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3641

Ausbeutung von Botschaftsangestellten: Die Putz­frau und der Buch­halter als Grenzen der Immunität

Ass. jur. Przemyslaw Roguski

01.07.2011

Haushaltshilfe

© winston - Fotolia.com

Ihre Autos glänzen, ihre Residenzen sind mondän. Hinter der gediegenen Fassade von Botschaften und Diplomatenhaushalten aber gibt es immer wieder Skandale um die Ausbeutung von Angestellten. Die Gerichte scheinen machtlos, denn die ausländischen Diplomaten genießen Immunität. Nicht nur für eine Indonesierin in Berlin aber gibt es nach einem Urteil des EGMR neue Hoffnung.

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Vor einigen Tagen berichteten die Zeitungen über den Fall einer Indonesierin, die in Berlin als Haushaltshilfe bei einem saudischen Diplomaten arbeitete. Für ihre Arbeit – fast rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche – erhielt sie keinen Lohn, stattdessen soll sie gedemütigt und misshandelt worden sein.

Ihre Klage auf Lohnnachzahlung und Schmerzensgeld wies das Berliner Arbeitsgericht allerdings als unzulässig ab, der verklagte Diplomat genießt wegen seines Status' Immunität von der deutschen Gerichtsbarkeit.

Diese Geschichte ist kein Einzelfall. Bereits im Februar dieses Jahres hatte der französische Conseil d'Etat über einen sehr ähnlichen Fall der Ausbeutung einer indonesischen Haushaltshilfe zu entscheiden. Und just am vergangenen Mittwoch befasste sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit der Frage, ob französische Gerichte die Klage eines Angestellten der kuwaitischen Botschaft gegen seine fristlose Kündigung unter Verweis auf die Staatenimmunität als unzulässig abweisen durften (Sabeh El Leil v. Frankreich, Urt. v. 29.06.2011, Az. 34869/05).

All den genannten Fällen liegt die Frage zugrunde, wie weit den verklagten Diplomaten beziehungsweise Staaten Immunität zukommt.

Diplomaten genießen absolute Immunität

Das Völkerrecht gewährt Staaten und bestimmten im Dienste dieser Staaten stehenden Personen Immunität von der Gerichtsbarkeit anderer Länder. Begründet wird das mit dem Grundsatz der souveränen Staatengleichheit und dem bereits aus dem römischen Recht bekannten Prinzip "par in parem non habet imperium" – Gleiche haben über Gleiche keine Macht.

Absolute Immunität für die Dauer ihrer Mission genießen auch Diplomaten. Die Unantastbarkeit von Botschaftern und Gesandten war bereits vor Jahrhunderten anerkannt und entwickelte sich zu einem völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz. Mittlerweile hat das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (Diplomatenrechtskonvention) ihn kodifiziert, der Diplomat genießt gemäß Art. 31 der Konvention Immunität sowohl von der Straf-, als auch – bis auf drei Ausnahmen – von der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Empfangsstaats.

Die Immunität ist allerdings nicht grenzenlos. Staaten müssen sich zwar für hoheitliches Handeln nicht verantworten, für wirtschaftliches Handeln aber können sie sehr wohl gerichtlich belangt werden. Bisher war allerdings umstritten, was als hoheitliches und was als wirtschaftliches oder privates Handeln eingestuft werden kann.

Der EGMR zieht Grenzen: Keine Immunität für Arbeitsverträge

So argumentierten die Staaten in Fällen der Ausbeutung oder ungerechten Behandlung von Botschaftsangestellten, dass Botschaften hoheitliche Aufgaben wahrnähmen. Sie könnten also über die Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten frei und ohne Kontrolle durch den Empfangsstaat entscheiden.

Mit diesem Argument könnte nun Schluss sein, denn die Straßburger Richter teilten diese Auffassung nicht. In der Rechtssache Sabeh El Leil v. Frankreich urteilte der Gerichtshof, dass es einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) darstellen kann, wenn ein Gericht eine arbeitsrechtliche Klage gegen den Staat, in dessen Botschaft der Kläger arbeitete,  abweist und sich dabei auf die Staatenimmunität stützt.

Der EGMR begründet seine Entscheidung damit, dass sich das Völkerrecht fortentwickelt habe und stützt sich dabei auf Art. 11 des Übereinkommens über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit (Staatenimmunitätskonvention). Die Vorschrift besagt, dass sich ein Staat bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nicht auf seine Immunität berufen kann, solange der Angestellte nicht mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt betraut war. Zwar sei die Staatenimmunitätskonvention nicht in Kraft, Frankreich habe sie aber bereits unterzeichnet (wenn auch noch nicht ratifiziert). Zudem stelle die Staatenimmunitätskonvention nur eine Kodifizierung von Völkergewohnheitsrecht dar, so die Straßburger Richter.

