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Bayerisches PAG zu Drohnen-Einsatz: Übri­gens nicht bewaffnet

Gasteitrag von Claudia Kornmeier

30.05.2018

Ferngesteuerte Drohne

© Jag_cz - adobe.stock.com

Bayern hat die Reform des Polizeigesetzes dazu genutzt, den Einsatz von Drohnen zu regeln. Ein Musterbeispiel ist dabei nicht herausgekommen, meint Claudia Kornmeier.

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Es ist eine unübersichtliche Vorschrift geworden. Dabei sollte Artikel 47 des neuen bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) vor allem eine Klarstellung sein und Bedenken in der Bevölkerung gegenüber der Überwachung per Drohnen ausräumen. So steht es zumindest in der Gesetzesbegründung. Gelungen ist das nicht.

So geht der bayerische Gesetzgeber zwar -zu Recht - davon aus, dass der Einsatz von Drohnen zur Überwachung durch die Polizei eine "nicht unerhebliche (zusätzliche) Eingriffsqualität" hat. Er zieht daraus aber keine Konsequenz. Der Einsatz von Drohnen wird nicht an strengere Voraussetzungen geknüpft als eine gewöhnliche Videoüberwachung.

Vielmehr dürfen unbemannte Luftfahrtsysteme nach dem neuen Gesetz bei bestimmten Maßnahmen eingesetzt werden allein unter den Voraussetzungen, die für die jeweilige Maßnahme gelten. Das heißt etwa: Der Einsatz von Drohnen zur Bildaufnahme bei einer Veranstaltung ist zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten begangen werden. Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung - das ist eine ziemlich niedrige Eingriffsschwelle.

Einsatz soll offen geschehen

Es wird zwar mehrfach darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Drohnen offen geschehen soll - womit ein weniger tiefer Eingriff in die Grundrechte verbunden wäre als bei einem verdeckten Einsatz. Als Möglichkeit wird ein Hinweis auf der Kleidung des die Drohne steuernden Beamten genannt. Das gilt allerdings nur, solange es auch um einen Einsatz zur offenen Bild- und Tonaufnahme geht. Anders ist es im Rahmen verdeckter Maßnahmen - wofür Drohnen auch eingesetzt werden dürfen. Es ist also nicht so, dass der Einsatz von Drohnen nach dem PAG generell offen erfolgen müsste.

Der bayerische Gesetzgeber unterscheidet außerdem nicht zwischen gesteuerten und autonomen Systemen. Die Luftverkehrs-Ordnung untersagt einen Einsatz von Drohnen außerhalb der Sichtweite des Steuerers zwar; das Verbot gilt allerdings nicht für Behörden, die unbemannte Luftfahrtsystem zur Erfüllung ihrer Aufgaben einsetzen.

Der Einsatz autonomer Drohnen, die etwa darauf programmiert sind, in einer Menschenmenge eine bestimmte Person zu finden, würde aber tiefer in Grundrechte eingreifen als der Einsatz ferngesteuerter Drohnen. Denn eine menschliche, abwägende Entscheidung im konkreten Einzelfall entfällt. Damit steigt die Gefahr, anlasslos von einer Maßnahme betroffen zu sein.

Nun mögen autonome Systeme für die Polizei heute noch Zukunftsmusik sein. Wenn der Gesetzgeber aber schon eine eigene Regelung für den Einsatz von Drohnen schafft, dann sollte er sich mit den denkbaren technischen Möglichkeiten zumindest auseinandersetzen. Das dies geschehen ist, lassen die Gesetzesmaterialien nicht erkennen.  

Begründung des Gesetzes ist kurz

Überhaupt ist die Gesetzesbegründung zu Artikel 47 PAG kurz ausgefallen. So bleibt unklar, wie unbemannte Luftfahrtsysteme bei Maßnahmen nach Artikel 42 Absatz 1 bis 5 (Überwachung der Telekommunikation) sowie Artikel 45 Absatz 1 und 2 (Online-Durchsuchung) PAG eingesetzt werden könnten. Artikel 47 PAG lässt solche Einsatzmöglichkeiten zu.

Auch das FAQ der Polizei zum PAG hilft da nicht weiter. Unter dem Titel "Werden wir künftig von Drohnen überwacht?!" werden lediglich Einsatz-Beispiele genannt, auf die sich wohl alle einigen können: die Vermisstensuche und Übersichtsaufnahmen bei Verkehrsunfällen.

Kein Wort zu den Erfahrungen der bayerischen Beamten mit dem Einsatz von Drohnen. Und auch mit Akzeptanzfragen hält sich der Gesetzgeber nicht auf.

Hinzu kommt: Allein die Vorschrift zu lesen macht schwindelig. Sie ist voll von Verweisen. So soll der Einsatz von Drohnen zulässig sein beim Einsatz "besonderer Mittel der Datenerhebung". Aber was waren gleich "besondere Mittel der Datenerhebung"? Antwort: zum Beispiel die längerfristige Observation oder eine verdeckte Überwachung. Zulässig sollen Drohnen auch bei der offenen Bild- und Tonaufnahme sein, unter den dort genannten Voraussetzungen. Nur was waren gleich die Voraussetzungen für die offene Bild- und Tonaufnahme?

Solche Verweise sind zwar nicht unüblich. Eine Vorschrift, die auch der interessierte Nicht-Jurist ohne weiteres verstehen kann und die Bedenken der Bevölkerung adressieren könnte, sieht dennoch anders aus.

Eine Formulierung ist eindeutig

Klar ist dagegen Absatz 4 ausgefallen. Der Satz ist erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzugefügt worden. Dort heißt es: "Diese unbemannten Luftfahrtsysteme dürfen nicht bewaffnet werden."

Das ist zwar eine eindeutige Formulierung, allerdings wird damit die ganze Systematik des Polizeirechts auf den Kopf gestellt. Das Gesetz muss nicht ausdrücklich regeln, was die Polizei nicht darf. Es gilt das umgekehrte Prinzip: Die Polizei darf nur, was ihr das Gesetz ausdrücklich erlaubt.
Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht in dem bayerischen PAG eine Vorlage für alle anderen Bundesländer. Hoffentlich weckt das den Ehrgeiz eines anderen Landesgesetzgebers, mehr als diese bayerische Klarstellung vorzulegen.

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Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Bayerisches PAG zu Drohnen-Einsatz: Übrigens nicht bewaffnet . In: Legal Tribune Online, 30.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28871/ (abgerufen am: 29.09.2023 )

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