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Zu wenig Atemschutzmasken: Export­verbot, Beschlag­nahme, Zwang­s­pro­duk­tion – was tun?

von Dr. Christian Rath

07.04.2020

Atemschutzmasken

Philippe Ramakers - stock.adobe.com

Es fehlen Millionen Atemschutzmasken, der Weltmarkt ist leergefegt. Exportverbote und Beschlagnahmungen bringen wenig. Bisher hat nur Bayern eine Rechtsgrundlage für die Zwangsproduktion geschaffen – die aber noch nicht greift.

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Kaum etwas läuft in der Coronakrise so schlecht wie die Beschaffung von Schutzmasken für das Gesundheitswesen. Im Moment kann niemand garantieren, dass es im Fall der höchsten Belastung für das Personal noch genug Masken mit Filterfunktion und einfache OP-Masken gibt, Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime haben meist nur noch Vorrat für kurze Zeit, oft nur wenige Tage. Das verunsichert nicht nur die Helfer, es untergräbt auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Kompetenz der staatlichen Krisenvorsorge und Gesundheitspolitik.

Zugleich behindert der Mangel an einfachen Masken eine nach den Erfahrungen in Asien eigentlich naheliegende Anti-Corona-Strategie mit einer allgemeinen Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Mit einer Maskenpflicht hätte nicht nur die Ausbreitung der Infektion verlangsamt werden können. Sie könnte auch eine Begleitmaßnahme zum Wiederanfahren des öffentlichen Lebens sein – wenn es denn genügend Schutzmasken gäbe.

Bund sah schon 2012 drohende Engpässe in der Lieferkette

Der Mangel erstaunt schon deshalb, weil es ja Warnungen gab. So hat der Bund im Rahmen einer Risikoanalyse 2012 eine "Pandemie durch Virus Modi-SARS" durchgespielt (BT-Drucksache 17/12051).
Dort heißt es deutlich: "Arzneimittel, Medizinprodukte, persönliche Schutzausrüstungen und Desinfektionsmittel werden verstärkt nachgefragt. Da Krankenhäuser, Arztpraxen und Behörden in der Regel auf schnelle Nachlieferung angewiesen sind, die Industrie die Nachfrage jedoch nicht mehr vollständig bedienen kann, entstehen Engpässe".

Generell wurde auf die Tücken der internationalen Arbeitsteilung hingewiesen: "Zahlreiche Güter und Dienste werden weltweit jeweils von nur wenigen Schlüsselproduzenten bereitgestellt. Somit könnten Ausfälle im Bereich importierter Güter und Rohstoffe auch in Deutschland zu spürbaren Engpässen und Kaskadeneffekten führen."

Genauso kam es jetzt. Ein Großteil der in Deutschland benötigten Schutzmasken wird in China hergestellt. Da aber die Coronakrise dort ihren Anfang nahm, wurde die chinesische Produktion zunächst vor allem im eigenen Land benötigt. Inzwischen hat China zwar die Produktion von Schutzmasken massiv erhöht, doch ist Deutschland weltweit nicht der einzige Nachfrager. Gerade bei einer Pandemie ist es naheliegend, dass es zu Engpässen in der Lieferkette kommen kann. 

Bund und Länder ließen die Krankenhäuser allein

Aus heutiger Sicht wäre es also naheliegend gewesen, nach der Risiko-Analyse zum einen Mindestvorräte an Schutzgegenständen vorzuschreiben und zum anderen Pläne auszuarbeiten, welche heimischen Produzenten welche Schutzgegenstände herstellen können. Die Verantwortung hierfür lag bei Bund und Ländern gleichermaßen. 

Der Bund ist Gesetzgeber des maßgeblichen Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Die Kompetenz beruht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 (Maßnahmen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten) Grundgesetz (GG). Das IfSG dient nicht nur der akuten Bekämpfung von Epidemien, sondern auch der Prävention (vgl. § 1 IfSG). Seit Ende März enthält das Gesetz auch Regelungen zur "Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung" (vgl. § 5 Abs 2 Nr. 7 IfSG), die allerdings erst im Fall einer Epidemie "nationaler Tragweite" greifen. Es liegt nahe, dass der Bundesgesetzgeber nach der Aufarbeitung der Coronakrise auch Vorschriften zum strategischen Aufbau einer Pandemiewirtschaft ins IfSG aufnehmen wird. 

