Lange Zeit waren Flüchtlinge fast gänzlich vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Inzwischen soll ihnen der Zugang erleichtert werden - weniger aus humanitären denn aus wirtschaftlichen Erwägungen, erklärt Birgit Naujoks.
Der Fachkräftemangel in Deutschland treibt Blüten. Immer mehr gelangt die Politik zu der Einsicht, dass die Arbeitsmarktpotenziale auch der Menschen genutzt werden sollten, denen bislang der Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt verwehrt war. Das betrifft insbesondere Menschen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus, beispielsweise Asylbewerber* und Geduldete**. Dafür sind im November 2014 in diesem Bereich wichtige rechtliche Änderungen in Kraft eingetreten.
Eine wesentliche Veränderung ist die Dauer der Wartezeit, bis diese beiden Personengruppen eine Beschäftigung aufnehmen dürfen. Waren es bis November 2014 noch neun Monate mit Aufenthaltsgestattung bzw. zwölf Monate mit einer Duldung, so ist diese Wartezeit nun auf drei Monate herabgesetzt, § 61 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) und § 32 Abs. 1 Beschäftigungsverordnung (BeschV). Eine selbständige Tätigkeit ist Menschen mit diesem Status weiterhin verwehrt.
Wartezeit verkürzt
Für die anschließenden zwölf Monate des Aufenthalts – bis November 2014 waren 48 Monate -- gilt für die meisten Fälle das sogenannte Vorrangprinzip. Danach kann die örtliche Ausländerbehörde eine Beschäftigungserlaubnis erteilen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit ihre Zustimmung erteilt. Das geschieht allerdings nur, wenn für den konkreten Arbeitsplatz nicht auch ein Deutscher, ein EU-Bürger oder ein Drittstaatler mit einem besseren Aufenthaltsstatus für diese Arbeit zur Verfügung steht, so § 39 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1b Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
Diese Zustimmungspflicht der ZAV entfällt nach der verlängerten Frist und es kann mit Erlaubnis der örtlichen Ausländerbehörden jede Beschäftigung aufgenommen werden.
In der Praxis führt diese Regelung für Geduldete und Asylbewerber zu einem faktischen Arbeitsverbot für die ersten 15 Monate des Aufenthaltes. Denn entscheidend ist nach dem Vorrangprinzip nur die theoretische Möglichkeit, eine Stelle zu besetzen. Ob sich tatsächlich ein Deutscher, ein EU-Bürger oder ein Drittstaatler mit besserem Aufenthaltstitel findet, ist unerheblich. Das ist eine kritikwürdige Regelung, da sie in die Entscheidungsfreiheit der Arbeitgeber eingreift und dazu führt, dass Arbeitsplätze unbesetzt bleiben.
Die ZAV überprüft neben dem Vorrangprinzip auch die Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen, insbesondere die Entlohnung, mit denen deutscher Arbeitnehmer und ob es sich um ein Zeit- oder Leiharbeitsverhältnis handelt, denn ein solches dürfen Asylbewerber und Geduldete erst nach 48 Monaten Aufenthalt aufnehmen (§ 39 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 AufenthG). Ab dem 16. Monat des Aufenthalts fällt die Vorrangprüfung weg und die ZAV prüft nur noch die beiden letztgenannten Kriterien.
Keine Regel ohne Ausnahme
Allerdings ist nicht für alle Tätigkeiten eine Zustimmung der ZAV erforderlich. Etwa bei betrieblichen Ausbildungen oder Hochqualifizierten kann die Ausländerbehörde Geduldeten ab dem ersten Tag des Aufenthalts und Asylbewerbern ab dem vierten Monat des Aufenthalts eine entsprechende Beschäftigung erlauben, § 32 Abs. 2 BeschV bei Aufenthaltsgestattung i.V.m. § 32 Abs. 4 BeschV und § 61 Abs. 2 AsylVfG).
In anderen Fällen, etwa für Personen mit Ausbildungsabschlüssen in Mangelberufen, bedarf es zwar der Zustimmung der ZAV, jedoch ist eine Vorrangprüfung entbehrlich (§ 32 Abs. 5 Nr. 1 BeschV (bei Aufenthaltsgestattung i. V. m. § 61 Abs. 2 AsylVfG)). Nach dieser Regelung kann Personen mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung ab dem vierten Monat des Aufenthalts eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden, wenn sie die festgelegten Kriterien erfüllen.
Beschäftigungsverbot bei Duldung
Doch nicht alle Geduldeten profitieren von den rechtlichen Neuerungen. Nach wie vor gibt es die Möglichkeit eines Beschäftigungsverbots nach§ 33 BeschV, das die Ausländerbehörde zum einen erteilt, wenn jemand eingereist ist, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu beziehen. Dies spielte bislang eine geringere Rolle. Durch die Einstufung von Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten gewinnt sie jedoch an Bedeutung, weil diesem Personenkreis regelmäßig die Einreise zum Zwecke des Sozialleistungsbezugs unterstellt wird.
Zum anderen wird eine Beschäftigungserlaubnis versagt, wenn bei jemandem aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können, er also z.B. über seine Identität täuscht. In der Praxis führt dies zu erheblichen Problemen, manchen Menschen ist dadurch über viele Jahre der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt.
*Asylbewerber: eine Person im laufenden Asylverfahren, also zwischen der Antragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Entscheidung. Während dieser Zeit ist der Aufenthalt gestattet (Aufenthaltsgestattung, § 55 AsylVfG).
