Arbeitnehmer müssen DSGVO-Auskunftsansprüche konkret bezeichnen, sonst ist die Klage unzulässig. Arbeitgeber können die Auskunft zum Schutz von Whistleblowern verweigern – die Voraussetzungen sind aber noch unklar, weiß Dominik Sorber.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich nunmehr zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate zu dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch positioniert. Es entschied, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Auskunftsansprüche konkret und bestimmt zu bezeichnen haben (Urt. v. 16.12.2021, Az. 2 AZR 235/21). Tun sie dies nicht, ist ihre Klage bereits unzulässig. Damit bestätigte das BAG seine Rechtsprechung aus dem vergangenen Jahr (Urt. v. 27.04.2021, Az. 2 AZR 342/20).
Zur Erinnerung: 2021 hatte das BAG erstmals Gelegenheit, zu dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Stellung zu nehmen. Das Gericht entschied, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Erteilung einer Datenkopie von sämtlichen geschäftlichen E-Mails gegen seinen Arbeitgeber hat.
Das BAG begründete die Entscheidung damit, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch nicht ordnungsgemäß geltend gemacht habe. Die Anträge seien nicht vollstreckbar. Denn es sei nicht feststellbar, auf welche konkreten E-Mails, also an welchen Adressaten und zu welchem Zeitpunkt, sich das Herausgabeverlangen stützte. Mit dieser prozessualen, also rein formellen Begründung musste das BAG keine inhaltliche Prüfung hinsichtlich des Umfangs und der Reichweite des Auskunftsanspruchs vornehmen.
Herausgabeanspruch nur, wenn auch Zwangsvollstreckung möglich
Konkret sagte das BAG auch, dass nur dann ein Anspruch auf Herausgabe einer Datenkopie besteht, wenn Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer ihr Herausgabeverlangen so konkret bezeichnen, dass auch in einem Zwangsvollstreckungsverfahren ohne weitere Prüfung feststeht, welche Informationen und Datenkopien Arbeitgeber herausgeben sollen. Der Hintergrund – und dies ist im Ergebnis zutreffend – ist, dass das formalistische Zwangsvollstreckungsverfahren nicht mit inhaltlichen Unsicherheiten und Streitigkeiten überfrachtet werden soll.
Das BAG führte weiter aus, dass Klägerinnen und Kläger eine Stufenklage anstrengen müssen, also erst auf Auskunft klagen müssen, sodass sie konkret sagen können, auf welche Informationen und Datenkopien ihr Begehren gerichtet ist.
Das Gericht stützte seine erste Entscheidung zum Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht auf datenschutzrechtliche Argumente. Gleichwohl schränkte das BAG den Anspruch auf Erteilung einer Datenkopie richtigerweise bereits prozessual ein. Die bloße Wiederholung des Wortlautes von Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO lasse nicht erkennen, eine Kopie welcher personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer begehrt. Klägerinnen und Kläger, die die Herausgabe von Datenkopien verlangen, müssen diese konkret und bestimmt benennen.
BAG will offenbar zweckwidrige Geltendmachung des Auskunftsanspruchs vermeiden
Somit kann aus dieser sehr restriktiven Anwendung des Auskunftsanspruchs geschlussfolgert werden, dass das BAG einer uferlosen und zweckwidrigen Geltendmachung, z.B. im Anschluss an einer Arbeitgeberkündigung, des Auskunftsanspruchs entgegenwirken will. Arbeitgeber sollten daher stets auf die fehlende Bestimmtheit von Auskunftsansprüchen hinweisen und von den Auskunftssuchenden eine Konkretisierung verlangen.
Dies entspricht auch den Reaktionsmöglichkeiten, die die Erwägungsgründe zur Konkretisierung der DSGVO vorsehen. Erwägungsgrund 63 Satz 7 zur DSGVO bestimmt, dass der Auskunftserteilende bei der Verarbeitung großer Datenbestände verlangen kann, das Auskunftsverlangen auf (einzelne) Informationen und Verarbeitungsvorgänge zu präzisieren. Die einschränkende Anwendung von Art. 15 Abs. 3 DSGVO war nicht nur eine Folge des Prozessrechts, sondern auch nach dem Sinn und Zweck datenschutzrechtlich geboten.
Stehen der Herausgabe von Datenkopien die Rechte von Whistleblowern entgegen?
