Zählt ein Privathaushalt mit 15 Bediensteten als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes? Eine Antwort des BAG darauf bleibt der Rechtswelt vorenthalten, nachdem die Parteien sich verglichen haben. Michael Fuhlrott skizziert das Verfahren.
Eigentlich hätte für kommenden Donnerstag eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einem bemerkenswerten Rechtsstreit angestanden, der sich in ähnlicher Form so bald nicht wiederholen dürfte (Az. 2 AZR 500/16). Gegenstand des Verfahrens war die Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin, die im Privathaushalt des Beklagten als Servicekraft tätig gewesen war. Sie machte geltend, dass ihre Kündigung einer sozialen Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bedurft hätte – was freilich nur dann zutrifft, wenn man das KSchG überhaupt für anwendbar hält. Um die Frage kreiste das Verfahren.
Die Vorinstanzen hatten sie verneint. Das KSchG sei nicht anwendbar, da eine Beschäftigung im Privathaushalt ein besonderes Vertrauensverhältnis verlange. Eine Kündigung sei daher grundlos möglich. Dies gelte selbst, wenn dort dauerhaft rund 15 Arbeitnehmer beschäftigt würden, da es auf die Anzahl der Arbeitnehmer nicht ankomme.
Hausdamen, Köche, Gärtner und Nannys
Dem Fall lag ein durchaus nicht alltäglicher Lebenssachverhalt zugrunde: Die klagende Arbeitnehmerin war rund 1,5 Jahre in Vollzeit als Servicekraft in einem Privathaushalt tätig. Allerdings war sie dort nicht die einzige Beschäftigte, sondern versah ihren Dienst neben rund 14 dauerhaft tätigen Kolleginnen und Kollegen zur Unterstützung des Hausherrn. Beschäftigt wurden nach den anschaulichen Darstellungen der Vorinstanz ein ganzer Mitarbeiterstab, insgesamt bestehend aus einer Hausdame, zwei Mitarbeiterinnen im Housekeeping, einer Mitarbeiterin für die Wäsche, einem Fahrer, einem Koch, drei Gärtnern, einer Nanny sowie insgesamt fünf Mitarbeiterinnen im Service.
Zu den Aufgaben der Klägerin gehörten die Bedienung der Familienmitglieder des Beklagten bei Mahlzeiten, das Backen von Kuchen, die Zubereitung von Mahlzeiten bei Abwesenheit des Kochs, die Durchführung von Bestellungen für die Küche, die Durchführung von Reinigungsarbeiten in der Arbeitsküche, dem Aufenthaltsraum der Mitarbeiter und anderen Räumen wie dem Wohnzimmer, der Bibliothek, dem Esszimmer mit Showküche, den Gästetoiletten, der Empfangshalle und den Treppen. Sie war weiter befasst mit dem Waschen von Handtüchern (Küchenhandtücher, Gästehandtücher, Frotteetücher) und der Bekleidung der Mitarbeiter sowie mit Bügeltätigkeiten. Örtlich war ihr Aufgabenbereich beschränkt auf die Räme des Erd- und Untergeschosses.
Anwendbarkeit des KSchG?
Als die Klägerin eine ordentliche Kündigung erhielt, wollte sie deren soziale Rechtfertigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG gerichtlich prüfen lassen. Die hierzu von ihr erhobene Kündigungsschutzklage wurde zunächst vom Arbeitsgericht (ArbG) Essen (Urteil v. 17.12.2015, 1 Ca 2808/15) und sodann in der Berufungsinstanz vom Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (Urteil v. 10.05.2016, 14 Sa 82/16) abgewiesen. Zwar sei bei der Klägerin mit ihren rund 1,5 Jahren Beschäftigungsdauer die notwendige sechsmonatige Wartezeit erfüllt, so dass das KSchG in persönlicher Hinsicht Anwendung finde.
Neben dem persönlichen Anwendungsbereich setze das KSchG aber gem. § 23 Abs. 1 KSchG voraus, dass der Arbeitnehmer in einem Betrieb eingesetzt werde, in dem dauerhaft mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt würden. Auch wenn diese Schwelle überschritten sei, sei der betriebliche Anwendungsbereich des KSchG nicht eröffnet, da als "Betrieb die organisatorische Einheit zu verstehen ist, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung des Eigenbedarfs erschöpfen".
