Viele Arbeitsverträge enthalten Ausschlussfristen. Macht der Arbeitnehmer seine Ansprüche nicht pünktlich geltend, verfallen sie. Ob die meisten dieser Klauseln unwirksam sind, dazu gibt das BAG bestenfalls Tipps, zeigt Michael Fuhlrott.
Die regelmäßige Verjährungsfrist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beträgt drei Jahre, §§ 195, 199 BGB. Wird ein Anspruch erst später geltend gemacht, kann sich der zur Leistung verpflichtete Schuldner auf die Einrede der Verjährung berufen – er muss nicht mehr leisten.
Drei Jahre können eine lange Zeit sein, insbesondere wenn die Parteien in einer laufenden Vertragsbeziehung zueinander stehen, in der sich eine Menge an Ansprüchen ansammeln kann. Insbesondere für den Arbeitgeber sind daher Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen hilfreich, welche die Geltendmachung der Ansprüche auf einen kürzeren Zeitraum limitieren.
Sie sorgen einerseits schnell für Rechtssicherheit, können andererseits aber dazu führen, dass ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Überstundenausgleich, ein nicht gezahltes Weihnachtsgeld oder einen zu gering bemessenen Bonus nicht mehr geltend machen kann. Mit zwei Urteilen vom Mittwoch hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 20.06.2018, Az. 5 AZR 262/17; 5 AZR 377/17) sich mit den Anforderungen an die Wirksamkeit derartiger Ausschlussfristen befasst. Die rechtlichen Unsicherheiten haben die Erfurter Richter aber damit keineswegs beseitigt.
Anforderungen an Ausschlussfristen
Vertragliche Ausschlussfristen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Typischerweise ist es nämlich der Arbeitgeber, der von ihnen profitiert, da es in den meisten Fällen der Arbeitnehmer ist, der gegen den Arbeitgeber Zahlungsansprüche geltend machen kann, die durch eine Ausschlussfristenregelung abgeschnitten werden könnten.
Ausschlussfristenregelungen in Arbeitsvertragen sind regelmäßig als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu qualifizieren. Sie unterliegen daher der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB: Die Klausel muss transparent und verständlich sein und darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (s. etwa BAG, Urt. v. 27.01.2016, Az. 5 AZR 277/14; Urt. v. 17.10.2017, A. 9 AZR 80/17) müssen derartige Klauseln daher bestimmte Vorgaben einhalten: Zunächst darf die Klausel nicht im Arbeitsvertrag versteckt sein. Sie muss so formuliert sein, dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer sie verstehen kann (Transparenzgebot). In inhaltlicher Hinsicht muss die Klausel sowohl für Ansprüche des Arbeitnehmers als auch für solche des Arbeitgebers gelten, eine einseitige Regelung nur für eine Arbeitsvertragspartei ist unzulässig.
Sodann darf die Ausschlussfristenregelung nicht weniger als drei Monate betragen, damit eine ausreichende Gelegenheit besteht, die fälligen Ansprüche geltend zu machen. Zulässig ist es überdies, in der Klausel eine Zweistufigkeit vorzusehen: Hiernach muss der Anspruch nicht nur binnen einer bestimmten Frist gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden (Stufe 1), sondern – wenn die andere Seite den Anspruch nicht erfüllt und ablehnt – binnen einer weiteren Frist gerichtlich eingeklagt werden (Stufe 2). Für Ausschlussfristregelungen in Tarifverträgen ist der Gestaltungspielraum hingegen größer, da diese nicht der Angemessenheitskontrolle nach dem AGB-Recht unterfallen.
Textform, aber nicht Schriftform
Seit einer Neuerung im Herbst 2016 (Einfügung von § 309 Nr. 13b BGB) ist es zudem für in Arbeitsverträgen geregelte Ausschlussfristen nicht mehr erlaubt, für die Geltendmachung von Ansprüchen die strenge Schriftform verlangen. Eine Email genügt.
Wirksam ist eine Ausschlussfristenregelung in Neuverträgen damit nur noch dann, wenn keine strengere Form als die Textform vorgesehen ist. In vielen neuen Verträgen ist diese Änderung der Gesetzeslage nicht nachvollzogen worden, so dass sich dann die gesamte Ausschlussfristenregelung als unwirksam erweist.
Altverträge, die vor Inkrafttreten der Einfügung dieser Änderung in das BGB abgeschlossen worden sind, dürften dagegen an der Schriftform festhalten. Für tarifvertragliche Regelungen oder deren Inbezugnahme qua Arbeitsvertrag gilt dies indes wiederum nicht – hier kann eine strenge Form wie die Schriftform weiterhin generell verlangt werden.
Und wenn der Mindestlohn nicht drin steht?
Umstritten ist seit langem, ob eine Ausschlussfristenregelung auch dann unwirksam ist, wenn sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt. Diese sind nämlich nach § 3 Mindestlohngesetz (MiLoG) unverzichtbar, die Parteien können darüber nicht verfügen.