** Geduldeter: eine vollziehbar ausreisepflichtige Person, z.B. nach ablehnender Entscheidung im Asylverfahren. Ihr wird eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG, d.h. die Aussetzung der Abschiebung, erteilt, wenn eine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Die ist kein Aufenthaltstitel, also kein rechtmäßiger Aufenthalt. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen wie Reisefähigkeit, Reisepapiere etc. kann die Person jederzeit abgeschoben werden.
2/2: Arbeitsmarktzugang für Menschen mit einem humanitären Aufenthaltstitel
Nach positivem Ausgang des Asylverfahrens gestaltet sich der Arbeitsmarktzugang erheblich einfacher. Für Asylberechtigte***, Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention**** und international subsidiär Geschützte***** gilt per Gesetz unbeschränkter Zugang zu Erwerbstätigkeit, also Beschäftigung und Selbständigkeit, § 25 Abs. 1 S.4 AufenthG, § 25 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 4 AufenthG.
Bei national subsidiär Geschützten****** und Personen mit sonstiger humanitärer Aufenthaltserlaubnis bedarf die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht der Zustimmung der ZAV (§ 31 BeschV). Auch eine selbständige Tätigkeit können sie mit Erlaubnis der Ausländerbehörde aufnehmen. Hier hat bereits mit Einführung der neuen BeschV zum 1. Juli 2013 ein Wandel stattgefunden. Zuvor wurde auch bei diesen Personen in den ersten drei Jahren des Aufenthalts eine Vorrang- und Lohnprüfung durchgeführt.
Aus- und Berufsnachweise fehlen
Die rechtlichen Öffnungen des Arbeitsmarktzugangs für Menschen auch mit unsicherem Aufenthaltsstatus sind zu begrüßen, können ohne Änderungen in anderen Bereichen jedoch nicht den gewünschten Effekt erzielen. So lange Asylbewerber und Geduldete keinen Zugang zu Integrationskursen haben, sind die Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, gering. Hinzu kommt das Problem der mangelnden Anerkennung beruflicher Kompetenzen.
Menschen mit einem Fluchthintergrund bringen in den seltensten Fällen entsprechende schriftliche Nachweise mit. Auch ist das Ausbildungs- und Berufssystem oft nicht mit dem deutschen System zu vergleichen. Die Anerkennung beruflicher Kompetenzen nach dem Anerkennungsgesetz ist ein (kosten-)aufwändiger und oft langwieriger Prozess und fördert daher nicht adäquat einen effektiven Arbeitsmarktzugang in qualifizierte Jobs.
Gewünscht wird vor allem die qualifizierte Beschäftigung gut ausgebildeter Menschen. Dies zeigen die dargestellten Ausnahmeerleichterungen bei Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis, aber auch laufende Projekte, wie "Early Intervention", die darauf zielen, gut ausgebildete Schutzsuchende mit guten Anerkennungschancen frühzeitig herauszufiltern und durch besondere Förderangebote für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen.
Notwendig ist die Öffnung des Arbeitsmarktzugangs jedoch für alle Schutzsuchenden. Arbeit stabilisiert den Einzelnen, fördert Tagesstrukturen und bietet Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe. Diese Chancen sollten jedem Menschen zustehen. Dann ist es zumindest auf den ersten Blick zweitrangig, ob dies aus humanitären oder wirtschaftlichen Gründen passiert.
***Asylberechtigter: Person, der nach Art. 16a Abs. 1 GG Asyl gewährt wird. Inhaltlicher Prüfungsmaßstab ist die Definition eines Flüchtlings i. S. d. GFK. Hinzu kommen zwei weitere Voraussetzungen. Die Verfolgung muss vom Staat ausgehen, während nach der GFK auch z.B. Privatpersonen Verfolgungsakteure sein können. Seit dem sogenannten Asylkompromiss 1993 darf die Einreise zudem nicht über einen sicheren Drittstaat erfolgen. Darunter fallen unter anderem alle EU-Staaten und die Schweiz, so dass sich auf das Grundrecht nur noch berufen kann, wer auf dem Direktweg per Flugzeug einreist.
****Flüchtling i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention (GFK): eine Person, sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und dessen Schutz sie nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem sie als Staatenloser ihren vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das sie nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 I AufenthG, § 3 AsylVfG mit der Folge Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 S. 1 1. Alt. AufenthG. Stellt ein Flüchtling einen Antrag auf Asyl, wird er zum Asylbewerber und ggf. später zum Asylberechtigten.
*****International subsidiär Geschützter: eine Person, der bei Rückkehr in das Herkunftsland ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 AsylVfG droht und der deshalb ein Schutzstatus gewährt wird. Folge ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 2. Alt. AufenthG. § 4 AsylVfG beruht auf der Umsetzung europäischen Rechts und gilt damit in ähnlicher Form in allen EU-Staaten. In den letzten Jahren Annäherung an Gleichstellung mit Flüchtlingen nach der GFK, aber noch immer bestehen Unterschiede, z.B. bei Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
******National subsidiär Geschützter: eine Person, der aufgrund eines festgestellten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG (Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention) oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG (erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit) eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt wird. Dabei handelt es sich um eine nationale Regelung. Der Schutzstatus ist in mancher Hinsicht schwächer als beim internationalen subsidiären Schutz.
Die Autorin Birgit Naujoks ist Volljuristin und arbeitet als Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW.
Birgit Naujoks, Arbeitsrecht für Ausländer: Wirtschaftsfaktor Flüchtling . In: Legal Tribune Online, 13.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15959/ (abgerufen am: 29.11.2023 )
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