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21449

Social-Media-Nutzung durch Arbeitgeber: Face­book-Auf­tritt nur mit Zustim­mung des Betriebs­rats

von Prof. Dr. Michael Fuhlrott

13.12.2016

Betriebsrat (Symbol)

© momius - Fotolia.com

Auf Social Media Plattformen präsent zu sein, ist besonders für größere Arbeitgeber heute oft eine Selbstverständlichkeit. Dabei hat der Betriebsrat nach einer Entscheidung des BAG jedoch ein gutes Wörtchen mitzureden. Von Michael Fuhlrott.

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Der Rechtsstreit und die Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschl. v. 13.12.2016, Az. 1 ABR 7/15) hatte sich am Dienstag zur arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Facebook-Präsenz eines bundesweit vertretenen Transfusionszentrums mit rund 1.300 Mitarbeitern zu äußern. Konkret ging es um die Frage, ob das Betreiben der Internetseite mit Kommentarfunktion, Gästebuch und abrufbaren Informationen durch den Arbeitgeber Beteiligungsrechte des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auslöst.

Dies machte der Betriebsrat mit einem Unterlassungsbegehren geltend. In dem Betrieb der Seite erblickte er einerseits eine mitbestimmungspflichtige Verhaltenssteuerung der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG); andererseits fürchtete er, dass damit eine Überwachung des Leistungsverhaltens der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) einhergehen könne. Das BAG gab ihm damit nun Recht und hob die noch anders lautende Entscheidung der Vorinstanz auf.

Facebook-Präsenz als Werbemedium

Worum ging es genau? Der sich mit seinem Betriebsrat streitende Arbeitgeber nutzte seine Facebook-Präsenz als Kommunikationsplattform zu Kunden. So wurde online etwa über anstehende Blutspendetermine informiert, über besondere Aktionen berichtet, für die Abgabe von Blutspenden geworben und Abläufe einer Blutspende und deren Notwendigkeit für die medizinische Versorgung in Deutschland erläutert.

Die Mitarbeiter wurden über die bestehende Facebook-Präsenz durch ein Rundschreiben des Arbeitgebers informiert. Ein den Arbeitnehmern ausgehändigter Leitfaden „Wie stelle ich das DRK dar“ hielt sie zudem zur Wahrung der „Rotkreuzgrundsätze“ und der Netiquette an. Die Pflege der Facebook-Seite nahm der Arbeitgeber mit einem Team von rund 10 Arbeitnehmern wahr, die die Inhalte der Seite jeweils aktualisieren und insbesondere Gästebucheinträge kommentieren sollten.

Mitarbeitersteuerung durch Nutzerkommentare?

Nachdem es Einträge über das Verhalten bestimmter Mitarbeiter gab („Ich war am 14.4.2013 in N. mein kostbares abzapfen lassen. Gehe schon spenden seit ich 18 bin. Muss aber sagen die gestern die Nadel gesetzt hat, solle es noch lernen. Stechen kann die nicht“), und Mitarbeiter ihre Bedenken gegenüber dem Betriebsrat äußerten, verlangte dieser vom Arbeitgeber die Abschaltung der Seite.

Der Betriebsrat sah die Gefahr, dass der Arbeitgeber gezielt nach Arbeitnehmern mit häufigen negativen Bewertungen suchen und diese dann sanktionieren könne. Jedenfalls müsse der Arbeitgeber aber mit dem Betriebsrat die Inhalte der Seite abstimmen, wenn er diese weiter nutzen wolle. Der Arbeitgeber lehnte dies ab und betrieb die Seite weiterhin. Das daraufhin vom Betriebsrat angerufene Arbeitsgericht Düsseldorf (Beschl. v. 27.06.2014, Az. 14 BV 103/13) gab der Arbeitnehmervertretung Recht und verpflichtete den Arbeitgeber zur Abschaltung der Seite. Dem kam der Arbeitgeber nicht nach und legte gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung zum Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Beschl. v. 12.1.2015, Az. 9 Ta BV 51/14) ein, das wiederum dem Arbeitgeber Recht gab.