Da der Bund nach 2012 untätig blieb, hätten die Länder im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Regelungen zur Bevorratung und Produktion von Schutzausrüstung treffen können. Zumindest hätten die Länder in ihrer Exekutivzuständigkeit ihre eigenen Pandemiepläne sowie den gemeinsam erstellten Nationalen Pandemieplan entsprechend ändern können.

Die Aufgabe wurde aber eher formelhaft gelöst. Im Pandemieplan für Baden-Württemberg heißt es zum Beispiel: "Es ist davon auszugehen, dass die steigende Nachfrage nach persönlicher Schutzausrüstung zu Beginn einer Pandemie zu Versorgungsengpässen führt. Es ist die Aufgabe der Krankenhausträger, entsprechende Vorsorge zu tragen." Das Problem wird also ohne konkretisierende Maßgaben weiterdelegiert. Und was ein Krankenhausträger nach dem Aufbrauch der Reserven tun soll, bleibt auch offen. 

Die aus heutiger Sicht frappierende Untätigkeit der Zuständigen war damals aber kein Thema des politischen Streits. Auch von der jeweiligen Opposition sind keine Rufe nach wirksamer Vorsorge bekannt. Und auch Medien, Wissenschaft und Verbände liefen nicht Sturm gegen die allgemeine Verantwortungslosigkeit. 

Zentralisierung der Beschaffung brachte nichts

Als sich nach Ausbruch der Corona-Epidemie die Engpässe abzeichneten, beschloss der nationale Krisenstab (gebildet aus Bundesgesundheits- und Bundesinnenministerium) am 4. März ein Exportverbot für Schutz-Ausrüstungen. Da die Allgemeinverfügung auf das Außenwirtschaftsgesetz (§ 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 5 AWG) gestützt war, musste sie Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum unterzeichnen.

Das Exportverbot wurde von der EU-Kommission kritisiert, weil es auch für Ausfuhren in EU-Staaten galt. Die Anordnung trat am 19. März wieder außer Kraft, nachdem die EU ein EU-weites Exportverbot beschlossen hatte, das aber den EU-Binnenmarkt unberührt ließ. Das Exportverbot hatte im Bereich der Schutzmasken ohnehin nur symbolische Bedeutung, da diese ja gerade nicht in Deutschland hergestellt wurden. 

Außerdem beschloss der Krisenstab am 4. März: "Der Krisenstab stellt die außerordentliche Dringlichkeit für die Beschaffung medizinischer Schutzausrüstung fest. Das BMG beschafft diese zentral für Arztpraxen, Krankenhäuser sowie für Bundesbehörden." Mit dieser vollmundigen Ankündigung zeigte sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) aber bald überfordert. Da der internationale Markt nun mal zusammengebrochen war, brachte auch die Bündelung deutscher Nachfrage keinen positiven Effekt. 

In der Folge traten nun auch wieder die Länder und große Sozialverbände auf dem Weltmarkt als Nachfrager auf. Das verstärkte einerseits die internationale Konkurrenz um die wenigen verfügbaren Masken, andererseits konnten so aber internationale Beziehungen von deutschen Unternehmen besser genutzt werden. Baden-Württemberg konnte so etwa auf Vermittlung von Porsche Ende März 30 Millionen Atemschutzmasken aus China importieren. 

