Der Ankauf von CDs mit gestohlenen Bankdaten durch den Fiskus wird weiter kontrovers diskutiert. Gutes Geschäft oder anrüchiger Deal, auf den sich ein demokratischer Rechtsstaat keinesfalls einlassen darf? Hans-Uwe Pasker, ehemaliger Richter am OLG, wirft bisher wenig diskutierte rechtliche Fragen auf und warnt vor der Grauzone unbeantworteter Fragen.
Das Szenario ist filmreif: An einem streng geheim gehaltenen Ort in Frankreich treffen sich vier Beamte aus Deutschland mit Herrn X. Es geht um heiße Ware. Herr X, eine große Nummer in einer international operierenden Organisation, hat sich illegal Daten von in der Schweiz geführten Bankkonten deutscher Staatsbürger beschafft und diese auf einer CD festgehalten. Die Beamten, Steuerhinterziehern auf den Fersen, sind höchst interessiert und bieten Herrn X mehrere Millionen Euro für die CD. Der Deal kommt zustande. Herr X muss sein Honorar sogleich mit 10 Prozent versteuern (es muss schließlich alles seine Richtigkeit haben).
Dies ist nicht das Drehbuch eine Bond-Filmes, die Szene spielt auch nicht im Schlapphutmilieu. Die Akteure sind vielmehr Finanzbeamte aus Deutschland, darunter der Leiter des Finanzamts Wuppertal Peter B., ein nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" 60-jähriger Beamter, von dem in den Pressearchiven kein Foto existieren soll und der in Fachkreisen als besonders streitbar und kauzig gilt.
Das Gerücht, es habe sich um einen Fake deutscher Behörden gehandelt, um Steuerflüchtlinge zu für den Fiskus lukrativen Selbstanzeigen zu veranlassen, ist widerlegt. Die Scheibe gibt es und sie ist ein Hit. Coverversionen sind auf dem Markt.
Der Vorgang wird politisch und juristisch kontrovers diskutiert. Nur für den Boulevard ist die Sache klar: Steuerhinterzieher verdienen keine Gnade. "Kauft euch die reichen Steuerbetrüger!" titelte die "Bild"-Zeitung am 1. Februar 2010.
Politisch gehen die Meinungen darüber auseinander, ob man der Aussicht, Geld für die überschuldeten Staatshaushalte einzutreiben, überhaupt widerstehen darf. Schließlich ist der Steueranspruch an die Sünder um ein Mehrfaches höher als der Kaufpreis für die CD. Moral hin oder her, ein gutes Geschäft eben. Während Nordrhein-Westfalen schon gezahlt hat, sträubt sich Baden-Württemberg noch ("Mir zahlet nix").
Hehlerei? Anstiftung? Oder einfach gar nichts?
Juristisch wird in erster Linie die Strafbarkeit der Mitarbeiter der unmittelbar beteiligten Finanzbehörden und ihrer Hintermänner in Ministerien diskutiert. Böse Worte von Hehlerei und der Anstiftung zu Straftaten machen die Runde. Hehlerei sei das nicht, so ist von Seiten der Verteidiger zu hören. Daten seien schließlich keine Sachen und deshalb von § 259 StGB nicht erfasst. Anstiftung liege auch nicht vor, da Herr X sich die CD ja schon vor dem Deal mit dem Finanzamt besorgt habe.
Überzeugen können diese Begründungen nicht. Der Blickwinkel dieser Beurteiler ist zu eng und womöglich ergebnisorientiert. Geringfügige, keineswegs abwegige Variationen des Sachverhalts zeigen dies deutlich:
Herr X hat nicht die Daten gestohlen und dann auf die CD gebrannt. Er hat die schon beschriebene CD – zweifellos eine Sache - entwendet.
Herr X hat die Daten nicht gestohlen, sondern sie durch Anwendung von Gewalt abgepresst (§§ 253, 255 StGB). Verschiebt sich dadurch auch die Beurteilung des Verhaltens des Käufers? Wenn ja, warum?
Eine Krankenkasse möchte sich die Krankendaten von Mitgliedern beschaffen lassen, um Leistungsmissbrauch nachzuweisen. Herr Y erledigt das.
Arbeitgeber tun das Gleiche, um Arbeitnehmer, die "blau" machen, entlassen zu können.
Sollen auch die in den Beispielsfällen ergaunerten Daten angekauft werden? Oder ändert sich etwas an der Beurteilung? Wer auf die Unterschiede auf der Verkäuferseite hinweist, muss darlegen, warum sich dies auch auf die Käufer auswirkt. Macht sich der Käufer dann doch strafbar, weil sich der Verkäufer noch krimineller verhält als Herr X? Warum ist das eine erlaubt, wenn das andere verboten ist? Oder ist es das gar nicht?
Es ist unverantwortlich, wenn sich der Staat durch seine Organe in diese Grauzone hineinbegibt, zumal er die "Vorgeschichte" unter Umständen gar nicht kennt oder auch nur kennen kann. Alle bisherigen Versuche, einen möglichen Ankauf der Daten-CD juristisch zu würdigen, basieren bezüglich der Herkunft der Daten allein auf der Auskunft der Verkäufer.
Ein unwirksamer Kaufvertrag und seine Konsequenzen
Auch die zivilrechtliche Betrachtung ist nicht ohne. Die Beteiligten haben einen Kaufvertrag geschlossen. Es ist bereits zweifelhaft, ob dieser wirksam oder nichtig (§§ 134, 138 BGB) ist. Der juristischen Phantasie sind dann kaum Grenzen gesetzt: Es können, wenn der Vertrag nichtig ist, Kondiktions- oder aber Gewährleistungsansprüche bestehen, wenn zum Beispiel die Qualität der Daten hinter den Versprechungen des Verkäufers zurückbleibt. Hinzu kommen mögliche Ansprüche der geprellten Banken.
Ob schließlich die Daten in Strafprozessen oder Besteuerungsverfahren überhaupt verwertet werden dürfen, sei ebenfalls dahin gestellt.
Der Staat ist gut beraten, sich auf derartige Deals nicht einzulassen. Jedenfalls juristisch gleicht der eingeschlagene Weg einem Ritt auf der Rasierklinge. Ein Rechtsstaat sollte dies nicht nötig haben.
Hans-Uwe Pasker, Ankauf von Steuerdaten durch den Staat: . In: Legal Tribune Online, 25.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/303 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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