LAG: Keine Überwachung durch Kommentarfunktion

Insbesondere konnte das LAG Düsseldorf kein Beteiligungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erkennen. Nach dieser Vorschrift ist der Betriebsrat zu beteiligen, wenn der Arbeitgeber eine technische Einrichtung betreibt, die eine Überwachung des Verhaltens oder der Leistung des Arbeitnehmers ermöglicht. Klassische Anwendungsfälle sind nach der Rechtsprechung etwa Stempeluhren oder Zugangskontrollsysteme. Aber auch die Nutzung bestimmter Office-Software, die die Zugriffs- und Bearbeitungszeitpunkte protokolliert oder selbst eine im Lagerbereich installierte Videokamera, die Arbeitnehmer bei der Arbeit filmt, kann der Norm unterfallen.

Facebook hingegen sei keine solche technische Einrichtung, die der Mitbestimmung bedürfe. Voraussetzung hierfür sei nämlich, dass die Überwachung durch die technische Einrichtung selbst erfolge. Hieran fehle es aber, wenn der Arbeitgeber bei Mitarbeitern mit den facebook-eigenen Möglichkeiten gezielt nach negativen Einträgen suche, so das LAG.

LAG: Facebook-Präsenz tangiert betriebliche Ordnung nicht

Auch ein vom Betriebsrat gerügtes Beteiligungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG konnten die Richter nicht erkennen. Um dies zu bejahen, müsse das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betroffen sein, also Fragen des betrieblichen Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb.

Die Rechtsprechung trennt hierbei zwischen dem sog. mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten und dem mitbestimmungsfreien Leistungsverhalten. Fragen wie Rauchverbote im Betrieb, die Nutzung von Radios im Büro oder das Tragen einer Uniform sind Ordnungsverhalten. Mitbestimmungsfreies Leistungsverhalten betrifft hingegen die Ausfüllung der Arbeitspflicht. Der Betrieb der Facebook-Präsenz tangiere das Ordnungsverhalten nicht, hinsichtlich der Anweisungen an die Administratoren zur Pflege der Seite liege reines Leistungsverhalten vor.

Wie das BAG entschieden hat, und was daraus folgt

2/2: BAG gibt Betriebsrat auf ganzer Linie Recht

Das Bundesarbeitsgericht schlug sich mit seiner heutigen, bislang nur in Kurzform als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung auf die Seite des Betriebsrats. Zwar könne der Arbeitgeber das Facebook-Profil weiterbetreiben. Allerdings dürfe er die Funktion „Besucher-Beiträge“ so lange nicht nutzen, bis mit dem Betriebsrat hierüber eine Einigung erzielt worden sei.

Mitbestimmungspflichtig sei nämlich die Entscheidung des Arbeitgebers, Postings der Besucher unmittelbar zu veröffentlichen. Diese Entscheidung sei geeignet, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu beeinflussen. Damit liege eine Überwachung der Arbeitnehmer durch eine technische Einrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vor, die der betrieblichen Mitbestimmung unterliege.

Homepage mit oder ohne Interaktionsmöglichkeit

Die aktuelle Entscheidung beweist, dass es auf die jeweiligen Einzelfallumstände der Internetpräsenz ankommt. So ist eine Arbeitgeber-Homepage ohne Interaktionsmöglichkeit betriebsverfassungsrechtlich regelmäßig nicht zu beanstanden. Soweit eine Interaktion zulässig und durch Einträge oder sonstige Anmerkungen eine Beeinflussung des Verhaltens einzelner Arbeitnehmer möglich ist, greifen jedoch auch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats ein.

Daher wäre z.B. ein „Abstimmungstool“ im Internet zur Wahl eines Mitarbeiters des Monats oder zur allgemeinen Mitarbeiterbewertung zweifellos als technische Einrichtung zur Überwachung des Arbeitsverhaltens zu werten. Diese dürfte ein Arbeitgeber nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats nutzen.

Auch ohne Betriebsrat: Keine „Narrenfreiheit“ für Arbeitgeber im Internet

Unabhängig davon besteht natürlich auch in Unternehmen ohne Betriebsrat keine „Narrenfreiheit“ für Arbeitgeber.

