Datenschutzbeauftragte Voßhoff: "NSA-Aufklärung muss zum Teil nicht-öffentlich sein"

von Claudia Kornmeier

26.03.2014

2/2: "Entwurf der Datenschutzreform stimmt mich optimistisch"

LTO: Europa steht eine umfassende Datenschutzreform bevor. Werden europäische Datenschutzbeauftragte danach in Zukunft Unternehmen wie Facebook und Google besser zur die Verantwortung ziehen können, als das heute möglich ist?

Voßhoff: Davon gehe ich aus. Eines der zentralen Prinzipien der Datenschutzreform ist das sogenannte Marktortprinzip. Dies bedeutet – vereinfacht gesagt –, dass alle Unternehmen, die in Europa Dienstleistungen anbieten, auch dem europäischen Datenschutzrecht unterliegen sollen. Und dies unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben. Dies schließt wirksamere Durchsetzungsmöglichkeiten für die Datenschutzbehörden in Europa mit ein.

LTO: Befürchten Sie, dass eine Datenschutz-Grundverordnung, die im Gegensatz zu der aktuellen Richtlinie unmittelbar, ohne Umsetzungsakt in den Mitgliedstaaten gelten würde, das Datenschutzniveau in Deutschland absenken würde?

Voßhoff: Das generelle Datenschutzniveau hängt hauptsächlich davon ab, ob die uns in Deutschland vertrauten zentralen Prinzipien des Datenschutzrechts wie beispielsweise der Grundsatz der Erforderlichkeit, die Zweckbindung oder das Prinzip von Datenvermeidung und Datensparsamkeit erhalten bleiben oder sogar ausgebaut werden. Der Entwurf der Europäischen Kommission sowie die Position des Europäischen Parlaments stimmen mich hier durchaus optimistisch. Ich hoffe, dass die im Rat der EU vertretenen Regierungen der Mitgliedstaaten nicht der Versuchung erliegen, das hohe europäische Datenschutzniveau wirtschaftlichen oder staatlichen Interessen an einem geringeren Datenschutzniveau zu opfern.

"Mehr Transparenz bei der Schufa nötig"

LTO: Ende Januar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Schufa keine Auskunft darüber erteilen muss, wie sie die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern berechnet. Die sogenannte Scoreformel muss die Wirtschaftsauskunftei also nicht preisgeben. Was halten Sie von dem Urteil?

Voßhoff: Das Urteil hat mich nicht überrascht, entspricht es doch der Rechtslage nach dem Bundesdatenschutzgesetz.

LTO: Die Entscheidung mag auf einer Linie mit der Gesetzesbegründung liegen. Sie lässt Verbraucher dennoch unbefriedigt zurück, denn wer den Algorithmus nicht kennt, kann sich kaum gegen Fehler wehren oder Zusammenhänge bestreiten. Sollte der Gesetzgeber an dieser Rechtslage etwas ändern?

Voßhoff: Ich stimme Ihnen zu: Die Situation ist aus Sicht der Verbraucher unbefriedigend, denn sie können auf der Basis der geltenden Bestimmungen nicht nachvollziehen, wie sich der Scorewert berechnet. Dabei nützt es nichts, dass die Auskunfteien – durchaus zutreffend – darauf hinweisen, dass der Scorewert als rein statistischer Wert nichts über die individuelle Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers aussagt. Denn faktisch führt ein schlechter Scorewert zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen bis hin zum weitgehenden Ausschluss von der Teilnahme am Wirtschaftsleben. Angesichts dessen ist hier mehr Transparenz vonnöten.

LTO: Ihr Vorgänger war sehr konfliktfreudig. Er hat sich nicht nur häufig zu Wort gemeldet, sondern vertrat meist auch eine andere Position als die Bundesregierung. Was für einen Stil wollen Sie pflegen?

Voßhoff: Es geht nicht um Stilfragen. Maßstab meines Handelns ist der Einzelne und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Insofern liegt es in der Natur der Sache, in diesem Amt nicht immer die gleiche Position zu vertreten wie die Bundesregierung, die in ihrem politischen Handeln sehr viel mehr unterschiedliche Interessen berücksichtigen muss.

"Mehr Unabhängigkeit, Befugnisse und Sanktionsmöglichkeiten"

LTO: Wünschen Sie sich für das Amt der Datenschutzbeauftragten mehr Unabhängigkeit, mehr Befugnisse und direkte Sanktionsmöglichkeiten?

Voßhoff: Ja, hier sind Veränderungen notwendig. Als Wächterin über ein wichtiges Grundrecht muss mein Amt unabhängig von den Institutionen sein, die ich zu kontrollieren habe und es muss über den Anschein des Verdachts der politischen Einflussnahme seitens der Exekutive erhaben sein. Die derzeitige rechtliche Stellung der Bundesbeauftragten genügt zudem nicht den Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für eine unabhängige Datenschutzaufsicht aufgestellt hat.

Im Zusammenhang mit meiner Aufgabe, die Post- und Telekommunikationsunternehmen zu kontrollieren, sollte ich zudem die gleichen Befugnisse und Sanktionsmöglichkeiten haben, wie sie für die Aufsichtsbehörden gegenüber der übrigen Privatwirtschaft in den Ländern längst bestehen. Ein Landesbeauftragter kann etwa eine rechtswidrige Datenweitergabe eines Adresshändlers untersagen und mit einem Bußgeld ahnden, ich kann einen vergleichbaren Verstoß eines Telekommunikationsunternehmens, das hierfür die Bestandsdaten seiner Kunden verwendet, lediglich mit einer Beanstandung rügen.

LTO: Sie haben den Wiedereinzug in den Bundestag vergangenes Jahr knapp verpasst. Was würden Sie heute machen, wenn man Sie nicht für das Amt der Datenschutzbeauftragten vorgeschlagen hätte?

Voßhoff: Sicher etwas anderes, als eine solche Frage zu beantworten!

Andrea Voßhoff ist seit Februar 2014 Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationssicherheit.

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Datenschutzbeauftragte Voßhoff: "NSA-Aufklärung muss zum Teil nicht-öffentlich sein" . In: Legal Tribune Online, 26.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11449/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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