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Alkohol im Wischwasser: Scheibe klar, aber Lappen weg

Adolf Rebler, Dr. jur.

12.12.2011

wischwasser

© Jamiga - Fotolia.com

Ein guter Durchblick ist für Autofahrer lebenswichtig. Nun haben tschechische Wissenschaftlern herausgefunden, dass gutgemeintes Scheibenreinigen während des Fahrens zu Promillewerten führen und unter Umständen so den Füherschein kosten kann. Doch wie real ist diese Gefahr wirklich? Adolf Rebler hat nachgemessen.

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Bis vor gut einem Jahr stand in der Straßenverkehrsordnung (StVO) noch direkt neben der Winterreifenpflicht, dass in die Scheibenwaschanlage auch Frostschutzmittel gehört. Der Satz wurde gestrichen, weil auch die Winterreifenpflicht in eine Verhaltensvorschrift umgewandelt wurde und Ausrüstungsvorschriften nach Meinung des Verordnungsgebers nicht in die StVO gehören, sondern in die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung.

Nichts mit der Streichung zu tun haben dürften hingegen die Ergebnisse einer Untersuchung von Wissenschaftlern an der Masaryk-Universität im tschechischen Brünn. Demnach gelangen bei Betätigung der Scheibenwaschanlage Alkoholdämpfe in den Innenraum von Autos und werden dadurch zu einer möglichen Gefahr für die Verkehrssicherheit. Und in der Tat kann, so unglaublich es klingen mag, hochprozentiges Wischwasser rechtlich durchaus relevant werden.

Vorsicht, Frostschutzmittel!

Bekanntlich gefriert Wasser bei null Grad Celsius. Wer im kalten Winter mit dem Auto unterwegs ist und versucht, den Dreck, den der Vordermann von der Straße auf die Windschutzscheibe geschleudert hat, mit bloßem Wasser aus der Waschanlage wegzukriegen, wird dieses Naturgesetz sehr bald verfluchen: Mit dem Eis auf der Scheibe ist  im Nu ist der klare Durchblick weg.

Da liegt es Nahe, in die Scheibenwaschanlage Frostschutzmittel zu füllen somit und damit den Gefrierpunkt bis auf minus 35 Grad Celsius zu senken. Möglich wird dies durch den Mix aus Wasser und Ethanol.

Ethanol ist allerdings Alkohol. Betätigt man nun die Scheibenwaschanlage, dringen auch Dämpfe aus dem Frostschutzmittel in den Innenraum des Fahrzeugs – mit unerwarteten Konsequenzen, wie die tschechischen Forscher nun herausgefunden haben: Fünf der auf ihre Diffusion hin untersuchten Scheibenreinigungs-Flüssigkeiten führten bei insgesamt mehr als 30 Messungen im Fahrzeuginnern zu einem alarmierenden Ergebnis: Im Schnitt blieben bis zu vier Minuten lang Alkoholrückstände in der Atemluft – in einem Fall sogar 13 Minuten lang. Die höchste Konzentration betrug 0,7 Prozent. Bei einer Alkoholkontrolle könnte das den umsichtigen Autofahrer in Erklärungsnot bringen.

Im Fall der Fälle tief durchatmen

Nach § 24 a Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG)  handelt nämlich ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.

Den Alkohol in der Atemluft erwähnte das Gesetz noch bis bis zum 30. April 1998 mit keinem Wort – zwar musste man auch vorher schon ins Röhrchen pusten, das dabei erzielte Ergebnis war aber an sich nicht verbindlich, sondern lediglich eine Entscheidungshilfe für die Polizei. Von rechtlicher Bedeutung war nur die Blutalkoholkonzentration.

Mittlerweile sind nach dem Gesetz sind beide Methoden möglich – und auch gerichtsfest. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von § 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, der gewonnene Messwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar ist, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (Beschl. v. 03.04.2001, Az. 4 StR 507/00).

Was nun die Promillegefahr aus der Scheibenwaschanlage angeht, sollte man besorgten Autofahrern wohl raten, in einer Alkoholkontrolle vor dem Pusten noch ein paar mal an der frischen Luft kräftig durchzuatmen. Ansonsten bleibt nur, dem Polizeibeamten zu erklären, woher die Fahne stammt - und dabei am besten zu Demonstrationszwecken einige Male auf den Knopf für die Scheibenwaschanlage zu drücken.

Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.

 

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Adolf Rebler, Alkohol im Wischwasser: Scheibe klar, aber Lappen weg . In: Legal Tribune Online, 12.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5076/ (abgerufen am: 28.09.2023 )

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