Das Datenschutzrecht und das Persönlichkeitsrecht gelten  auch dort, wo es keinen Betriebsrat gibt. Daher müssen Fotos, Filme oder Aufnahmen von Arbeitnehmern im Internet generell vom Arbeitnehmer freigegeben werden. Dies folgt bereits aus datenschutzrechtlichen Vorgaben, wonach der Arbeitnehmer der Nutzung von eigenen Fotos ausdrücklich zustimmen muss.

Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht und Studiendekan Wirtschaftsrecht an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Römermann Rechtsanwälte AG in Hamburg.

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Zitiervorschlag

Michael Fuhlrott, Social-Media-Nutzung durch Arbeitgeber: Facebook-Auftritt nur mit Zustimmung des Betriebsrats . In: Legal Tribune Online, 13.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21449/ (abgerufen am: 07.03.2021 )

Infos zum Zitiervorschlag
Kommentare
  • 14.12.2016 12:25, Rechtsanwalt Alexander Würdinger, München

    Ich habe mir erlaubt, diesen LTO-Artikel dem Betriebsrat meines Vertrauens zum Zwecke der juristischen Fortbildung zu übersenden.

    Rechtsanwalt Alexander Würdinger, München
  • 15.12.2016 14:54, Oliver Zöll (AGS-Legal)

    Ich habe das Verfahren während meiner Zeit bei Bird & Bird im einstweiligen Rechtsschutz begleitet. Vgl. Kommentar unter NZA-RR 2013, 473, auch zur Frage der Mitbestimmung bei Nutzung von Facebook als Abstimmung- oder Feedbackstool. Dazu muss der Arbeitgeber Facebook dazu aber nutzen wollen. Das war hier nicht der Fall. Der Arbeitgeber hat nicht zum Feedback aufgerufen. Das Feedbacktool ist die Standardeinstellung von Facebook.

    Ich glaube, das BAG überschreitet hier eine Grenze. Eine Auswertungsmöglichkeit gibt es doch letztlich nur manuell. Wenn man das analog des Google-Maps Urteils betrachtet, dann kann hier keine Mitbestimmung angenommen werden. Wahrscheinlich wird das BAG in der Begründung aber darauf abstellen, dass die Kommentare dann auf der Facebookseite elektronisch vorgehalten werden. Reicht das?

    OZ

    Oliver Zöll (AGS-Legal)
    • 15.12.2016 23:53, Anton

      Ihr Kommentar ist für mich unbefriedigend, weil Sie nicht begründen, warum hier der Betriebrat nicht mitbestimmen sollte. Das BAG schließt ja keinerlei Nutzung von Facebook aus, sondern definiert bestenfalls, wie die Nutzung zwischen AG und BR gehandhabt werden soll. Rechtlich wenig präzise ist auch in dem Zusammenhang, was nun der AG will. Es gibt kein Verbot, den einmal erklärten Willen zu ändern. Deshalb sind Willenserklärungen rechtlich nur im Zusammenhang mit Betriebsvereinbarungen relevant; ohne Vertrag keine vertragliche Bindung.

  • 16.12.2016 20:48, Oliver Zöll+(AGS-Legal)

    Na ja, es steht schon drin. Aber besser versteht man es, wenn man die zitierte Fundstelle nachliest. Lasse ich Ihnen gerne zukommen. Hat aber nichts mit Willenserklärungen zu tun ...

    Kurz gesagt: Facebook ist keine technische Einrichtung zur Kontrolle. Wenn jemand die Kommentare auswerten will, dann muss er diese - so mein Verständnis - selbst auf der Facebook-Seite quasi "händisch" durchsehen. In einem anderen Fall (siehe zitierte Fundstelle in der NZA-RR) wurde die Facebookseite eines Kindergartens nicht als mitbestimmungspflichtig angesehen. Grund: Die Kommentarfunktion sei nichts anderes als ein Kummerkasten für die Eltern, der im Kindergarten aufgestellt ist. Und der ist keine technische Einrichtung nach § 87 Nr. 6 BetrVG, der hier entscheidenen Norm. Mich überzeugt das. Aber man kann sich darüber trefflich streiten. Deswegen war es auch beim BAG.

    Oliver Zöll+(AGS-Legal)
  • 02.01.2017 16:14, Oliver Zöll+(AGS-Legal)

    Hier auch der gute Kommentar von Frau Kollegin Mengel, http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/mein-urteil/

    Oliver Zöll+(AGS-Legal)
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