Druckversion
Wednesday, 10.08.2022, 10:06 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/bag-beschluss-1-abr-31-12-streik-aufruf-arbeitnehmer-intranet/
Fenster schließen
Artikel drucken
9812

Betreff: Streik: Von: Vorname.Name@arbeitgeber.de

von Prof. Dr. Michael Fuhlrott

16.10.2013

Streiktaste

© IckeT - Fotolia.com

Im Krieg und in der Liebe ist jedes Mittel recht – nicht dagegen im Arbeitskampf. Arbeitnehmer dürfen weder das Intranet noch ihr dienstliches E-Mail-Konto zum Streikaufruf nutzen. Das gewährt ihnen auch die Koalitionsfreiheit nicht, entschied das BAG am Dienstag. Mit einer fristlosen Kündigung müssen Mitarbeiter nicht rechnen, mit einer Abmahnung allerdings schon, meint Michael Fuhlrott.

Anzeige

Um Kollegen erfolgreich für einen Streik zu mobilisieren, muss der Aufruf möglichst schnell und umfassend weitergeleitet werden. Das betriebliche Intranet, dienstliche Email-Adressen und interne Mailing-Listen sind dafür weitaus effektiver als Aushänge am Schwarzen Brett.

Diese Büroinfrastruktur steht aber im Eigentum des Arbeitgebers, über deren Nutzung dieser frei entscheiden darf. Daran ändert auch die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit nichts. Sie verpflichtet den Arbeitgeber nicht dazu, die Nutzung von Betriebsmitteln für den Arbeitskampf zu dulden, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Beschluss vom 15.10.2013 (Az. 1 ABR 31/12).

Damit grenzt sich das BAG von seiner bisherigen arbeitnehmerfreundlicheren Rechtsprechung aus ab, mit der die Versendung von Gewerkschaftswerbung an betriebliche E-Mailadressen für zulässig angesehen und ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers abgelehnt wurde (Urt. v. 20.01.2009, Az. 1 AZR 515/08).

Signatur ausschlaggebend

Hält sich ein Mitarbeiter nicht daran, hat der Arbeitgeber einen Unterlassungsanspruch, den die Erfurter Richter – anders als die Vorinstanzen – auf § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stützen: Danach kann der Eigentümer vom Störer verlangen, eine Eigentumsbeeinträchtigung zu beenden und in Zukunft zu unterlassen.

Einen unmittelbaren Unterlassungsanspruch aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) lehnt das BAG ab. Das zuvor mit der Sache befasste Landesarbeitsgericht (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 31.01.2012, Az. 7 TaBV 1733/11) hatte seine Begründung hingegen maßgeblich auf das Gebot parteipolitischer Neutralität gemäß § 74 Abs. 2 BetrVG gestützt, da der zum Streik per E-Mail aufrufende Arbeitnehmer zugleich Betriebsratsvorsitzender war.

Diese Argumentation überzeugte das BAG nicht: Der Betriebsratsvorsitzende hatte nämlich den gewerkschaftlichen Streikaufruf über sein personalisiertes E-Mail-Konto (Vorname.Name@arbeitgeber.de) an die Belegschaft verschickt. Die E-Mail hatte er mit eigenem Namen und "für die ver.di-Betriebsgruppe" signiert, ohne auf seine Betriebsratsfunktion zu verweisen oder diese in der Signatur anzugeben.

Der Betriebsratsvorsitzende handelte also als regulärer Arbeitnehmer und nicht als betrieblicher Funktionsträger, so dass die E-Mail keine unzulässige parteipolitische oder arbeitskampffördernde Betätigung des Betriebsrats im Sinne von § 74 Abs. 2 BetrVG sein konnte. Hätte der Mann die E-Mail dagegen mit "Der Betriebsratsvorsitzende" unterzeichnet, hätte auch das BAG einen betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch annehmen und damit auch einen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat als Gremium anerkennen müssen.

Keine fristlose Kündigung, aber Abmahnung

Eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums des Arbeitgebers begründet aber nicht nur einen Unterlassungsanspruch, sondern ist zudem eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die der Arbeitgeber sanktionieren darf.

