Druckversion
Samstag, 30.09.2023, 08:04 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/bag-urteil-8azr101013-datenschutz-arbeitnehmer-einwilligung/
Fenster schließen
Artikel drucken
15597

BAG zu Arbeitnehmerdatenschutz: Freie Entscheidung im Arbeits­verhältnis ist möglich

von Dr. Marc Störing

21.05.2015

Datenschutz (Symbolbild)

© weerapat1003

Mitarbeiter können in die Datenverarbeitung durch den Arbeitgeber einwilligen. Die Unterordnungssituation in Arbeitsverhältnissen steht der erforderlichen Freiwilligkeit nicht entgegen, entschied das BAG. Das Urteil erläutert Marc Störing.

Anzeige

Im entschiedenen Fall hatte ein Arbeitgeber ein Video zu Werbezwecken eingesetzt. Der darin abgebildete Arbeitnehmer hatte zuvor seine Einwilligung in die Verwendung der Bilder erklärt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen widerrief er sie jedoch und klagte auf Unterlassung der Verwendung. Ohne Erfolg, entscheid das Bundesarbeitsgericht (BAG) Urt. v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13) und überraschte mit diesem Urteil die Rechtsszene.

Das Datenschutzrecht arbeitet mit einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Die Verarbeitung von personenbezogenen oder -beziehbaren Daten ist nach § 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) unzulässig – es sei denn, eine gesetzliche Vorschrift oder der Betroffene selbst erlauben sie ausnahmsweise. Wie dieser Grundsatz in Arbeitsverhältnissen bezüglich der Daten von Arbeitnehmer angewendet werden kann, hat der Gesetzgeber bislang nicht im Detail geregelt; § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG liefert lediglich eine allgemeine Wertung und erlaubt, was „erforderlich“ ist. Ein geplantes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz scheiterte vor rund zwei Jahren auf politischer Ebene.

Naheliegend wäre es gewesen, die Mitarbeiter um Zustimmung zur Erhebung und Verarbeitung bestimmter Daten zu bitten. Notwendig für die Wirksamkeit dieser Einwilligung ist jedoch deren Freiwilligkeit. Ob diese mit Blick auf das Unterordnungsverhältnis eines Arbeitsnehmers überhaupt gegeben sein kann, bezweifelten viele Experten und auch einige Aufsichtsbehörden, etwa der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. Im Zweifel sei die Einwilligung jedenfalls unfreiwillig.

Umso überraschender, dass das BAG die grundsätzliche Möglichkeit einer freiwilligen Einwilligung nun bejaht hat. Die Erfurter Richter entschieden, Arbeitnehmer könnten grundsätzlich auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses frei entscheiden, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ausüben wollten. Dieser Freiheit stünden weder die grundlegende Tatsache entgegen, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte seien, noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers.

Zu beachten sind daher in einem Arbeitsverhältnis folgende Aspekte:

Die Einwilligung ist transparent und klar zu gestalten; es kommt auf eine konkrete Darstellung insbesondere von Daten und Zwecken an. Pauschaleinwilligungen sind unzulässig. Alle übrigen Anforderungen aus dem Bundesdatenschutzgesetz weiter. Dies bedeutet iSd § 4a Abs. 1 BDSG, dass die Einwilligung im Zweifel schriftlich erfolgen muss.

Doppelungen sollten unterbleiben: Bittet ein Arbeitgeber um eine Erlaubnis, obwohl die fragliche Maßnahme schon nach dem Gesetz zulässig wäre, muss er sich auch an einen eventuellen Widerruf der Einwilligung halten. Mit Einwilligung stünde der Arbeitgeber dann also schlechter als ohne.

Das Urteil ersetzt nicht die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 86 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die Einführung und Anwendung von IT-Systemen ist deshalb in aller Regel mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Häufig kann aber schon eine sorgfältig ausgearbeitete Betriebsvereinbarung eine Einwilligung ersetzen.

Das Gebot der Freiwilligkeit gilt weiterhin. Das Erfurter Urteil ist kein Freifahrtschein, nun zur Abgabe von Einwilligungserklärungen auffordern zu können. Unternehmen sollten deshalb bedenken, dass eine Einwilligung stets verweigert oder später unter bestimmten Umständen widerrufen werden kann. Arbeitgeber sollten sich deshalb die Kontrollfrage stellen, ob sie solche Situationen handhaben können. Denn erfahrungsgemäß führen Alternativlosigkeiten häufig zu einer Drucksituation. Bei Ankündigungen etwa durch den Arbeitgeber, dass "jeder Arbeitnehmer das unterschreiben muss“, wäre die Einwilligung eben doch nicht mehr freiwillig – auch nicht nach dem Urteil des BAG.

