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Beschäftigung nach Kündigung: Kein Arbeits­ver­trag, keine Ent­gelt­fort­zah­lung

Gastbeitrag von Radoslaw Kleczar

09.09.2020

Krankenschein mit Medikamenten, Gesundheitskarte, Stift und Geld

(c) stock.adobe.com - maho

Wer einen Gekündigten nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung weiter beschäftigt, will keinen neuen Arbeitsvertrag. Dessen Bestehen richtet sich allein nach deutschen Begriffen, nicht nach europäischen, erklärt Radoslaw Kleczar. 

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Ohne Arbeit kein Lohn – es sei denn, der Arbeitnehmer ist krank oder ein Feiertag oder Urlaub vorliegen. Aber was passiert bei einer Erkrankung bei einer Weiterbeschäftigung während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses? In diesem Fall hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – zumindest, wenn sich die Kündigung im Ergebnis als wirksam erweist, urteilte das Bundesarbeitsgericht, wie jetzt bekannt wurde (BAG, Urt. v. 27.05.2020, Az. 5 AZR 247/19). 

Der Kläger war seit November 2010 als Schlosser beschäftigt und erhielt am 31. August 2015 zum 30. September 2015 die Kündigung. Auf die Kündigungsschutzklage stellte das Arbeitsgericht Iserlohn die Unwirksamkeit der Kündigung fest (Urt. v. 15.08.2017) und verurteilte das Unternehmen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigung zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. 

Der Schlosser verlangte zwei Tage nach der Urteilsverkündung unter Androhung von Vollstreckungsmaßnahmen die Weiterbeschäftigung, am 31. August 2017 nahm der Kläger seine Arbeit tatsächlich kurzzeitig auf, erkrankte allerdings bereits nach 1 1/4 Stunden und war in den darauffolgenden zehn Tagen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auch im Zeitraum vom 27. September 2017 bis zum 30. Oktober 2017 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden vergütete die Beklagte. Sie verweigerte aber die Entgeltfortzahlung für diejenigen Tage, die der Kläger aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet hatte. Auch die Entgeltfortzahlung für gesetzliche Feiertage leistete die Beklagte nicht. 

Auf die Berufung des Unternehmens schlossen die Parteien einen Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht und einigten sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund fristgemäßer arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen zum 30. September 2015. 

Dieser Vergleich beendete allerdings nicht den Streit der Parteien über die von der Beklagten verweigerte Entgeltfortzahlung. Der Kläger meinte nämlich, die Beklagte sei verpflichtet, für die Tage seiner Arbeitsunfähigkeit und für die gesetzlichen Feiertage, die in der Zeit seiner Prozessbeschäftigung angefallen waren, Entgeltfortzahlung zu leisten - und klagte erneut.   

Kein Vertrag, keine Lohnersatzleistung 

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat sie abgewiesen. Das BAG hat diese Entscheidung nun bestätigt und entschieden, dass der Kläger weder einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) noch auf Lohn an den angefallenen Feiertagen gemäß § 2 EFZG hat. 

Denn aus Sicht des BAG war der Kläger in dem streitigen Zeitraum kein Arbeitnehmer im Sinne des EFZG, weil nach dem 30. September kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden habe. Entscheidend sei dafür der Arbeitnehmerbegriff im Sinne des § 611a Bürgerliches Gesetzbuch: Ein Arbeitnehmer ist, wenn sich dessen Verpflichtung zur Arbeitsleistung aus einem Vertrag ergibt. Die wenigen Ausnahmen von diesem Grundsatz, in denen ein Arbeitsverhältnis durch Gesetz begründet werde, wie beispielsweise beim Zivildienst oder nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, lagen nicht vor.  

Einen Arbeitsvertrag gab es aber rückblickend nicht: Genau den hatte der Arbeitgeber wirksam zum 30. September gekündigt, wie der Prozess ergab und auch einen neuen Vertrag hatten die Parteien nicht begründet. Zwar könnten die Parteien auch während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses vereinbaren, dass ein Arbeitsverhältnis auflösend bedingt oder befristet bis zur rechtskräftigen Entscheidung fortgesetzt wird. Hier aber gewährte der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nur zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung, also zur Erfüllung seiner Pflicht aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel. Daraus lasse sich aber nicht schließen, dass er einen neuen Arbeitsvertrag abschließen wollte.  

Wertersatz statt Gehaltszahlung 

Da es also nach dem 30. September keinen Vertrag gab, erfolgte die Beschäftigung danach ohne Rechtsgrund. Die erbrachte Arbeitsleistung kann der Arbeitgeber aber nicht herausgeben, der Schlosser bekam also ab dem 1. Oktober keinen Lohn, sondern Wertersatz nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung, § 818 Abs. 2 BGB. In den Tagen der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und an den Feiertagen hatte der Arbeitgeber allerdings nichts erlangt und muss daher auch nichts herausgeben bzw. Wertersatz leisten.  

Die Feststellungen des BAG, dass bei einer Prozessbeschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung grundsätzlich kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen besteht, fügt sich in frühere Rechtsprechung ein: Das BAG hatte bereits vor einigen Jahren entschieden, dass sich die Vergütungsansprüche im Rahmen eines Prozessverhältnisses nach Bereicherungsrecht richten (BAG, Urt. v. 10.03.1987, 8 AZR 146/84; BAG u.a.). Dennoch ist die Entscheidung begrüßenswert, weil das BAG damit ausdrücklich feststellt, dass bei der Frage der Entgeltfortzahlung nur der Arbeitnehmerbegriff aus dem BGB und – anders als bei der Frage des Urlaubsanspruchs – nicht der europäische Arbeitnehmerbegriff heranzuziehen ist.

Arbeitgeber sollten bei einer Prozessbeschäftigung unmissverständlich klarstellen, dass die Beschäftigung ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgt und an der ausgesprochenen Kündigung festgehalten wird. Bei einer solchen Beschäftigung unterliegt der Arbeitnehmer unverändert dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Bei Pflichtverstößen kann der Arbeitgeber (unter dem Vorbehalt, dass das Arbeitsverhältnis doch nicht beendet wurde) arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen.

Der Autor Radoslaw Kleczar ist Rechtsanwalt bei Pauly & Partner, Rechtsanwälte, Fachanwälte für Arbeitsrecht Partnerschaftsgesellschaft mbB in Bonn. Er berät Unternehmen und Arbeitnehmer in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. 

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Beschäftigung nach Kündigung: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42746 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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