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Anti-Piraterieabkommen: Noch sind viele Fragen offen

Prof. Dr. Markus Ruttig

27.12.2010

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© Sean Gladwell - Fotolia.com

Still und heimlich haben die elf Signatarstaaten Anfang Dezember in Sydney ihre seit 2007 andauernden Verhandlungen beendet und die endgültige Fassung des Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) vorgelegt. Ob das Dokument einen neuen Schutz des geistigen Eigentums einläutet oder aber nur ein juristischer Doppelgänger ist, erläutert Dr. Markus Ruttig.

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Nachdem der final abgestimmte Text des Anti-Piraterieabkommens nun feststeht, muss er noch den beteiligten Regierungen und Parlamenten vorgelegt und von diesen ratifiziert werden. Für die Europäische Union (EU) bedeutet dies, dass zunächst die EU-Kommission den Text billigen muss. Anschließend erfolgt eine Prüfung durch den Rat und das EU-Parlament. In Deutschland werden sich sowohl Bundestag als auch Bundesrat mit dem Thema befassen.

Gegen den Zweck des multinationalen Abkommens, das geistige Eigentum besser zu schützen, ist wenig einzuwenden. Schwer wiegen hingegen die Bedenken, die gegen das Verfahren und die handelnden Institutionen vorgebracht werden. Denn organisatorisch wird hier nicht – wie bislang im Bereich des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) - die Welthandelsorgansiation WTO tätig, sondern die EU, ihre Mitgliedstaaten und zehn weitere Staaten einschließlich der USA und der Schweiz, die das ACTA außerhalb der bislang üblichen Gremien ausgehandelt haben.

Der Bundesrat hatte die Bundesregierung daher bereits am 7. Mai dieses Jahres aufgefordert, dem geplanten Abkommen erst nach einer Beteiligung der Länder zuzustimmen. Außerdem kritisierte die deutsche Länderkammer den Mangel an Transparenz, der den Beratungen anhafte. Ähnliche Bedenken hatte das Europäische Parlament in einer Entschließung vom 10. März 2010 geäußert.

Auslegungsspielraum bietet Anlass für Spekulationen

Doch worum geht es eigentlich? Die diskreten Verhandlungsführungen einerseits und dennoch an die Öffentlichkeit gelangte Entwurfspassagen andererseits hatten die Gerüchte ins Kraut schießen lassen. So sollen angeblich die USA - getrieben von den Filmstudios - darauf bestanden haben, dass Filmmitschnitte aus Kinovorführungen stets strafrechtlich verfolgt werden müssen. Auch sollte ACTA anlasslose Durchsuchungen von Laptops, Mobiltelefonen und iPods durch Grenz- und Zollbehörden ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl möglich machen. Im Grunde ist davon nichts wirklich richtig, aber auch nichts wirklich falsch. Denn es fällt auf, dass die entsprechenden Bestimmungen im ACTA sehr weit gefasst sind und folglich erheblichen Auslegungs- und damit Umsetzungsspielraum bieten.

Ohnedies ist die unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, wenn auch nicht in allen EU-Staaten, so jedenfalls in Deutschland nach § 106 Urheberrechtsgesetz (UrhG) bereits heute strafbar. Auch wenn die strafrechtlichen Sanktionsmechanismen im Anti-Piraterieabkommen als Kann-Bestimmungen ausgestaltet sind, ist hierin doch eine Erweiterung des bisherigen europäischen Standards zu sehen. Für Deutschland könnte sich nach dem Abkommen allenfalls die Frage stellen, ob der in § 106 UrhG vorgesehene Strafrahmen ausreichend hoch bemessen ist.

Im Ergebnis erscheinen die Bemühungen um das ACTA jedoch von derselben Motivation getrieben, die in der EU zur Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, der so genannten Enforcement-Richtlinie, geführt haben. Die EU-Kommission hatte erkannt, dass ungeachtet des TRIPS-Übereinkommens zu handelsbezogenen Aspekten der Rechte des geistigen Eigentums weiterhin große Unterschiede bei den Instrumenten der Durchsetzung dieser Rechte bestehen. Beträchtliche Diskrepanzen wurden etwa ausgemacht bei den Möglichkeiten der Sicherung von Beweismitteln, bei der Berechnung von Schadensersatz oder bei Auskunfts- und Rückrufsrechten.

All diesen Fragen widmet sich auch das ACTA. Und doch geht der Vertragsentwurf teilweise darüber hinaus - etwa wenn es nach Art. 22 möglich sein soll, dass Rechteinhaber von den Behörden über die Einfuhr von Piraterieprodukten informiert werden oder aber eben strafrechtliche Sanktionen zwingend vorgesehen sind.

Feinheiten des Abkommens müssen geprüft werden

Wie schon der Bundesrat völlig zutreffend festgestellt hat, verlangt der effektive und nachhaltige Schutz geistigen Eigentums und vor Produktpiraterie eine breite rechtliche Basis, die nur durch Einbeziehung der größtmöglichen Anzahl von Staaten gewährleitet werden kann. Vor diesem Hintergrund müssen die Macher von ACTA den Parlamenten in Straßburg und Berlin nicht nur erklären, warum die Verhandlungen unter Ausschluss etwa der WTO geführt worden sind. Sie müssen vielmehr auch begründen, warum sich die Beteiligten hiervon eine größere weltweite Akzeptanz erhoffen, als dies etwa beim TRIPS-Übereinkommen der Fall ist.

Ohne eine überzeugende Begründung und ohne die begründete Aussicht, dass auch Länder wie China, Indien, Brasilien und Russland dem Abkommen in naher Zukunft beitreten, ist wenig gewonnen. Denn für die EU und ihre Mitgliedstaaten scheint der im ACTA festgelegte Schutzstandard - jedenfalls weitgehend - bereits durch die so genannte Enforcement-Richtlinie erreicht zu sein, wie von der Kommission während der Vertragsverhandlungen auch stets behauptet wurde.

Ob dies tatsächlich für jeden der 45 Artikel des ACTA der Fall ist, müssen die Parlamente nun sorgfältig prüfen. Schon auf den ersten Blick fallen einige Unterschiede auf, auch wenn die ursprünglich geplanten Netzsperren nicht mehr in dem Vertragswerk enthalten sind.

Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte in Köln. Neben dem Gewerblichen Rechtsschutz liegen seine Schwerpunkte unter anderem im Urheber- und Presserecht sowie im Medienrecht.

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Markus Ruttig, Anti-Piraterieabkommen: . In: Legal Tribune Online, 27.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2137 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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