Dr. Marc Störing berät im Kölner Büro von Osborne Clarke zu Fragen des Datenschutzes

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Dr. Marc Störing, BAG zu Arbeitnehmerdatenschutz: Freie Entscheidung im Arbeitsverhältnis ist möglich . In: Legal Tribune Online, 21.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15597/ (abgerufen am: 30.09.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Arbeitsrecht
    • Arbeitsvertrag
    • Datenschutz
    • Individual-Arbeitsrecht
    • Vertragsrecht
  • Gerichte
    • Bundesarbeitsgericht (BAG)
15.09.2023
Datenschutz

OVG beendet Personalgerangel in Niedersachsen:

Lang­jäh­rige Daten­schutz­be­auf­tragte bekommt keine zweite Chance

Im Mai hatte der Landtag einstimmig einen neuen Landesdatenschutzbeauftragten gewählt, doch weil seine Vorgängerin klagte, musste er wochenlang auf seinen Jobantritt warten. Nach einem OVG-Beschluss wird er nun ernannt.

Artikel lesen
13.09.2023
Reise

OLG Frankfurt a.M. bestätigt LG-Urteil:

Die Regen­zeit ist kein Rei­se­mangel

Schlechtes Wetter im Urlaub ist nervig, aber kein Reisemangel, bestätigt das OLG. Die Reisenden hätten sich selbst über den Zeitraum der Regenzeit in Ecuador informieren müssen. So hatte es das LG schon gesehen.

Artikel lesen
29.09.2023
Diskriminierung

"Oben ohne" im Schwimmbad:

Kam­mer­ge­richt sieht "Sch­lech­ter­be­hand­lung" von Frauen

Müssen Frauen ihre Brüste abdecken und Männer nicht? Nach gescheiterten Vergleichsgesprächen im "Plansche"-Prozess gab das KG einen klaren Hinweis: Das Land Berlin solle prüfen, ob es die Klageforderung nicht teilweise anerkennen will.

Artikel lesen
29.09.2023
Bundesrat

Neben Cannabis, Heizungsgesetz und Straßenverkehr:

Bun­desrat will Bahn­st­re­cken-Ausbau besch­leu­nigen

Bahnkunden in Deutschland haben es nicht leicht. Wegen des maroden Schienennetzes wird es wohl noch schlimmer. Mit einem Gesetzentwurf will der Bundesrat gegensteuern. Mehr Nachhaltigkeit auch in der Straßenverkehrs- und Energieplanung.

Artikel lesen
29.09.2023
Cannabis-Legalisierung

Stellungnahme der Länder zum Cannabis-Gesetz:

Lega­li­sie­rungs­gegner schei­tern im Bun­desrat

Der Bundesrat hat zum Cannabisgesetz der Ampel Stellung genommen. Dabei scheiterten die Fundamentalkritiker der Legalisierung mit ihren Forderungen, das Vorhaben vollständig zu stoppen oder wenigstens für zustimmungspflichtig zu erklären.

Artikel lesen
28.09.2023
Cannabis-Legalisierung

Vor den Beratungen im Bundesrat:

Bayern plant Cannabis-SEK

Bevor sich die Länder am Freitag mit dem Cannabisgesetz befassen, hat Bayern eine zentrale Kontrolleinheit angekündigt, falls das Gesetz in Kraft treten sollte. Vorzugsweise solle das Vorhaben aber im Bundesrat gestoppt werden.

Artikel lesen
TopJOBS
Re­fe­ren­tin / Re­fe­rent (m/w/d) Ar­beits­recht

BDA Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände , Ber­lin

Werk­stu­dent für LTO-News­desk (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Rechts­re­fe­ren­da­re (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Wis­sen­schaft­li­che*r Mit­ar­bei­ter*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Rich­ter/in auf Pro­be (m/w/d)

Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt , Mag­de­burg

Re­fe­ren­da­re (m/w/d)

DLA Piper UK LLP , Köln

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Workshop zum Finanzaufsichtsrecht in der Praxis

02.11.2023, Frankfurt am Main

8. Deutscher Preisrechtstag

18.10.2023, Köln

Fachanwaltslehrgang Handels- und Gesellschaftsrecht im Fernstudium/online

09.10.2023

Digitale E-Akte / digitaler Postkorb

09.10.2023

Noerr Tax Dispute Day

27.10.2023, München

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH