Das Finanzamt hat Attac rückwirkend und für die Zukunft den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt, weil der kritische Verein zu politisch sei. Die Verunsicherung unter Mitgliedern und Spendern ist groß. Durchaus zu Recht, erklärt Dirk-Ulrich Otto. Und weist darauf hin, dass der Gegensatz zwischen Politik und bürgerschaftlichem Engagement sich - zum Glück - in einem formellen Gesetz gar nicht findet.
Wie der Attac Trägerverein e.V. selbst mitteilt, hat das Finanzamt Frankfurt den Globalisierungs- und Libertarismuskritikern den Status als gemeinnützige Körperschaft aberkannt. Sie seien zu politisch, lautet die Begründung. Der damit einhergehende Verlust einer Steuerbegünstigung gilt rückwirkend für die Jahre 2010 bis 2012, auch für die Zukunft gesteht die Behörde dem Verein keine neue vorläufige Anerkennung zu.
Die Mitglieder sind überrascht und schockiert. Letztlich wird ein Gericht zu entscheiden haben, ob ein Zuviel an politischem Engagement die Förderung des demokratischen Staatswesens hindern kann. Neben diesem hochpolitischen Thema wirft die Meldung rechtstechnische Fragen auf. Wer selbst an Attac gespendet und seine Einkommensteuer für das betreffende Jahr noch nicht abgegeben hat, sollte vorsichtshalber jetzt nur noch zur Kenntnis nehmen, dass der genannte Bescheid nicht rechtskräftig und ein Einspruch durch Attac schon eingelegt ist. Weiterlesen gefährdet den eigenen Steuervorteil!
Spendenabzug in Gefahr, weil Gemeinnützigkeit nur vorläufig festgestellt wird
Die Geldgeber fürchten um ihre Zuwendungsbescheinigung – zu Recht. Wenn die Einschätzung des Finanzamts richtig ist, dann sind alle seit 2010 von Attac erteilten Bestätigungen falsch. Ohne sie wird aber bei Beträgen über 200 Euro nach § 50 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung regelmäßig kein Sonderausgabenabzug mehr anerkannt.
Der Spender kann sich dann nur noch auf den in § 10 b Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angeordneten Vertrauensschutz stützen. Dieser verhindert, dass sämtliche Steuerbescheide berichtigt werden müssen, wenn wie hier das Steuerverfahren des Vereins dessen vorläufige Anerkennung als gemeinnützig nicht bestätigen würde. Voraussetzung ist dabei, dass der Spender nichts von der Unrichtigkeit weiß und sich insofern auch keine grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen muss. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Abgabe der eigenen Steuererklärung.
Attac teilt zwar auf seiner Webseite beruhigend mit, es gebe für die Unterstützer keine Steuernachteile für die Vergangenheit. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit und sie betrifft nur den Verein selbst als Empfänger der Spende oder eines Mitgliedsbeitrags. Allerdings kann der Verein bis zum Wiedererhalt einer vorläufigen Anerkennung keine weiteren Zuwendungsbescheinigungen für bereits getätigte Spenden mehr erteilen, ohne einen Regress des Fiskus fürchten zu müssen.
Die missliche Lage für Spender und Verein resultiert zum Teil aus einem Manko des Gemeinnützigkeitsrechts. Dieses sieht keinen Grundlagenbescheid über die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft vor, welcher für einen gewissen Zeitraum diesen Status verbindlich festlegen würde. Die Gesetze kennen nur die vorläufige Anerkennung, nicht aber die Sicherheit eines feststellenden Verwaltungsaktes.
Erst im einzelnen Steuerverfahren und nur für bestimmte Veranlagungszeiträume wird – notwendig nachträglich – über das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 ff der Abgabenordnung (AO) befunden, welche die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit festlegen.
Die Feststellung, dass Mitgliedsbeiträge und Spenden steuerbegünstigt sind, findet sich hingegen nicht einmal im Tenor des Einkommens- bzw. Körperschaftsteuerbescheid an den Verein, sondern nur in einem Hinweis zu diesem Bescheid.
2/2: Förderungswürdiger Zweck muss gelebt werden
Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, Vereine, die den in § 52 AO gelisteten Zwecken dienen und alle, die diesen Vereinen etwas spenden, dafür aus dem allgemeinen Steuertopf zu belohnen. Die 25 Nummern umfassen Ziele wie Wissenschafts-, Jugend-, und Kulturförderung sowie den Hundesport, den Modellflug oder das Karnevalsbrauchtum, nicht aber den Gesellschaftstanz.
Zwecke des Attac-Trägervereins sind nach seiner Satzung "die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Förderung des Schutzes der Umwelt und des Gemeinwesens, der Demokratie und der Solidarität. Dies unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung. Der Verein fördert die Völkerverständigung und den Frieden."
Das sind hehre Ziele, welche die in § 52 Abs. 2 AO unter anderem genannten Fördergegenstände "Volksbildung", "Wissenschaft und Forschung", " Umweltschutz", "internationale Gesinnung" und wohl auch die Förderung des "demokratischen Staatswesens" vorbildlich abbilden.