Zwar ist die Zweckentfremdung des Intranets für Streikaufrufe mangels unmittelbaren Schadens nicht ohne weiteres mit einem Diebstahl vergleichbar, so dass eine sofortige außerordentlich fristlose Kündigung nicht möglich ist. Mit einer Abmahnung muss der Arbeitnehmer allerdings durchaus rechnen.

Schwieriger ist die Situation, wenn Arbeitnehmern gestattet ist, ihr E-Mail-Konto auch privat zu nutzen. Es spricht viel dafür, diese Konstellation im Ergebnis gleich zu behandeln: Man wird einen bei Nutzungsüberlassung immanenten Vorbehalt annehmen können, das auch zur unentgeltlichen Eigennutzung überlassene Betriebsmittel nicht zur Schädigung des Arbeitgebers einzusetzen.

Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht, insbesondere Arbeitsrecht der Fachhochschule Bielefeld sowie Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht der Hochschule Fresenius in Hamburg.

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Michael Fuhlrott, Betreff: Streik: Von: Vorname.Name@arbeitgeber.de . In: Legal Tribune Online, 16.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9812/ (abgerufen am: 10.08.2022 )

Infos zum Zitiervorschlag
Das könnte Sie auch interessieren:
  • Erstes Jubiläum des UrhDaG - Die Gewinner und Ver­lierer der Urhe­ber­rechts­re­form
  • Der Digital Services Act und die Grundrechte - Zeit für ein "Lüth"-Urteil des EuGH?
  • ArbG Braunschweig bestätigt erfolgreiche Anfechtung - Betriebs­rats­wahl bei VW ist unwirksam
  • LG Hamburg zum Äußerungsrecht - Thomas Spitzer durfte Luke Mockridge "scheiße" nennen
  • BGH verhandelt zur Haftung von Host-Providern - Wie hoch soll die Hürde für Netz­sperren sein?
  • Rechtsgebiete
    • Arbeitsrecht
  • Themen
    • Betriebsrat
    • Internet
    • Streik
  • Gerichte
    • Bundesarbeitsgericht (BAG)
TopJOBS
As­sis­tenz (w/m/d)

ADVANT Beiten , Frank­furt am Main

Ju­ris­tin/Ju­rist (m/w/d) für die Stabs­s­tel­le Hoch­schul­me­di­zin

Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg , Pots­dam

Le­gal Con­tract Re­view Spe­cia­list (w/m/d)

SThree , Frank­furt am Main

Voll­ju­rist (m/w/d) als Lek­tor/Pro­dukt­ma­na­ger

C.F. Müller GmbH , Hei­del­berg

Ju­rist als Di­gi­tal Con­tent Ma­na­ger (m/w/d) für ju­ris­ti­sche...

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Voll­ju­rist (m/w/d) mit Schwer­punkt Ar­beits- und So­zial­recht

Landesbauernverband in Baden-Württemberg e. V. , Stutt­gart

Voll­ju­rist / Syn­di­kus­an­walt (d/m/w)

DZV.NRW - Digitalpublisher und Zeitungsverleger Verband NRW e.V. , Düs­sel­dorf

Re­fe­ren­da­re und wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d) für den Be­reich...

Bird & Bird LLP , Mün­chen

Rechts­an­walt (w/m/d) und / oder Steu­er­be­ra­ter (w/m/d) für den Be­reich...

ADVANT Beiten , Ber­lin

Se­k­re­tär/Se­k­re­tärin (m/w/d)

Becker Büttner Held , Stutt­gart

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Sommerseminar im Familienrecht – Komplettbuchung (15 Std. FAO in 2 Modulen)

19.08.2022, Köln

Die digitale Kanzlei: Insights für die anwaltliche Praxis

18.08.2022, Berlin

DAIvent: Erbrecht

18.08.2022, Dresden

FAO WEG Recht Dr. Olaf Riecke "Neues zum WEG"

19.08.2022, Kiel

Fortbildung Erbrecht im Selbststudium/ online

20.08.2022

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH