Vor ihren Sitzungen dürfen Betriebsräte elf Stunden Ruhezeit einhalten, entschied das BAG. Ob die Beratungen des Gremiums jedoch Arbeitszeit sind, ließ das Gericht offen, sagt Stephan Vielmeier.
Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar macht. Die Zumutbarkeit habe sich an den Regeln der Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zu orientieren. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Urt. v. 18.01.2017, Az. 7 AZR 224/15). Ob Betriebsratstätigkeit aber echte Arbeitszeit ist, ließen die Richter offen.
Ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied, Anlagenbediener im Dreischichtbetrieb, war im Juli 2013 für eine Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr eingeteilt. Am Folgetag fand zwischen 13 und 15.30 Uhr eine Betriebsratssitzung statt, an der er als Betriebsratsmitglied in seiner Freizeit teilnahm.
Das Betriebsratsmitglied verließ deshalb bereits um 02.30 Uhr die Nachtschicht und verlangte vom Arbeitgeber, ihn gleichwohl für die Zeit zwischen 02.30 Uhr und 06.00 Uhr zu vergüten. Der Arbeitgeber müsse ihn dergestalt unter Fortzahlung des Entgelts von der beruflichen Tätigkeit befreien, dass er eine elfstündige Ruhezeit zwischen Nachtschicht und Betriebsratssitzung einhalten könne.
Arbeitsleistung unzumutbar
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hielt sie teilweise für begründet. Der Arbeitgeber sei zwar verpflichtet, ein Betriebsratsmitglied dergestalt unter Fortzahlung des Entgelts von der beruflichen Tätigkeit zu befreien, dass dieser sich zwischen einer Nachtschicht und der späteren Betriebsratssitzung erholen könne. Der Arbeitgeber müsse hierbei aber gerade nicht die elfstündige Ruhezeit nach § 5 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) beachten, weil die Erbringung von Betriebsratstätigkeit keine Arbeitszeit i.S.d. ArbZG sei.
Das BAG hat der Klage nun – wie bereits zuvor das LAG – im Grundsatz stattgegeben. Es könne dahinstehen, ob die Erbringung von Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit i.S.d. § 2 Abs. 1 ArbZG und der Arbeitgeber deshalb zur Gewährung einer Ruhezeit von elf Stunden verpflichtet sei.
Der Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Arbeitsentgelt folge in jedem Fall aus § 37 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Hiernach sind die Mitglieder des Betriebsrats auch dann von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar macht. Im Rahmen der Zumutbarkeit sei die Wertung des § 5 Abs. 1 ArbZG zu berücksichtigen, dass auch ein Betriebsratsmitglied zwischen zwei Arbeitsschichten Anspruch auf eine Ruhezeit von 11 Stunden habe.
Intensität der Betriebsratstätigkeit
Das BAG konnte vorerst die Frage offen gelassen, ob die Erbringung von Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit i.S.d. ArbZG ist. Im Übrigen bleiben die Richter dem methodischen Ansatz eines älteren Urteils zur damals gültigen Arbeitszeitordnung (AZO) treu, wonach der Betriebsrat Anspruch auf bezahlte Freistellung zum Schutz einer angemessenen Ruhezeit haben kann (Urt. v. 07.06.1989, Az: 7 AZR 500/88).
Mit umso größerer Spannung blicken viele Arbeitgeber und Betriebsräte nun auf den 21. März 2017. An diesem Tag wird das BAG über die Rechtsbeschwerde über einen ähnlichen Fall aus Niedersachsen entscheiden (Az. 7 ABR 17/15, Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachen, Beschl. v. 20.04.2015, Az. 12 TaBV 76/14). In diesem Beschlussverfahren wird das BAG wohl Farbe bekennen müssen.
In diesem Fall finden Betriebsratssitzungen immer zwischen 08.00 Uhr und 15.00 Uhr statt. Der Betriebsrat will feststellen lassen, dass der Arbeitgeber die Betriebsratsmitglieder im Anschluss an die Betriebsratssitzung nicht in der Spätschicht (11.00 Uhr bis 20.15 Uhr) einsetzen darf. Der Betriebsrat meint, ein solcher Einsatz in der Spätschicht verstoße gegen die tägliche Höchstarbeitszeit von acht, maximal zehn Stunden (§ 3 ArbZG).
Das LAG Niedersachsen hat den Antrag des Betriebsrats auf eine pauschale Feststellung abgelehnt; es möchte vielmehr in einer Einzelfallbetrachtung prüfen, ob bei einer Zusammenschau von Betriebsratstätigkeit und Arbeitsleistung eine Überlastung feststellbar sei. Hierbei, so das LAG, sei durchaus zu berücksichtigen, dass es "Zeiten der Betriebsratstätigkeit von geringerer Intensität oder von erheblichen Beratungspausen unterbrochen" gebe.
BAG zur Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21822 (abgerufen am: 03.10.2024 )
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