Wer Urlaubstage in Quarantäne verbringen musste, bekommt diese Tage nicht gutgeschrieben. Das hat das BAG in Fortsetzung der Rechtsprechung des EuGH entschieden. Auch am BAG kommt die Pandemie damit langsam zu einem Ende.
Ein bisschen ärgerlich war das für Arbeitnehmende schon: Da freut man sich selbst im Pandemie-Jahr 2020 auf den Urlaub und dann kam die Ansage einer Behörde, dass man in Quarantäne müsse. Ein Verlassen der eigenen vier Wände war damit untersagt. An den genommenen Urlaubstagen ändert das jedoch nichts: Es liegt in der Risikosphäre der Beschäftigten, wenn bestimmte Ereignisse den Urlaub störten. Arbeitgeber schulden die Freistellung von der Arbeit bei voller Entlohnung, aber keinen darüberhinausgehenden Urlaubserfolg, entschied nun auch das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 28.05.2024, Az. 9 AZR 76/22) im Falle eines Schlossers.
Das BAG folgte mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der hat einen ähnlichen Fall bereits auf eine Vorlage vom Arbeitsgericht (ArbG) Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz entschieden (EuGH, Urt. v. 14.12.2023, Az. C-206/22 Sparkasse Südpfalz). Es ging um die Rechtsfrage, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass der Urlaub als verbraucht gilt, wenn der Arbeitnehmer während eines genehmigten Urlaubs von einem unvorhersehbaren Ereignis (Quarantäne) betroffen ist.
Der EuGH legte dar, dass es dem Arbeitnehmer mit dem bezahlten Jahresurlaub ermöglicht werden solle, sich von der Arbeit zu erholen und einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu haben. Anders als eine Krankheit stehe ein Quarantänezeitraum als solcher der Verwirklichung dieser Zwecke nicht entgegen. Etwaige Nachteile durch so ein unvorhergesehenes Ereignis seien daher nicht vom Arbeitgeber auszugleichen.
BAG zieht eigene Vorlage zurück
Der neunte Senat des BAG hatte fast zeitgleich mit dem ArbG Ludwigshafen auch den aktuellen Fall des Schlossers selbst nach Luxemburg vorgelegt (Beschl. v. 16.08.2022, Az. 9 AZR 76/22 (A)), weil der Urlaub in den Quarantänefällen nach deutschem Recht nicht nachzugewähren ist. Das Gericht wollte wissen, ob diese Regelung mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht. Nach dem EuGH-Urteil, das diese Frage bereits beantwortet hat, hat der Senat den Vorlagebeschluss aufgehoben.
Entscheiden mussten die Erfurter Richter:innen ihren Fall nun noch. Der Schlosser ist seit inzwischen über 20 Jahren bei derselben Arbeitgeberin beschäftigt ist. Acht Tage Urlaub hatte er im Oktober 2020 genommen und dann für den gesamten Zeitraum und drei weitere Tage die behördliche Absonderungsanordnung bekommen. Der Mann durfte damals seine Wohnung nicht verlassen und keinen Besuch bekommen. Die Arbeitgeberin betrachtete die Tage dennoch als erledigten Urlaub.
Auch dieser Kläger argumentierte, es sei ein krankheitsähnlicher Zustand, die Arbeitgeberin müsse ihm daher entsprechend § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), dem zufolge ärztlich attestierte Krankheitszeiten während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen, nachgewähren.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat ihr stattgegeben (LAG Hamm, Urt. v. 27.01.2022, Az. 5 Sa 1030/21).
Nach dem Urteil des EuGH konnte das BAG die Klage nur noch abweisen.
Auch am BAG ist die Pandemie bald zu Ende
Oft wird sich das BAG wohl nicht mehr mit Fragen zur Corona-Pandemie beschäftigen. "Die Corona-Pandemie hat auch zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen aufgeworfen", sagt Oliver Klose, BAG-Richter und Pressesprecher auf Anfrage von LTO. Das BAG habe in den vergangenen Monaten wichtige Urteile zu diesem Themenkomplex aus den Bereichen Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung, Kurzarbeit und Urlaub gefällt.
Die bis zum BAG gelangten Verfahren, die einen inhaltlichen Bezug zur Corona-Pandemie hatten, seien damit weitgehend abgearbeitet.
BAG bestätigt EuGH-Rechtsprechung: . In: Legal Tribune Online, 28.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54643 (abgerufen am: 02.12.2024 )
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