Äußerungsrechte im Arbeitsverhältnis: Die Mob­bing-Hölle

von Dr. Philipp Wiesenecker

24.10.2016

2/2: Äußerungen gegenüber Dritten

In der Praxis weit häufiger anzutreffen sind Äußerungen von Mitarbeitern, die sie im Rahmen ihrer eigentlichen Tätigkeit treffen und die Anlass zu Beanstandung geben. Das kommt gerade bei den "redenden Berufen" häufig vor – ob Telefonist, Verkäufer oder Anwalt, wenn der Mitarbeiter sich zwar nicht abfällig über den Arbeitgeber, sondern bei Erfüllung seiner Arbeitsaufgabe in einer Art und Weise gegenüber dem Kunden äußert, die der Arbeitgeber nicht gutheißt.

Zu unterscheiden sind hier zwei Konstellationen: Verstößt der Mitarbeiter gegenüber dem Kunden grob gegen die Regeln des Anstands, kann das auch ohne vorherige Abmahnung zur fristlosen Kündigung reichen. Der Arbeitgeber muss nicht hinnehmen, dass seine Kunden grundlos beschimpft werden, eine Formulierung etwa war: "Nun werden Sie mal nicht so pissig" (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5.10.1998, Az. 5 Sa 309/98).

Schwieriger zu greifen sind Äußerungen, die nicht beleidigend, aber dennoch nicht regelkonform und nicht sachgerecht sind. Ein Beispiel bildet der Rechtsanwalt, der sich im Gespräch mit dem Mandanten um die Lösung des offenkundigen Rechtsproblems windet, oder der sich umgekehrt zu einem zu frühen Rechtsrat hinreißen lässt, wo das Ergebnis mangels belastbarer Recherche noch gar nicht feststehen kann. Derartige Fälle der Schlechtleistung werden nur schwer justiziabel sein, solange sie nicht mit klaren Anweisungen und konsequenten Abmahnungen durchgesetzt werden – woran es in der Praxis meistens fehlt.

Bei entsprechend konsequenten Vorgaben und Abmahnungen aber kann ein Verstoß gegen angewiesene Regeln zur Kommunikation - bei denen der Betriebsrat nicht mitzubestimmen hat, da sie das Arbeitsverhalten betreffen - sehr wohl zur Kündigung reichen, wie ein Fall des LAG Hamm (Urt. v. 20.04.2011, Az. 4 Sa 2230/10) zeigt: Dort hatte die religiös überzeugte Verkäuferin sich partout nicht an Vorgaben zum weltanschaulich neutralen Kundengespräch gehalten und immer wieder gesagt: "Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf und einen schönen Tag". Die schließlich ausgesprochene Kündigung war sozial gerechtfertigt.

Nicht-Compliant reicht nicht für Kündigung

Der Arbeitgeber wird derartigen unerwünschten Äußerungen und Verhaltensweisen im Betrieb sowie unangemessenem Kommunikationsverhalten mit Kunden und Mandanten jedoch lieber vorbeugen. In Bezug auf kommunikative Fehlgriffe wird dies in der Praxis meist durch Compliance-Richtlinien umgesetzt.

Sobald eine innerbetriebliche Äußerung insbesondere einen diskriminierenden oder anzüglichen Kontext hat, werden schnell Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung eingeleitet. Oft basiert dies auf unzureichender arbeitsrechtlicher Wertung des Einzelfalls, der keineswegs nur deshalb einen nicht hinnehmbaren Verstoß darstellt, weil er nicht "compliant" ist, sondern für den gleichwohl das kündigungsrechtliche Prognoseprinzip gilt. So wird die einmalige unangemessene Äußerung mit anzüglichem Kontext regelmäßig noch nicht zur Kündigung genügen, insbesondere nicht ohne vorherige Abmahnung. Die externe Kommunikation ist ähnlich schwer zu regeln und wird nur bei klaren Beleidigungen zu Konsequenzen führen.

Wertschätzendes Miteinander vorgeben

Klug sind daher vertragliche Konkretisierungen in den Fällen, in denen Kommunikation und Verhalten zum Kern der Tätigkeit gehören. Sollen kommunikative Regeln vorgegeben werden, sind diese klar zu dokumentieren. Wenn sonst nichts mehr hilft, ist die – im Zweifel auch vorweggenommene -Abmahnung angezeigt. Leidet bereits der Betriebsfrieden, können sich Arbeitgeber zudem auf ihr Fragerecht und die korrespondierende Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer und Kollegen berufen: Der Arbeitgeber kann sich über Inhalte von Gesprächen und Reaktionen des Kunden oder Mandanten berichten lassen und hat ein Recht auf wahrheitsgemäße Auskunft.

Wenn und soweit allgemeine Compliance-Grundsätze in Bezug auf Äußerung und Verhalten im Sinne eines "wertschätzenden Miteinanders" vorgegeben werden sollen, ist stets auch auf klare und rechtlich verbindliche Handlungsanweisungen zu achten. Möglich sind Formulierungen wie: "Wir äußern uns nie ungefragt in Bezug auf die Person betreffende körperliche Leiden, sexuelle Sachverhalte oder religiöse Eigenarten", die auch rechtlich verbindlich zu implementieren sind. Hieran fehlt es in den meisten Fällen.

Praktisch funktioniert es deshalb immer noch am besten, auf kommunikative Fehltritte mit Maß und Ziel zu reagieren. Im Zweifel hilft es mehr, dem Mitarbeiter zu erklären, wie und warum er anders kommunizieren sollte – und dies dann aber auch zu kontrollieren und - bis hin zur Abmahnung -durchzusetzen. Das gebietet die Bedeutung der Kommunikation für Ruf und Wert des Unternehmens, gerade in Zeiten der sozialen Medien.

Der Autor Dr. Philipp Wiesenecker ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht im Frankfurter Büro der Kanzlei Kliemt & Vollstädt, einer der führenden auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzleien in Deutschland.

Zitiervorschlag

Dr. Philipp Wiesenecker, Äußerungsrechte im Arbeitsverhältnis: Die Mobbing-Hölle . In: Legal Tribune Online, 24.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20957/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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