Zwingt ein Zivilrechtsprofessor aus Osnabrück den FC Bayern in die Knie? Der publikumswirksame Vorstoß von Lars Leuschner wird nicht zur Löschung des FCB führen. Und ist doch ebenso richtig wie wichtig, findet Dirk-Ulrich Otto.
Woche für Woche fiebern Millionen Deutsche mit "ihrem Verein". Soweit es dabei um den Profifußball geht, stimmt dieser Satz juristisch in den meisten Fällen längst nicht mehr. Fast alle in der ersten bis dritten Liga vertretenen Vereine haben mindestens ihre Lizenzspielerabteilung in eine GmbH oder Aktiengesellschaft ausgelagert. Anhänger von Borussia Dortmund, 1860 München oder von Greuther Fürth müssten genaugenommen ihre Kommanditgesellschaft auf Aktien bejubeln.
Als Fangesang klingt das nicht so toll. Der Deutsche Fußballbund (DFB) findet das auch. Mit der "50+1 Regel" sieht der Dachverband des deutschen Fußballs deshalb vor, dass der Mutterverein immer das überwiegende Stimmrecht in der Kapitalgesellschaft behalten muss. Bei Verstoß dagegen gibt es keine Lizenz, sogar Rasenballsport Leipzig hat sich dieser Vorgabe am Ende irgendwie gefügt. Dann passt es wieder halbwegs mit der großen ideellen Tradition der deutschen Fußballvereine.
Renditegetriebene Investoren sollen keinen beherrschenden Einfluss nehmen können. Weil er eben daran zweifelt, hat aber nun Lars Leuschner, Professor für bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Osnabrück, in der vergangenen Woche beim Amtsgericht (AG) München angeregt, den FC Bayern München (FCB) e. V. aus dem Vereinsregister zu löschen.
Für die Kita recht, für die Bayern unbillig?
Ein eingetragener Verein, der über einen Nebenzweck hinaus wirtschaftlich aktiv sein will oder dies objektiv besehen ist, muss sich dafür eine andere Rechtsform suchen. Deshalb verweigert vor allem das Berliner Kammergericht derzeit reihenweise den Trägervereinen von Kitas die Eintragung und bestätigt die Löschung schon vorhandener Einträge.
Die Konsequenzen sind immens: Der Verein ist aufgelöst. Wollen seine Mitglieder ohne Umwandlung in eine andere Gesellschaftsform weitermachen, haften sie alle unbeschränkt für jede weitere Aktivität persönlich. Für einen Verein der Größenordnung des FCB wäre das undenkbar. Die Rechtsgrundlagen sind aber für den erfolgreichsten Fußballverein Deutschlands dieselben wie für die Kita in Neukölln. Hinzu kommt nur, dass der Fußballverein seine wirtschaftlichen Aktivitäten in eine Tochtergesellschaft verlagert hat.
Lars Leuschners "Antrag" bei dem AG München, den FCB zu löschen, ist nur eine Anregung. Ein Antragsrecht hat der einzelne Bürger nicht. Leuschner, der das Vereinsrecht zu einem seiner Forschungsschwerpunkte gemacht hat, musste auch gar nicht behaupten, dass er die Löschung wirklich für geboten hält. Das AG scheint das Thema dennoch sehr ernst zu nehmen, immerhin wurde der Club förmlich zu einer Stellungnahme aufgefordert. Vielleicht sollte der FCB einfach in das Land Brandenburg umziehen, das dortige OLG bewertet den Bestandschutz einmal eingetragener Vereine ziemlich hoch.
Warum die ADAC-Lösung dem FCB sogar schaden könnte
Das Ganze erinnert an die Ereignisse um einen anderen Großverein, dem genauso wie dem Profifußball eine gewisse volkswirtschaftliche Bedeutung beim besten Willen nicht abgesprochen werden kann. Auch für den ADAC ist das Münchner AG zuständig. Der Automobilclub hat nach einigem internen Streit im Mai 2016 in Lübeck eine umfassende Strukturreform beschlossen.
Der ADAC wird in drei Teile geteilt, Verein und wirtschaftliche Aktivitäten sollen getrennt werden. Die neue Struktur läuft unter anderem darauf hinaus, dass der Verein seinen beherrschenden Einfluss auf seine wirtschaftlich aktiven Ableger verliert.
Seither ist von dem Löschungsverfahren beim AG nichts mehr zu hören. Wenn es nun aber richtig ist – und so hat nach Informationen des Branchen-Magazins Juve vor allem Freshfields den ADAC beraten –, dass nur die freiwillige Aufgabe seines beherrschenden Einflusses auf die Wirtschaftsunternehmen den ADAC als eingetragenen Verein retten wird, dann bricht genau diese Überlegung der "50+1-Regel" des Bundesligasports das Genick. Der Widerspruch wäre nicht auflösbar: Die Ligazulassung würde genau die beherrschende Einflussnahme verlangen, die das Vereinsrecht verbietet.
2/2: Was will Lars Leuschner?
Lars Leuschner beweist zunächst eines: Deutsche Rechtsprofessoren sind keine weltfremden Theoretiker, sondern aktuellen Themen zugewandt und dabei auch in praktischer Taktik geschult. An seinem Osnabrücker Lehrstuhl etabliert der ehemalige Freshfields-Anwalt und Zivilrichter gerade in Form eines Vereinsrechtstags den Austausch von Theorie und Praxis des Vereinsrechts. Sein Anliegen in Sachen FCB ist doppelbödig.
