Das Ende der Anwaltszustellung?: Unmög­liche Pflichten und unge­ahnte Haf­tung

von Prof. Dr. Volker Römermann

26.05.2014

2/2: Parteiverrat begeht nicht, wer seinen Mandanten schlecht vertritt

Für die Bemühungen des betroffenen Anwalts, seine Defizite im Berufsrecht im Blitzverfahren auszugleichen, gibt das AnwG faktisch Pluspunkte. Indes: Sind "Erkundigungen" bei  Anwaltskammern und einem Richter ein empfehlenswerter Weg zur Klärung von Rechtsfragen?

Telefonische Auskünfte der RAK sind praktisch immer unverbindlich, häufig inhaltlich falsch. Richter haben mit anwaltlichem Berufsrecht fast nie etwas zu tun. Dem hier befragten Richter fiel § 356 Strafgesetzbuch (StGB) als Lösung ein. Auf diese Norm geht kurioserweise auch das AnwG Düsseldorf ausführlich ein.

Es meint offenbar ernsthaft, dass Parteiverrat begehe, wer seinen Mandanten schlecht vertritt, zum Beispiel hier – aus Sicht des AnwG, eine absolute Mindermeinung - der Gegenseite hilft, ein Schriftstück fristgerecht zugestellt zu bekommen, ohne dazu verpflichtet zu sein. Da aber niemand behauptet hatte, dass der Beklagtenvertreter zugleich den Kläger vertreten hätte, ist das ein völlig abwegiger Gedanke, den zu erwähnen in einer berufsrechtlichen Klausur schon Punkte gekostet hätte.

Geltungsbereich des § 14 BORA

Im Kern lehnt das AnwG die Geltung des § 14 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) ab. Die Vorschrift statuiert eine Mitwirkungspflicht bei Zustellungen auch dann, wenn diese von Anwalt zu Anwalt erfolgen. Die Satzungskompetenz des § 59b BRAO gibt nach Ansicht der Düsseldorfer Anwaltsrichter etwas für Pflichten gegenüber Behörden und Gerichten her, ermächtige aber nicht zur Statuierung von Pflichten gegenüber anderen Berufskollegen. Die Vorschriften der ZPO könnten keine berufsrechtlichen Pflichten begründen.

Ob § 14 BORA tatsächlich nur für Zustellungen von Behörden und Gerichten gilt, wie es das AnwG Düsseldorf annimmt, darf man bezweifeln. Die bisherige Literatur und die spärliche Rechtsprechung sehen es nicht so.

Der Gedanke ist indes nachvollziehbar. In der Tat stellt sich die Frage, ob der Wille des Auftraggebers nicht schwerer wiegt als berufsrechtliche Zwänge. So einfach ist diese Abwägung indes auch wieder nicht.

Es wäre schwer zu begründen, dass Anwälte aufgrund Mandanteninteresses Zustellungen von anderen Anwälten ablehnen, solche von Gerichten und Behörden bei identischer Interessenlage aber annehmen müssten. Und besteht nicht auch ein übergeordnetes Interesse daran, dass unterlegene Parteien das richterliche Urteil akzeptieren, statt durch Trickserei dessen Vollziehung zu vereiteln unter Berufung auf plötzlich eingeschränkte Vollmachten und Ausnutzung staatlicher Langsamkeit?

Ungeahnte Haftungsquellen

Antragstellervertreter müssen zur Vermeidung eigener Haftung weiterhin alles, aber auch wirklich alles tun, um schnell eine vollstreckbare Ausfertigung zu erhalten. Dabei sollten sie unbedingt an den Antrag auf vollständige Ausfertigung nach § 317 Abs. 2 Satz 2 ZPO denken.

Antragsgegnervertreter können zukünftig, wenn sich das AnwG Düsseldorf durchsetzen sollte, ihren Mandanten befragen, ob sie Zustellungen von Anwalt zu Anwalt entgegennehmen sollen. Lehnt der ab, müssen auch sie ablehnen. Da kein Normal-Mandant diese Rechtsfragen und die Folgen des Handelns kennt, müssen Antragsgegnervertreter ihren Mandanten darüber aufklären und über die Folgen belehren. Der Mandant wird sich freuen, sein Unterliegen in einen Sieg verwandeln und Kosten abwenden zu können.

Antragsteller- und Antragsgegnervertreter dürfen sich gemeinsam auf bestehende und neu begründete Haftungsgefahren einrichten. Das Leben für Antragstellervertreter wird komplexer, zumal eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt kein verlässlicher Weg mehr ist. Antragsgegnervertreter laufen in die Haftung, wenn sie derartige Zustellungen entgegennehmen, die sie hätten abwenden können.

Der Autor Prof. Dr. Volker Römermann ist Vorstand der Römermann Rechtsanwälte AG, Hamburg/Hannover/Berlin. Er ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, für Insolvenzrecht und Arbeitsrecht und Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er u.a. anwaltliches Berufsrecht lehrt sowie Autor eines Kommentars zum anwaltlichen Berufsrecht.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Volker Römermann, Das Ende der Anwaltszustellung?: Unmögliche Pflichten und ungeahnte Haftung . In: Legal Tribune Online, 26.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12093/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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