Tausende Trecker waren bundesweit im Einsatz, teilweise wurden Straßen und Autobahnauffahrten blockiert. Doch was war dabei legal und was war rechtswidrig? Christian Rath ordnet die Proteste ein.
Es war erst der Auftakt der "Aktionswoche Agrardiesel", mit der die protestierenden Bauern den Abbau von Steuervorteilen verhindern wollen. Doch die Aufmerksamkeit war schon riesig. Die protestierenden Bauern sind zwar keine echte Massenbewegung, doch mit ihren Traktoren schaffen sie eine räumliche Fülle, die auch eine 100-Bauern-Kundgebung noch eindrucksvoll wirken lässt.
Außerdem müssen die Trecker auf der Straße fahren – und zwar langsam. Schon bei bestimmungsgemäßem Gebrauch sind sie also sofort ein Verkehrhindernis und zehn Trecker sind schnell zu einer Blockade groupiert. Damit haben die Bauern eine Wirkungsmacht, von der andere Protestbewegungen nur träumen können.
"Tötet Özdemir"-Schild strafbar
Doch kommen wir zu den Inhalten. Dass sich viele Politiker mit den protestierenden Bauern solidarisierten, hat keine rechtlichen Folgen. Denn für die Rechtmäßigkeit einer Aktion ist ihr Ziel unerheblich. Die Versammlungsfreiheit gilt grundsätzlich für Inhalte jeder Art. Eine illegale Aktion wird nicht dadurch rechtmäßig, dass viele Ministerpräsidenten das Anliegen nachvollziehen können.
Umgekehrt schützt die Versammlungsfreiheit aber gerade auch diejenigen, die sich für unpopuläre Inhalte einsetzen. Es ist auch unerheblich, ob sich Verfassungsfeinde an den Aktionen beteiligen und ihre Parolen zeigen. Auch Rechtsextremisten haben Grundrechte und dürfen demonstrieren.
Die Grenze ist jedoch erreicht, wenn es um Straftaten geht. Wer mit einem "Tötet Özdemir"-Schild zur Ermordung des Landwirtschaftsministers aufruft, wie in Wiesbaden gesehen, macht sich wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gem. § 111 StGB selbst strafbar. Es droht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
Ein einzelnes strafbares Schild macht aber nicht die gesamte Demonstration illegal. Vielmehr müssen die Demo-Ordner dafür sorgen, dass solche strafbaren Schilder verschwinden. Notfalls muss die Polizei einschreiten.
Wieder der Galgen
Öfter waren bei den Bauernprotesten Galgen zu sehen. Hier ist die Beurteilung nicht so eindeutig. Hängt am Galgen eine rot-gelb-grüne Ampel, wird damit wohl eher ein Ende der Koalition gefordert als die Hinrichtung konkreter Politiker. Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass mehrdeutige Äußerungen im Zweifel so ausgelegt werden, dass sie nicht strafbar sind.
Selbst der sogenannte Pegida-Galgen, bei dem 2015 zwei Stricke für die "Volksverräter" Angela Merkel und Sigmar Gabriel "reserviert" waren, führte damals nicht zu Strafverfolgung. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte 2017 das Verfahren ein. Erst das Landgericht Hamburg sorgte ein Jahr später zivilrechtlich dafür, dass der Galgen wenigstens nicht mehr im Internet verkauft werden durfte.
Blockade oder Kundgebung?
Strafbar kann allerdings nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form der Kundgebung sein. So ist eine Straßenblockade in der Regel auch dann eine strafbare Nötigung gem. § 240 StGB, wenn sie Aufmerksamkeit für einen politischen Zweck schaffen soll. Die Klimaaktivisten von "Letzte Generation" wurden deshalb in den vergangenen zwei Jahren hunderte Male zu Geldstrafen verurteilt, manchmal sogar zu Freiheitsstrafen.
Anders sieht es aus, wenn die Meinungskundgebung im Vordergrund steht und die Behinderung des Verkehrs nur eine notwendige Nebenfolge ist. Offiziell hat der Bauernverband nämlich nicht zu "Blockaden" aufgerufen, sondern zu "Traktorenkorsos" und "Kolonnenfahrten", die er auch ordentlich bei den Behörden anmeldete.
Die Bauern können sich dabei auf das demonstratitionsrechtliche Selbstbestimmungsrecht berufen. Wer eine Kundgebung veranstaltet, kann grundsätzlich selbst entscheiden, wann, wo und wie demonstriert werden soll. Dass Bauern mit ihren Traktoren demonstrieren, ist also ihr gutes Recht, auch wenn das zu kilometerlangen Staus und massiven Verkehrsbehinderungen führt.
Unterschiedliche Handhabung durch die Bundesländer
Wohl eher informell war aber oft auch von "Blockaden" die Rede, insbesondere an Autobahnzufahrten. In Mecklenburg-Vorpommern hat das Innenministerium deshalb nach einem Kooperationsgespräch den Bauern die eindeutige Auflage gemacht: Die Versammlungen dürfen lediglich "an den" Auffahrten zu den Bundesautobahnen stattfinden. "Die Nutzung der Auffahrt muss jederzeit gewährleistet sein."
In Sachsen war man weniger streng. Dort wurden auch zeitweise Blockaden der Autobahnauffahrten erlaubt. In bestimmten Abständen – je nach Verkehrsaufkommen vor Ort – sollte jedoch der Autoverkehr durchgelassen werden. Feuerwehr und Krankenwagen sollten zudem stets passieren können.
Auch in Brandenburg gab es eine Intervall-Vorgabe. Danach waren die Autobahnauffahrten "alle 30 Minuten für jeweils 30 Minuten freizugeben". Gegen diese Auflage klagten die Bauern jedoch mit Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschied am Samstag in einem Eilverfahren (Beschl. v. 06.01.2024, Az.: OVG 1 S 3/24), dass die Bauern die Autobahnzufahrten auch stundenlang blockieren dürfen. Die Autofahrer müssten ja nicht unbedingt die Autobahn benutzen und könnten ihr Ziel auch auf anderen Straßen erreichen. So großzügig war der Umgang der Gerichte mit der "Letzten Generation" bisher in der Regel nicht.
In der Praxis hat sich der Umgang der Polizei mit den Treckern vor Ort wohl nicht sehr unterschieden. Am Vormittag waren die Autobahnauffahrten in Mecklenburg-Vorpommern trotz unterschiedlicher rechtlicher Ausgangslage ebenso dicht wie in Brandenburg, teilte die Nachrichtenagentur afp mit. Auch an vielen Kreisverkehren, Kreuzungen und Tunneln sorgten die Trecker schon durch ihre massenhafte Präsenz für schwere Verkehrsstörungen.
Protestschilder, Galgen, Blockaden: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53579 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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