Bayerische Verfassung feiert 70. Jubiläum: Der Bayern heilig Recht

2/2: Bauen unseres Glückes Herd

Nicht aus dem kommunistischen Manifest, sondern Programm der Bayerischen Verfassung ist die angesichts von Bodenspekulationen bedeutsame Forderung nach einer sozialgerechten Bodennutzung: "Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besondere Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen."

Weniger bekannt ist die angesichts der Wohnungsknappheit weit vorausdenkende Statuierung eines subjektiven Rechts auf Wohnung: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung." (Art. 106 Abs. 1 BV). Insbesondere kinderreiche Familien haben Anspruch auf angemessene, d. h. bezahlbare  Wohnungen (Art. 125 Abs. 3 BV).

Das Zusammenleben der Menschen soll nach der Bayerischen Verfassung in Respekt und Frieden erfolgen. Deshalb werden typische nationalsozialistische Prinzipien strikt abgelehnt: "Rassen- und Völkerhaß zu entfachen ist verboten und strafbar." (Art. 119 BV). Und "an allen Schulen sind beim Unterricht die religiösen Empfindungen aller zu achten." (Art. 136 Abs. 1 BV). Hierin kommt auch der demokratische und vor allem der bayerische Grundsatz der Toleranz "leben und leben lassen" als Bildungszweck zum Ausdruck.

Wider die Hakenkreuzmentalität

Die Bayerische Verfassung ist vor allem auch Reaktion auf die vorangegangene "Hakenkreuzmentalität". Der Neubau des bayerischen Staates sollte deshalb mit der Hervorhebung "großer Staatsgrundsätze beginnen, deren rücksichtslose Verleugnung für das Dritte Reich charakteristisch war" (Nawiasky).

Hierfür steht insbesondere der Vorspruch: "Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkrieges geführt hat, in dem festen Entschlusse, den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechtes dauernd zu sichern, gibt sich das Bayerische Volk, eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte, nachstehende demokratische Verfassung."

Gott mit dir, du Land der Bayern

Die Schilderung des vom Unrechtsregime angerichteten Chaos und die nahezu polemische Betonung der mehr als tausendjährigen Geschichte Bayerns im Gegensatz zum Hitlerschen 'tausendjährigen Reich' bezieht Gott mit ein. Die Ehrfurcht vor Gott, die auch in den Bildungszielen der Schule wieder erwähnt wird (Art. 131 Abs. 2 BV), wurde einvernehmlich von SPD und CSU formuliert.

Wenig Verständnis hätten die Väter der Bayerischen Verfassung, selbst gezeichnet von der Erfahrung eines gottlosen Regimes, deshalb wohl für die Entscheidung des Kieler Landtags vom Sommer 2016 gehabt. Gott hatte dort keine Chance, in der Verfassung genannt zu werden. Eine entsprechende gemeinsame Volksinitiative von Juden, Muslimen und Christen wurde abgelehnt. Die Erinnerung  scheint wohl nicht mehr so präsent zu sein wie 1946.

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Historiker und Honorarprofessor an der Universität Regensburg.

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, Bayerische Verfassung feiert 70. Jubiläum: Der Bayern heilig Recht . In: Legal Tribune Online, 10.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21411/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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