Aids-Zwangstests in Sachsen-Anhalt: Kein Grund zur Hysterie

von Thomas Traub

03.12.2012

Für Empörung sorgte zum Ende der vergangenen Woche eine geplante Änderung des Polizeigesetzes in Sachsen-Anhalt. In den Medien war zu lesen, dass dort künftig Risikogruppen zwangsweise auf HIV und Hepatitis-Infektionen getestet werden sollten. Thomas Traub hat an dem Gesetzentwurf wenig auszusetzen – die verfassungsmäßige Anwendung ist das Entscheidende.

Sachsen-Anhalt will sein Polizeigesetz um eine Ermächtigungsgrundlage für die Durchführung unfreiwilliger HIV-Tests erweitern. Der entsprechende Gesetzentwurf ist nicht erst seit dem vergangenen Freitag in der parlamentarischen Diskussion und er ist auch nicht der erste seiner Art. In anderen Bundesländern gelten entsprechende Ermächtigungen längst. Dennoch löste das Vorhaben erst jetzt nach einem Bericht in der Mitteldeutschen Zeitung zahlreiche Reaktionen von Aids-Hilfe, Schwulen- und Lesbenverband aus.

Die Kritik ist deutlich. Von einer unerträglichen Stigmatisierung einzelner Bevölkerungsgruppen spricht selbst die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die eher für ausgewogene als alarmistische Stellungnahmen bekannt ist. Es lasse sich kaum aufzählen, wie viele Grundrechte solche HIV- und Hepatitis-Zwangstests verletzen würden.

Polizisten und Sanitäter besser schützen

Und tatsächlich: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, der Gleichheitsgrundsatz, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und nicht zuletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – die Reihe der betroffenen Grundrechte ist lang. Doch ein näherer Blick auf den Wortlaut des Gesetzentwurfes führt zu einer beruhigenden Prognose: Wendet die Polizei das Gesetz ordnungsgemäß an, wird es nicht zu Grundrechtsverletzungen kommen.

Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gem. Art.2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) schützt die körperliche Integrität umfassend. Schon ein Nadelstich und die unfreiwillige Abnahme von Blut sind ein Eingriff. Doch wird das Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet. Gerechtfertigt ist etwa die Blutentnahme, um die Alkoholkonzentration beim Verdacht einer Trunkenheitsfahr zu bestimmen (§ 81a Strafprozessordnung), da damit einer effektiven Strafverfolgung gedient ist.

Auch mit den Zwangstests verfolgt die Landesregierung ein legitimes Ziel. Sie will Personen besser schützen, die einer besonderen Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Das sind beispielsweise Polizisten und Sanitäter, die sich an Spritzen verletzten oder deren eigene offene Wunden mit Körperflüssigkeiten von Unfallopfern in Berührung kommen können.

Frühzeitige Kenntnis ermöglicht Prophylaxe

Eine Blutentnahme zur Feststellung besonders gefährlicher Krankheitserreger soll in Zukunft auch gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden können, damit frühzeitig Klarheit über das Infektionsrisiko herrscht.

Die frühzeitige Kenntnis eines Infektionsrisikos ermöglicht eine Postexpositionsprophylaxe; das heißt, etwa eine Impfung oder die Einnahme spezieller Medikamente kurz nach einem Kontakt mit Hepatitis B-Erregern oder dem HI-Virus, um die Infektionsgefahr zu verringern oder zumindest den Verlauf der Krankheit abzumildern.

Diese Motivation kann einen Zwangstest durchaus rechtfertigen. Es darf nicht vergessen werden, dass der Staat auch eine Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit seiner Bürger hat, in diesem Fall gegenüber den Polizisten und Sanitätern: Er muss sich schützend und fördernd vor das Grundrecht stellen und es auch vor Verletzungen durch Dritte schützen.

Zitiervorschlag

Thomas Traub, Aids-Zwangstests in Sachsen-Anhalt: . In: Legal Tribune Online, 03.12.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7694 (abgerufen am: 11.11.2024 )

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