Entscheidend ist aber nicht nur der Satzungstext, sondern der darin festgelegte Zweck muss von dem Verein auch gelebt werden. Insofern ist es im Grundsatz richtig, wenn das Finanzamt nun abgeklopft hat, ob Anspruch und Wirklichkeit zusammenpassen. Laut seiner Homepage veranstaltet Attac Kampagnen in mehrere -politische - Richtungen, ein deutlicher Schwerpunkt werde auch in der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit gesetzt.
Die Gerichte werden das zu überprüfen haben. Dabei hat der Verein einen höchstrangigen Kronzeugen. Der Bundespräsident lobte jüngst erst die Aktivitäten von Attac als bürgerschaftliches Engagement. Das wäre ein weiterer, in § 52 Abs. 2 Nr. 25 AO anerkannter, gemeinnütziger Zweck.
Sind alle politischen Zwecke Privatsache?
Ausgeschlossen ist per Gesetz die Berücksichtigung des Förderziels "allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens", § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO, wenn "Bestrebungen (…) nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen". Damit argumentiert laut Pressemitteilung des Vereins das Finanzamt, das bei Attac vorwiegend die Fans einer Finanztransaktionssteuer versammelt sehe.
Grund für diesen Ausschluss ist die Verweisung auf das speziellere Parteispendenrecht, wenn eine Körperschaft ausschließlich ein bestimmtes Anliegen verfolgt, die sie politisch umsetzen will. Der Gesetzestext schließt ausdrücklich nur kommunalpolitisches Engagement aus, sonstige politische Aktivitäten gerade nicht. Die Norm lässt sich somit auch als argumentum e contrario so verstehen, dass politischer Einsatz auf Ebene des Staates, also dem Bund und der Länder, den Fördertatbestand gerade nicht regelmäßig ausschließt.
Zudem schadet die Vermischung mehrerer Zwecke auch nicht, soweit die gemeinnützigen Aspekte dem Verein das Gepräge geben. Doch auch die volksbildenden Aktivitäten sowie die völkerverständigenden wie auch naturschützenden Ziele von Attac scheinen dem Finanzamt nicht ausreichend.
Vermutlich stützen die Beamten sich auch auf Nr. 15 im Anwendungserlass des Bundesfinanzministers zu § 52 AO, wonach es auf die weiteren Zwecke außerhalb der Nr. 24 nicht mehr ankommt, wenn der Verein politischen Zielen dient. Als politische Zwecke, die das Steuerrecht nicht begünstigt, definiert der Anwendungserlass die "Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, Förderung politischer Parteien und dergleichen". Nur "nach den Verhältnissen im Einzelfall" könne es einmal unschädlich sein, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist oder wenn gelegentlich zur Tagespolitik Stellung bezogen wird.
Künstliche Aufspaltung ist undemokratisch
Das ist keine leichte Abgrenzung und gehört schon deshalb reformiert: Wann muss Transparency International den Einsatz für ein Antikorruptionsgesetz einstellen, um nicht den Förderzweck "Kriminalprävention" (§ 52 Abs. 2 Nr. 20 AO) zu verlieren? Sollte das Münchner ifo Institut den Reiter "Politikdebatte" auf seiner Internet-Startseite vielleicht besser verkleinern, um die Förderung als gemeinnützige Forschungseinrichtung zu behalten?
Wenn das Steuerrecht tatsächlich gemeinnützigen bürgerschaftlichen Einsatz fördert, alle politischen Zwecke aber zum Ausschlusskriterium macht, dann wäre das eine schwerwiegende Festlegung im staatstheoretischen Diskurs. Bürgerschaftliches Engagement wird in eine Kontraposition zur Teilhabe an der politischen Meinungsbildung gebracht, die dem Demokratieverständnis nicht gut tun kann.
Die "Förderung des demokratischen Staatswesens" spielt in einer anderen Liga als die in § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO geschützte Förderung von Tier- und Pflanzenzucht oder der Modellflug. Ohne eigene politische Meinung kann Demokratie nicht verteidigt werden. Was, wenn nicht Gerechtigkeit, Freiheitssicherung und Förderung des gemeinen Wohls, sind Aufgabe und Gegenstand der politea?
Vielleicht ist der Konflikt aber gar nicht so schwerwiegend. Entscheidend bleibt die Normhierarchie, nach der formelle Gesetze Vorrang vor materiellen haben. Nur der Anwendungserlass erweckt in Überspitzung seines Wortlauts den Anschein, das Betreiben von Politik und Gemeiner Nutzen schlössen einander aus. Er kommt nicht zur Anwendung, wenn die AO etwas anderes ausdrückt. Der einzige Ausschlussgrund in § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO gilt aber gerade nicht bei jedem "politischen Zweck", sondern nur für die Verfolgung von Einzelinteressen.
Das mit der Sache befasste Gericht wird daher hoffentlich nach dem Gesetz und im Einklang mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes entscheiden und nicht nach einem an dieser Stelle fragwürdigen Erlasstext.
Der Autor Dr. Dirk-Ulrich Otto ist tätig in Leipzig. Er bearbeitet seit 12 Jahren das Vereinsrecht in einem Online-Kommentar und ist seit 2012 Mitautor eines Handbuchs zum Vereinsrecht.
Dirk-Ulrich Otto, Attac verliert Status der Gemeinnützigkeit: Wer ist hier zu politisch? . In: Legal Tribune Online, 27.10.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13598/ (abgerufen am: 18.04.2024 )
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