zu finanzieren. Die Beiträge oder wie auch immer man sie dann nennen möchte, könnten über das Finanzamt eingezogen werden. Dagegen spricht allerdings, dass möglicherweise eine zu große Nähe des Rundfunks zum Staat entstünde, also ein eklatanter Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsferne.

Jedenfalls dürfte aber eine verfassungsgemäß Regelung weder dem einzelnen Bürger noch dem Betriebsstätteninhaber die Möglichkeit abschneiden, darzulegen, dass er aus welchen Gründen auch immer keine oder nur eingeschränkt Internet oder Rundfunkgeräte nutzt. Es könnte durchaus weiterhin eine gesetzliche Vermutung dahingehend geben, dass jeder, der eine Wohnung nutzt, auch Rundfunkgeräte hat. Der Bürger müsste diese aber widerlegen können - und ebendies ist nun von Gesetzes wegen gar nicht erst vorgesehen.

"Die ein oder andere Regel des Staatsvertrags wird gekippt werden"

LTO: Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten Ihrer Klage?

Geuer: Das ist natürlich immer schwierig zu prognostizieren. Ich warte nun erst einmal die Stellungnahmen des Bayerischen Rundfunks und des Landtags ab, die zwischenzeitlich verlängerte Schriftsatzfrist zur Erwiderung läuft am 15. Oktober ab.

Ich stehe mit meiner Meinung aber jedenfalls bei Weitem nicht allein da. In der rechtswissenschaftlichen Literatur vertreten einige Kollegen die Auffassung, dass die neue Rundfunkabgabe entweder grundrechtlich oder aus den genannten kompetenzrechtlichen Gründen verfassungswidrig ist. Auch deren Argumente habe ich in meiner Klageschrift natürlich aufgeführt.

Ich bin ganz zuversichtlich, dass zumindest die eine oder andere der von mir angegriffenen Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags gekippt werden wird.

LTO: Die Popularklage gibt es in diesem Umfang nur in Bayern. Das in der Landesverfassung vorgesehene Verfahren, das es jedermann unabhängig von einer individuellen Rechtsverletzung ermöglicht, mit der Behauptung zu klagen, ein in der Landesverfassung garantiertes Grundrecht werde durch ein bayerisches Gesetz, eine Verordnung oder eine Satzung verletzt, ist kostenfrei.

Geuer: Es geht nicht nur darum, dass ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof natürlich kostenfrei ist. Vor allem ist es die einfachste Möglichkeit, um schon jetzt, also vor dem Inkrafttreten zum 1. Januar und ohne den Verwaltungsrechtsweg beschreiten zu müssen, gegen die Neuregelung vorzugehen.

LTO: Hätte denn ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in einem Bereich, für welchen die Länder zuständig sind, bundesweite Konsequenzen?

Geuer: Wenn ein Staatsvertrag, in diesem Fall eben der des Freistaates Bayern mit allen anderen Ländern, einmal unterzeichnet ist, ist man an diesen gebunden. Allerdings wäre die bayerische Staatsregierung dennoch verpflichtet, wenn die Verfassungswidrigkeit bestimmter Regelungen durch Urteil festgestellt würde, mit den anderen Ländern eine Neuregelung auszuhandeln. Notfalls müsste sie den Staatsvertrag kündigen, weil sie an verfassungswidrigen Regelungen natürlich nicht festhalten kann. Ein solches Urteil hätte also durchaus bundesweite Auswirkungen.

LTO: Herr Geuer, ich danke Ihnen für das Interview.

Ermano Geuer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht an der Universität Passau. Er veröffentlicht regelmäßig u.a. auf LTO Beiträge vor allem zum Datenschutzrecht.

Das Interview führte Pia Lorenz.

Zitiervorschlag

Ermano Geuer, Bayerischer Jurist klagt gegen Rundfunkabgabe: . In: Legal Tribune Online, 14.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6836 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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