Ist der klagende Angestellte also beispielsweise als Kraftfahrer, Putzfrau oder – wie der Kläger des Verfahrens, über das der EGMR zu entscheiden hatte – Buchhalter tätig, kann nun nicht mehr automatisch davon ausgegangen werden, dass er/sie mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut ist. Dann ist die Staatenimmunität nicht anwendbar und auf dem Anstellungsverhältnis beruhende Klagen damit zulässig.

Das Problem: Wo sind die Grenzen für Diplomaten?

Wer nun auf spontane Gerechtigkeit für geknechtete Hausangestellte von Diplomaten hofft, sei jedoch gebremst. Die vom Menschengerichtshof aufgestellten Einschränkungen beziehen sich nur auf die Staatenimmunität. Sie gelten daher für Personen, deren Arbeitgeber der Staat ist. Problematisch – und bisher vom EGMR noch nicht entschieden – ist aber weiterhin die Frage, ob sich diese Grundsätze auch auf solche Fälle übertragen lassen, in denen der Arbeitgeber nicht die Botschaft, sondern ein Diplomat persönlich ist.

Zwar bestimmt Art. 2 I b) iv) der Staatenimmunitätskonvention, dass der Ausdruck "Staat" auch Vertreter des Staates bezeichnet, die "in dieser Eigenschaft", also als Staatsvertreter – hoheitlich - handeln. Sähe man in Diplomaten Staatsvertreter im Sinne des Art. 2, könnte man mit dem EGMR argumentieren, dass sich der Diplomat wegen Art. 11 der besagten Konvention in arbeitsrechtlichen Fällen nicht auf seine Immunität berufen darf. Diese Auslegung stünde allerdings in Widerspruch zu Art. 31 der Diplomatenrechtskonvention, der dem Diplomaten Immunität von der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit gewährt, wenn es nicht um dingliche Klagen in Bezug auf unbewegliches Vermögen, Klagen in Nachlasssachen und Klagen im Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit geht.

Die Anstellung einer Haushälterin fällt nicht unter die genannten Ausnahmen. Auf diese Vorschrift bezog sich auch das Arbeitsgericht Berlin im Fall der indonesischen Haushälterin und wies die Klage unter Hinweis auf die diplomatische Immunität des Beklagten ab.

Vielleicht eine Lösung: Der Empfangsstaat muss haften

Personen, die von Diplomaten angestellt wurden, müssen dennoch nicht ganz schutzlos sein. Das zeigt die Entscheidung des französischen Conseil d'Etat vom Februar 2011. Auch in diesem Fall ging es um eine indonesische Haushaltshilfe, die bei einem Diplomaten aus dem Oman angestellt war. Dieser zahlte ihr für ihre Arbeit monatlich 200 USD – viermal so viel, wie sie in Indonesien verdiente, allerdings weniger als der französische Mindestlohn.

Die Arbeitsgerichte verurteilten den Diplomaten zur Nachzahlung der Differenz zum Mindestlohn, das Urteil konnte aber wegen der diplomatischen Immunität nicht vollstreckt werden. Daraufhin klagte die Haushälterin gegen den französischen Staat und bekam vom Conseil d'Etat Recht – der Staat habe die Bürger für Schäden zu entschädigen, die sie bei der Anwendung völkerrechtlicher Verträgen erleiden.

Der Fall der indonesischen Haushälterin in Berlin bietet eine gute Gelegenheit, auch vor deutschen Gerichten die Reichweite der diplomatischen Immunität bei ausbeuterischen Arbeitsverträgen zu hinterfragen. Die Urteile des EGMR und des Conseil d'Etat verdeutlichen, dass die Angestellten von Botschaften und Diplomaten im Empfangsstaat nicht ganz schutzlos sein müssen und bieten zwei interessante Lösungsansätze. Wie sich das Landesarbeitsgericht Berlin, das sich mit der Berufung befassen wird, entscheidet, ist noch völlig offen. In jedem Fall wäre es aber wünschenswert, Angestellten im Haushalt eines Diplomaten dasselbe Schutzniveau zu gewähren, wie es Botschaftsangestellte nach dem Urteil des EGMR genießen.

Der Autor Przemyslaw Nick Roguski, Mag. Iur. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Internationales Wirtschaftsrecht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

 

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Przemyslaw Roguski, Ausbeutung von Botschaftsangestellten: . In: Legal Tribune Online, 01.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3641 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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