BAG zur Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei Schwellenwerten nach MitbestG: "Und sie zählen doch…"

von Dr. Alexander Bissels

10.11.2015

2/2: Geht das BAG noch weiter?

An sich stellt die Übertragung dieser Rechtsprechungsgrundsätze vom BetrVG auf das MitbestG keine Überraschung dar. Denn das MitbestG knüpft an den im BetrVG definierten Arbeitnehmerbegriff an; insoweit war ein Gleichlauf zu erwarten. Spannend wird aber, ob das BAG noch einen Schritt weiter gehen wird und Zeitarbeitnehmer bei den Schwellenwerten berücksichtigt, die entscheidend dafür sind, ob überhaupt ein drittelmitbestimmter oder paritätisch mit Arbeitnehmern besetzter Aufsichtsrat zu bilden ist (mehr als 500 Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG; mehr als 2.000 Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG). Das "Mitzählen" von Zeitarbeitnehmern könnte sodann zur Folge haben, dass bei einem Unternehmen überhaupt erst ein mit Arbeitnehmervertretern besetzter Aufsichtsrat zu bilden wäre. Dies hätte – anders als die Entscheidung über ein Wahlverfahren – für die Organisation und Steuerung einer Gesellschaft tiefgreifende Auswirkungen.

Die herrschende Ansicht in der Rechtsprechung lehnt dies – selbst unter Anwendung der geänderten Judikatur des BAG – zu Recht weiterhin ab (vgl. OLG Hamburg Beschl. v. 31.01.2014, Az. 11 W 89/13). Ziel des MitbestG sei es, die Fremdbestimmung von Arbeitnehmern durch ihre Beteiligung an unternehmerischen Entscheidungen zu mildern und die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen, hatten die OLG-Richter geurteilt. Zeitarbeitnehmer könnten allerdings in den Betrieb des Personaldienstleisters zurückkehren; eine betriebsbedingte Kündigung des Verleiherbetriebes sei allein aufgrund des Wegfalls des Beschäftigungsbedürfnisses beim Kundenunternehmen ausgeschlossen. Daher seien Zeitarbeitnehmer von unternehmerischen Entscheidungen anders betroffen als die Stammbeschäftigten – ihre Berücksichtigung bei den mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten für die Besetzung von Aufsichtsräten mit Arbeitnehmervertretern sei daher nicht erforderlich.

Ob dies auch Erfurt überzeugt, bleibt abzuwarten. In der zur Entscheidung vom 4. November veröffentlichten Pressemitteilung des BAG heißt es ausdrücklich dazu, dass der Senat nicht darüber zu befinden hatte, ob Zeitarbeitnehmer auch bei anderen Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung in die Berechnung einbezogen werden müssen. Das BAG hält sich letztlich alle Möglichkeiten offen. Interessant ist aber, dass sich der 7. Senat befleißigt gesehen hat, in einer Pressemitteilung einen Hinweis darauf zu geben, was das Gericht gerade nicht entschieden hat. Im Zweifel ist dies ein Indiz dafür, dass die hiesige Entscheidung aus Erfurt zumindest als Indikator hätte angesehen werden können, wie es um die Beantwortung der Frage zu den "Eintrittsschwellenwerten" zur Anwendung von Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbG) bzw. MitbestG bestellt ist – aufgrund der (vorbeugend) klarstellenden Aussage des BAG aber mit nicht vorhersehbarem Ausgang.

Dr. Alexander Bissels ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Er berät Unternehmen auf sämtlichen Gebieten des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere zu Fragen im Bereich des Fremdpersonaleinsatzes (Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag). Alexander Bissels ist u.a. Autor Mitherausgeber eines Kommentars zum AÜG. Darüber hinaus hält er regelmäßig Vorträge zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen, insbesondere mit Bezug zur Arbeitnehmerüberlassung.

Zitiervorschlag

Dr. Alexander Bissels, BAG zur Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei Schwellenwerten nach MitbestG: "Und sie zählen doch…" . In: Legal Tribune Online, 10.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17491/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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