Von Zeit online lässt er sich mit der Auffassung zitieren, dass er die Strukturen der Bayern eigentlich ganz ok findet. Wäre da nicht die andere Position zur Beherrschung oder Nichtbeherrschung von wirtschaftlichen Vereinsablegern, die sich im Zuge der ADAC-Umstrukturierung durchgesetzt hat. Leuschner empfindet das AG München als eine treibende Kraft der Forderung nach "Entherrschung". Er will es nun zwingen, auch in Sachen Fußballverein Farbe zu bekennen – oder idealerweise seine Meinung zu revidieren.
Auch wenn der Zivilrechtler zunächst einige Unruhe in den Vereinsvorständen hervorruft und dadurch als Störenfried erscheinen mag: Sein provokanter Antrag zeigt, welche Konsequenzen die neuere Meinung für viele funktionierende Vereinsstrukturen haben müsste und sorgt damit für hoffentlich baldige Rechtssicherheit.
Leuschner selbst hält den beherrschenden Einfluss des Vereins auf die wirtschaftliche Ausgründung für unbedenklich. Er steht damit auf dem Boden einer älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum ADAC. Meiner Meinung nach hat er Recht. Die "Entherrschung" des ADAC e.V. über seine Töchter war so nicht geboten. Und auch der FC Bayern München wird fortbestehen und die "50+1-Regel" wird halten.
Kein Gesetz verbietet, dass ein Verein Vermögen hat
Kein Gesetz verbietet, dass ein Verein Vermögen hat. § 21 Bürgerliches Gesetzbuch schreibt zwar pauschal vor, dass der Zweck eines Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. In der aktuellen Zinslandschaft wäre es aber nahezu unverantwortlich, Beteiligungen großer Vereine an Gesellschaftsvermögen und insofern unternehmerische Aktivitäten auszuschließen. Die damit verbundene wirtschaftliche Tätigkeit muss dem satzungsmäßigen und wirklich gelebten Vereinszweck aber untergeordnet bleiben. Dieses sog. Nebenzweckprivileg geht auf das sog. ADAC-Urteil des Bundesgerichtshofs zurück (BGH, Urt. v. 29.09.1982, Az. I ZR 88/80).
Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie allein den Hauptzweck finanzieren soll. Vereinszweck des FC Bayern München e.V. ist nach der Satzung die "Durchführung sportlicher Übungen, Schulungen und Leistungen und die Errichtung von Sportanlagen; daneben ist die körperliche und charakterliche Bildung der jugendlichen Mitglieder ein besonderes Anliegen."
Dafür und insbesondere zur Finanzierung der in der Satzung ausdrücklich neben dem Fußballsport vorgesehenen weiteren Sparten wie Basketball, Handball, Schachsport, Sportkegeln und Tischtennis müssen die in der Profiabteilung erzielten Gewinne eingesetzt werden.
Die Jahresgehälter von Neuer und Müller als Investition in die Jugendmannschaft?
Der Verein muss also darauf achten, dass seine Beteiligung an der Gesellschaft regelmäßige Erträge abwirft. Er darf richtigerweise also gar nicht darauf verzichten, ihre Geschicke mitzulenken, sondern muss vielmehr sogar Einfluss auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft zu nehmen.
Ohne Aussicht auf langfristige laufende Einnahmen zugunsten seines Hauptzwecks wäre das Engagement des Vereins in einer als Wirtschaftsunternehmen organisierten Profiabteilung zweckwidrig. Werden Gewinne in Transferzahlungen und Profigehälter wie die von Manuel Neuer oder Thomas Müller investiert, darf das langfristig nicht die Dividende schmälern, die dem Verein für die Amateure, Tischtennisspieler etc. zur Verfügung steht. Die Profiabteilung muss sich knallhart rechnen, gerade auch aus Sicht des Vereins. Aber das ist in der Fußballbundesliga ja nichts Neues.
Es gibt keinen Grund zur Schadenfreude: Was, wenn sich herausstellte, dass die wirtschaftlichen Ausgründungen die "50+1-Regel" ohne massive Einschnitte in die bisherigen Strukturen nicht erfüllen können? Besteht die erste Bundesliga dann demnächst nur noch aus Darmstadt 98, SC Freiburg, Mainz 05 und Schalke? Laut Wikipedia sind diese drei die einzigen Erstligavereine, die bisher auf eine Ausgründung ihrer Profimannschaft verzichten.
Weit gefehlt, das Gegenteil wäre der Fall: Bei diesen Clubs lässt sich der wirtschaftliche Charakter der Vereinstätigkeit überhaupt nicht leugnen. Leuschner hat wohl auch insofern Recht, als er für diese Fälle von "toleriertem Rechtsbruch" spricht.
Der Verfasser Dr. Dirk-Ulrich Otto ist Notarassessor in Leipzig und Autor eines der Standardwerke im Vereinsrecht.
Dirk-Ulrich Otto, Löschung aus Vereinsregister?: Wie mächtig der FC Bayern sein darf . In: Legal Tribune Online, 12.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20553/ (abgerufen am: 17.04.2024 )
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