Bayern und NRW könnten Schutzmasken beschlagnahmen

Bayern hat Ende März ein eigenes Infektionsschutzgesetz (BayIfSG) beschlossen, das auch die Versorgung mit Schutzmaterial verbessern sollte. In Art. 2 Abs. 1 heißt es: "Die zuständige Behörde kann bei jedermann medizinisches, pflegerisches oder sanitäres Material beschlagnahmen, soweit dies zur Aufrechterhaltung der notwendigen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erforderlich ist." Von diesen Befugnissen hat Bayern aber noch keinen Gebrauch gemacht. Voraussetzung wäre laut Art. 1 Abs. 2 BayIfSG, dass der bayerische Ministerpräsident oder die Gesundheitsministerin den "Gesundheitsnotstand" ausgerufen haben. Diese Feststellung, dass in Bayern "die Versorgungssicherheit durch das öffentliche Gesundheitswesen ernsthaft gefährdet erscheint" ist bisher aber noch nicht erfolgt.

Nordrhein-Westfalen will noch in dieser Woche mit einem ganz ähnlichen Landesgesetz, dem Epidemiegesetz, nachziehen. Auch dort können dann die Behörden Materialien – falls erforderlich – "sicherstellen". Dies war bisher – anders als zum Beispiel die Möglichkeit zur Zwangsverpflichtung von Ärzten und Pflegepersonal – nicht umstritten. Allerdings ergibt sich das übliche Problem: Sicherstellen kann man nur, was im Lande schon vorhanden ist. Der große Bedarf des Gesundheitswesens kann so nicht befriedigt werden. In anderen Bundesländern sind solche Landesgesetze wohl auch deshalb bisher noch nicht geplant.

Während man weiter auf Importe aus China hofft, wird nun immer nachdrücklicher auch der Aufbau einer inländischen Maskenproduktion geplant. Bisher setzt die Bundesregierung hier auf Anreize: Unternehmen, die an der Produktion von Schutzmasken Interesse zeigen, bietet das Gesundheitsministerium derzeit Abnahmeverträge bis 2021 und Investitionshilfen an. 

Pflicht zur Produktion nur in Bayern

Eine bundesweite Möglichkeit, Unternehmen zur Produktion von Schutzmasken zu verpflichten besteht derzeit noch nicht. Die deutschen Notstandsgesetze sind überwiegend auf militärische Lagen ausgerichtet. So können Betriebe zwar nach dem Bundesleistungsgesetz (BLG) zur Erbringung von Werkleistungen verpflichtet werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 BLG), doch ist dies auf "Zwecke der Verteidigung" und zur Abwendung von Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung begrenzt. Pandemien sind nicht erwähnt.

Die Katastrophenschutzgesetze der Länder erlauben zwar im Katastrophenfall auch die Inanspruchnahme von Bürgern und Unternehmen. "Die Katastrophenschutzbehörde kann zur Katastrophenabwehr von jeder Person die Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen verlangen", heißt es etwa in Art. 9 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes. Und tatsächlich hat Bayern Mitte März als bisher einziges Bundesland den Katastrophenfall ausgerufen.

Dass das Katastrophenschutzrecht auf eine Pandemie nicht so richtig passt, hat man inzwischen aber auch in Bayern eingesehen und deshalb ja auch das BayIfSG mit dem "Gesundheitsnotstand" eingeführt.

Im BayIfSG findet sich dann auch eine passende Norm für die Maskenproduktion. "Die zuständige Behörde kann gegenüber Betrieben, die zur Herstellung benötigten medizinischen, pflegerischen oder sanitären Materials in der Lage sind, die vorrangige und umgehende Produktion einer bestimmten Menge dieses Materials anordnen", heißt es in Art. 3 des BayIfSG. Doch auch davon hat Bayern bisher keinen Gebrauch gemacht.

Auch diese Befugnis ist auf den "Gesundheitsnotstand" beschränkt, der bisher nicht ausgerufen wurde. Ob der Maskenmangel auf dem Weg der Zwangsbewirtschaftung wirkungsvoll beseitigt werden könnte, ist bisher also in Deutschland noch nicht überprüfbar.

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Zu wenig Atemschutzmasken: Exportverbot, Beschlagnahme, Zwangsproduktion – was tun? . In: Legal Tribune Online, 07.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41241/ (abgerufen am: 26.03.2023 )

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