Diese Frage stellte sich seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes im August 2014 und wurde von den Landesarbeitsgerichten kontrovers diskutiert. Während das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg (Urt. v. 20.2.2018, Az. 4 Sa 69/17) arbeitsvertragliche Klauseln ohne Herausnahme des Mindestlohnes für generell unwirksam hält, erachtet das LAG Nürnberg (Urt. v. 9.5.2017, Az. 7 Sa 560/16) entsprechende Klauseln weiterhin im Grundsatz für möglich.
Galant umschifft
Die beiden Entscheidungen des BAG vom Mittwoch waren mit Spannung erwartet worden. Aber sie bringen für die Praxis leider nicht die erhoffte Klärung: Geklagt hatten zwei Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber ihnen Ansprüche unter Verweis auf die Ausschlussfristenregelung versagten. Beide Klauseln nahmen den Mindestlohnanspruch nicht ausdrücklich aus. Während sich in einem Fall die Ausschlussfristen in einem in Bezug genommenen Tarifvertrag befanden, war im anderen die Regelung des Anspruchsverfalls unmittelbar im Arbeitsvertrag fixiert.
Über die Wirksamkeit der vertraglichen Ausschlussfristenregelung musste das BAG allerdings nicht entscheiden. Die Parteien hatten nämlich über die vom Arbeitnehmer geltend gemachte Urlaubsabgeltung außergerichtlich verhandelt. Dies reiche, so das BAG, um die Hemmung der Ausschlussfrist anzunehmen.
Mit dieser Argumentation konnten Deutschlands höchste Arbeitsrichter offenlassen, ob die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist ohne Herausnahme des Mindestlohnanspruchs wirksam ist, da es auf diese Klausel gar nicht mehr ankam. Diese für die Vertragspraxis wichtige Frage bleibt damit – jedenfalls soweit das aus der Presseerklärung ersichtlich ist – offen. Womöglich wird sich in den Urteilsgründen eine weitergehende Andeutung finden.
Hinsichtlich der tarifvertraglichen Ausschlussfrist bezog das BAG wie folgt Stellung: Eine tarifliche Ausschlussfrist, die auch den gesetzlichen Mindestlohn einschließe, sei nur insoweit unwirksam, wie sie Mindestlohnansprüche umfasse.
Der hier klagende Arbeitnehmer war im September und Oktober 2015 arbeitsunfähig erkrankt und machte von seinem Arbeitgeber im Januar 2016 Entgeltfortzahlung geltend. Zu spät, meinte der Arbeitgeber unter Berufung auf die tarifvertragliche Ausschlussklausel, die sogar nur eine Geltendmachungsfrist von zwei Monaten vorsah. Das BAG sprach dem Arbeitnehmer eine Entgeltfortzahlung in Höhe des Mindestlohns zu. Regelungen, die die zu verspätete Geltendmachung auch dieses Gehaltsteils versagten, seien gem. § 3 MiLoG unwirksam. Darüberhinausgehende Gehaltsteile und sonstige Ansprüche unterlägen hingegen der Ausschlussfrist und könnten verfallen. Die Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Ausschlussfristenregelung gelte nur soweit, wie sie den gesetzlichen Mindestlohn umfasst.
Weiter Unsicherheit für die Vertragspraxis
So bleibt weiterhin unklar, ob die mittlerweile im Großteil aller Arbeitsverträge anzutreffenden Ausschlussfristenregelungen den Mindestlohnanspruch ausdrücklich ausnehmen müssen, um wirksam zu sein. Diese Entscheidung hat das BAG durch das Berufen auf die Hemmung qua Vergleichsverhandlungen galant umschifft.
Auch die Entscheidung zur tarifvertraglichen Regelung, bei der der 5. Senat per eine geltungserhaltender Reduktion der Klausel nur die Mindestlohnansprüche von der Ausschlussfrist ausnimmt, trifft hierzu keine Aussage und lässt sich insoweit nicht heranziehen. Tarifvertragliche Regelungen, die nicht der AGB-Kontrolle unterliegen, werden anders behandelt als arbeitsvertragliche Klauseln behandelt. Nur das AGB-Recht kennt das Verbot geltungserhaltender Reduktion, wonach ein Verstoß gegen rechtliche Vorgaben die Unwirksamkeit der gesamten Klausel nach sich zieht. Dieser Grundsatz gilt für tarifvertragliche Klauseln nicht, so dass sich hier die Frage der Gesamtunwirksamkeit der Klausel nicht stellt. Eine tarifvertragliche Klausel darf daher weiterhin angewendet werden, lediglich die unverzichtbaren Ansprüche auf Mindestlohn sind im Wege der Auslegung hiervon auszunehmen.
Arbeitgeber sollten daher bis auf weiteres in ihren Ausschlussfristenregelungen eine ausdrückliche Ausnahme für unverzichtbare Ansprüche wie die auf den gesetzlichen Mindestlohn aufnehmen, um einer Unwirksamkeit der gesamten Klausel zu entgehen. Arbeitnehmer sollten weiterhin vorsorglich etwaige nicht erfüllte Ansprüche fristwahrend geltend machen. Rechtssicherheit sieht anders aus.
Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht und Studiendekan Wirtschaftsrecht an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Kanzlei FHM – Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Hamburg.
Michael Fuhlrott, BAG zu Ausschlussfristen ohne Mindestlohnregelung: . In: Legal Tribune Online, 20.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29279 (abgerufen am: 15.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag