Arbeitnehmerdatenschutz: Die Quadratur des Kreises?

Sven Rebehn

26.07.2010

Seit einem Vierteljahrhundert versucht die Politik, den Schutz von Arbeitnehmerdaten in einem Gesetz zu regeln. Bisher ist noch jede Bundesregierung daran gescheitert. Ein Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist nun auf breite Kritik gestoßen. Sven Rebehn stellt die wichtigsten Eckpunkte des Entwurfs vor.

Eigentlich sollte das Kabinett den Entwurf schon vor der Sommerpause verabschieden, nun ist wohl frühestens im Herbst mit einem Beschluss zu rechnen. Bis dahin muss der Innenminister hinter den Kulissen viel Überzeugungsarbeit leisten. Während der liberale Koalitionspartner, Datenschützer und Gewerkschafter seine Vorschriften für zu kurz gegriffen halten, gehen sie Arbeitgebern und Teilen der Union schon zu weit.

Klar ist: Nach einer Serie von Affären um bespitzelte oder durchleuchtete Mitarbeiter bei Lidl, Bahn, Telekom und anderswo ist der Handlungsdruck so hoch wie nie.

Mit zwölf neuen Vorschriften im Bundesdatenschutzgesetz will de Maizière die Rechte der Beschäftigten stärken, ohne notwendige Kontrollen am Arbeitsplatz zu vereiteln. Ein schwieriger Spagat.

Eckpfeiler Verhältnismäßigkeit und Transparenz

Der Entwurf stellt klar, dass Arbeitgeber bei jeder Datenerhebung oder -nutzung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden sind. Sie darf nach „Art und Ausmaß nicht unverhältnismäßig“ sein. Sobald schützwürdige Interessen des Betroffenen überwiegen, muss sie unterbleiben.

Zweiter Eckpfeiler: Der Arbeitgeber muss größtmögliche Transparenz gewährleisten. So hat er die „tatsächlichen Anhaltspunkte“ für den Verdacht einer Straftat oder Verfehlung zu dokumentieren, wenn er darauf eine Datenerhebung stützen will. Hinzu kommt eine Reihe von Informationspflichten, ehe Kontrollen erfolgen dürfen.

§ 32e des Entwurfs regelt die Bekämpfung von Straftaten und Pflichtverstößen. Er ermächtigt den Arbeitgeber, zur Verhinderung oder Aufdeckung von Verfehlungen eines Mitarbeiters Daten zu erheben und zu nutzen. Dabei bestehen aber drei Hürden: Erstens rechtfertigen nur Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder schwerwiegende Vertragsverletzungen, die zur fristlosen Kündigung berechtigen würden, eine Kontrolle. Zweitens muss ein konkret belegter Verdacht einer solchen Verfehlung bestehen. Und drittens gilt auch hier wie für jede Art der Kontrolle das Übermaßverbot. Flächendeckende Datenabgleiche ohne stichhaltige Anhaltspunkte wären also nicht erlaubt.

Heimliche Videokontrolle nur in extremen Ausnahmefällen

Eine heimliche Videokontrolle soll nach § 32f künftig nur noch in extremen Ausnahmefällen möglich sein. Es müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht begründen, dass ein Beschäftigter eine Straftat oder eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen hat. Paradefall: Ein Angestellter hat im Betrieb Geld oder Waren gestohlen.

Ein präventiver Einsatz von Überwachungskameras ist im Entwurf dagegen nicht vorgesehen. Die heimliche Videoüberwachung muss zudem vom betrieblichen Datenschutzbeauftragten gebilligt werden. Kameras in Umkleidekabinen oder Toiletten sind in jedem Fall unzulässig.

Eine offene Videokontrolle ist hingegen immer dann erlaubt, wenn sie zum Schutz berechtigter Interessen des Betriebes erforderlich ist.

Anforderungen an Ortung und Kontrolle von Telefon- und Mailverkehr

In § 32g ist die Ortung von Arbeitnehmern geregelt. Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeiter demnach im Außendienst während der Arbeitszeit durch Ortungssysteme wie GPS ausfindig machen. Dies allerdings nur dann, wenn es um deren Sicherheit geht oder darum, den Einsatz der Beschäftigten zu koordinieren, etwa in einer Spedition. Eine heimliche Ortung ist ausgeschlossen.

Sofern Mitarbeiter Telefone und E-Mail-Dienste im Betrieb ausschließlich beruflich nutzen dürfen, soll nach § 32i ein Zugriff auf Verkehrsdaten durch den Arbeitgeber in drei Fällen möglich sein: Um seine Anlagen und verarbeitete Daten vor Schaden zu bewahren, um angefallene Kosten bestimmten Anschlüssen zuzuweisen oder um mit Stichproben festzustellen, ob nur zu beruflichen Zwecken telefoniert oder gemailt wurde.

Inhalte von Telefonaten dürfen nur erfasst werden, wenn es berechtigte Interessen des Betriebes zu wahren gilt. Zudem müssen der Mitarbeiter und sein Gesprächspartner eingewilligt haben. E-Mail-Schriftverkehr darf ebenfalls nur bei berechtigten Interessen erfasst werden, insbesondere um Straftaten und Pflichtverstöße aufzudecken oder zu verhindern.

Sofern auch private Kommunikation im Unternehmen erlaubt ist, gelten noch höhere Hürden für Kontrollen.

Klare Grenzen für Gesundheitstests und Fragen an Bewerber

Der Entwurf regelt sämtliche Phasen des Arbeitsverhältnisses einschließlich des Bewerbungsgesprächs. Arbeitgeber dürfen nach § 32a nur Daten erheben, die sie benötigen, um die Eignung des Bewerbers zu beurteilen. So darf nach Ausbildung, beruflichem Werdegang oder Fähigkeiten gefragt werden.

Auskünfte zu Vermögensverhältnissen, Vorstrafen, Behinderungen oder Religion kommen nur infrage, wenn sie für die angestrebte Tätigkeit entscheidend sind. Auch Gesundheitstests sollen nur zulässig sein, soweit sie unverzichtbar sind, um die Tauglichkeit festzustellen.

Erlaubt ist es nach diesem Maßstab etwa, bei Piloten und Busfahrern abzuklopfen, ob sie alkohol- oder drogensüchtig sind. Dem Test muss der Betroffene aber zustimmen.

Gehen die geplanten Vorschriften schon zu weit? Oder noch nicht weit genug? Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sie nachjustiert werden. Allein die Verabschiedung eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes wäre angesichts der Historie gescheiterter Versuche schon ein Erfolg.

Der Autor Sven Rebehn ist Assessor und Redakteur mit den Schwerpunkten Rechts- und Innenpolitik.

Zitiervorschlag

Arbeitnehmerdatenschutz: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1062 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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