Das BAG hat diese Rechtsprechung nunmehr ausdrücklich bestätigt. Auch in diesem Fall hatte ein Mitarbeiter umfangreiche Auskünfte über Leistungs- und Verhaltensdaten begehrt. Besonders spannend daran war, dass es unter anderem um die Frage ging, unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber die Herausgabe von Datenkopien und Auskünften mit dem Argument verweigern können, dass es sich um Daten aus einem sogenannten Hinweisgebersystem handelt. Diese Frage ist höchstrichterlich damit weiter ungeklärt.
Die Kernfrage lautet in diesem Zusammenhang: Stehen der Herausgabe von Datenkopien die Rechte Dritter, der Hinweisgeber (Whistleblower), entgegen? Die Einzelheiten, wann dies der Fall sein kann, sind umstritten. Der Schutz der Hinweisgeber ist aber von entscheidender Bedeutung dafür, dass Mitarbeiter in Unternehmen Straftaten, schwere Pflichtverletzungen oder andere Missstände aufdecken. Im Ergebnis werden hier Kriterien aufzustellen sein, wie Hinweisgeber zu schützen sind.
Diesen pauschalen Einwand hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (Urt. v. 17.03.2021, Az. 21 Sa 43/20) in der Berufungsinstanz nicht gelten lassen. Aber das LAG hat ausgeführt, dass der Informationsanspruch des Arbeitnehmers durch die Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt werden kann. Allerdings haben Arbeitgeber dies konkret vorzutragen, da das Recht auf Informationen gem. Art. 34 Abs. 1 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 S. 2 BDSG nur dann eingeschränkt wird, soweit durch die Auskunft des Arbeitgebers, berechtigte Interessen Dritter tangiert sind. Wörtlich hieß es in der Entscheidung: "Der bedingungslose Schutz der Anonymität, den die Beklagte Hinweisgebern gewährt, genügt nicht, (...) dass die Geheimhaltungsinteressen des Hinweisgebenden das Informationsinteresse des Klägers an Kenntnis von der Herkunft der über ihn (...) verarbeiteten Daten ohne Weiteres überwiegen."
Das BAG hat in der aktuellen Entscheidung zum Auskunftsanspruch zwar keine inhaltlichen Fragen geklärt, aber deutlich gemacht, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konkret zu den begehrten Informationen vorzutragen haben. Ein Klageantrag, der ergänzend zum Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO auslegungsbedürftige Begriffe enthält, über deren Inhalt nicht behebbare Zweifel bestehen, ist nach Ansicht des BAG nicht hinreichend bestimmt. Dies ist für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein zentraler Punkt, der im Rahmen der Prozessstrategie vorzutragen ist.
Noch kein Hinweisgebergesetz in Deutschland
Ein Hinweisgebergesetz gibt es auch nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 17. Dezember 2021 in Deutschland nicht. Somit fehlen wesentliche gesetzliche Regelungen, die aufgrund der Hinweisgeber-RL (2019/1937) hätten umgesetzt werden müssen. Insbesondere das Verhältnis zwischen Informationsanspruch eines Auskunftssuchenden und einem Hinweisgeber wird von zentraler Bedeutung sein.
Aber auch ohne ein solches Gesetz haben Arbeitgeber die Möglichkeit, Hinweisgeber effektiv zu schützen und sich in einer gerichtlichen Auseinandersetzung auf diesen Schutz zu berufen. Das LAG Baden-Württemberg hat die Argumentationsstruktur umrissen. Es bedarf einer konkreten Darlegung, dass bestimmte Daten nicht herausgegeben werden können, ohne den Schutz der Hinweisgeber offenzulegen. Bevor Arbeitgeber diese – im Einzelnen sehr umfangreiche Darlegung – zu leisten haben, können sie sich mit Erfolg darauf berufen, dass sie nur dann Informationen offenlegen müssen, sofern die Anträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so konkret sind, dass sie auch vollstreckbar sind.
Das Urteil des LAG hat auch gezeigt, dass regelmäßige Löschroutinen und ein Löschkonzept für Arbeitgeber prozessual positiv sind, wenn begehrte Daten schlicht nicht mehr zur Verfügung stehen. Denn dann können sie auch nicht mehr herausgegeben werden. Dann gilt für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: Gelöschte Daten sind gute Daten.
Dr. Dominik Sorber ist Rechtsanwalt in München.
BAG zum Auskunftsanspruch nach der DSGVO: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47656 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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