Privathaushalt soll keine Waren oder Dienstleistungen hervorbringen
Privathaushalte seien aber nach dieser Definition nicht als Betrieb anzusehen. Zunächst zieht das Gericht hierzu den Wortlaut als Argument heran. Schon das Deutsche Wörterbuch (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Auflage 2006, Stichwort Betrieb), auf das sich die Vorinstanz zur Begründung stützte, weise den Betrieb als "Einheit von zusammenwirkenden Personen und Produktionsmitteln zum Vorbringen von Gütern und Leistungen" aus.
Ein Privathaushalt erschöpfe sich aber darin, die privaten Bedürfnisse seiner Mitglieder zu decken; Güter oder Dienstleistungen wolle er nicht hervorbringen. Auch systematische Erwägungen stützten dieses Ergebnis, da etwa im Einkommenssteuerrecht zwischen Betriebsausgaben und Entnahmen für den Haushalt als betriebsfremde Zwecke unterschieden werde.
2/2: Besonderes Nähe- und Vertrauensverhältnis im Haushalt
Auch grundgesetzliche Überlegungen führten zu keinem anderen Ergebnis. Die verfassungsrechtlich gem. Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der in Privathaushalten beschäftigten Arbeitnehmer sei nicht verletzt. Deren Interesse an Kündigungsschutz sei mit den Interessen des Arbeitgebers und Hausherrn abzuwägen. Letzteres überwiege hier. Ein Hausherr habe ein berechtigtes Interesse, dass es im Haushalt nicht "zu Unstimmigkeiten und Querelen" komme. Auch begegne ein solcher Arbeitgeber den Beschäftigten in seinem Haushalt regelmäßig persönlich, was ein besonderes Vertrauensverhältnis verlange.
Zu beachten sei auch, dass die Haushaltsangestellten vertiefte Einblicke in das Familienleben erhielten, so dass ein gerichtlich nicht überprüfbares Vertrauensverhältnis nicht gefordert werden könne. Auch spreche die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG für ein Überwiegen der Interessen des Hausherrn. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei einem Vergleich von "allgemeinen Servicekräften" und "Servicekräften in Privathaushalten" vermochten die Richter nicht zu erkennen, da die Situation der "Haushaltsarbeitnehmer" aufgrund der besonderen Interessenlage eine andere Behandlung rechtfertige.
Keine Zahlengrenze für den Privathaushalt
Auch die für einen gut betuchten „Durchschnittshaushalt“ doch eher hohe Anzahl der Beschäftigten stehe der Annahme eines kündigungsschutzfreien Privathaushalts nicht entgegen. In Ausnahmefällen könne zwar eine hohe Zahl von Beschäftigten im Haushalt gegen rein private Zwecke sprechen.
Nicht aber in diesem Fall: Hierzu stellte bereits die Vorinstanz auf den "Betreuungsschlüssel" zwischen Haushaltsangestellten (15 Arbeitnehmer) und Haushaltsmitgliedern (Hausherr, Ehefrau, 5 Kinder) ab. Dieses Verhältnis ist in den Augen der Düsseldorfer Landesarbeitsrichter noch in Ordnung und begründet "ohne das Hinzutreten weiterer Umstände" keinen Anlass, am Vorliegen eines Privathaushalts zu zweifeln.
Ab welcher Betreuungsrelation die Richter dies anders sehen, ist dem Urteil der Vorinstanz bedauerlicherweise nicht zu entnehmen, und auch das BAG wird zu dieser Frage nun nichts Erhellendes mehr beitragen können, nachdem die Parteien sich kurz vor der Verhandlung auf einen Vergleich nicht näher bezeichneten Inhalts geeinigt haben.
So bleibt auch dunkel, ob bei der Bestimmung der Maximalgröße einer privaten Bedienstetenschar regionale Unterschiede oder ein Nord-Süd oder Ost-West-Gefälle in Rechnung zu stellen wären. Auch eine analoge Heranziehung des landesgesetzlich festgelegten Betreuungsschlüssel für KiTas oder der Altenpflege bleibt als Lösungsansatz einstweilen ohne höchstrichterlichen Segen. Zur letztgültigen Klärung dieser Fragen wird man also ein weiteres Verfahren vergleichbaren Inhalts abwarten müssen. Das könnte allerdings ein wenig dauern.
Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht und Studiendekan Wirtschaftsrecht an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Römermann Rechtsanwälte AG in Hamburg.
Michael Fuhlrott, Kündigungsschutz für Servicekraft: Privathaushalt mit 15 Arbeitnehmern . In: Legal Tribune Online, 24.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22209/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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