AfD klagt gegen Verfassungsschutz: "Eilt: Dro­hendes Ereignis am 25. Januar!"

von Hasso Suliak

22.01.2021

Die AfD klagt vor dem VG Köln gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Zum einen wehrt sich die Partei gegen eine bevorstehende Hochstufung zum Verdachtsfall, zum anderen möchte sie Berichte über den sogenannten Flügel unterbinden.

Die AfD klagt nicht nur in Brandenburg gegen die Beobachtung des Landesverbandes durch den Verfassungsschutz. Auch auf Bundesebene möchte sie eine bevorstehende Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verhindern. Die Zeit drängt: Noch am Dienstag hatten mehrere Medien berichtet, dass der Verfassungsschutz plane, die Partei bereits kommende Woche, voraussichtlich am Montag, zum bundesweiten Verdachtsfall zu erklären. Eine solche Einstufung würde dem Verfassungsschutz u.a. den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die Parteimitglieder ermöglichen.

Wie die stellvertretende Pressesprecherin des Verwaltungsgerichts (VG) Köln, Lilo Gerdes, gegenüber LTO bestätigte, gingen beim VG am Donnerstag zwei Klagen der AfD - verbunden mit jeweils einem Antrag auf einstweilige Anordnung - ein. Beklagter ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BfV. Die Schriftsätze liegen LTO vor. Überschrieben sind sie für das Gericht mit dem Hinweis: "BITTE SOFORT VORLEGEN! EILT! Drohendes Ereignis am 25.01.2021 !" Gerichtlich vertreten wird die Partei von der Kölner Kanzlei Höcker.

Neben Klagen und Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz will die AfD kurzfristig auch Zwischenentscheidungen des Gerichts erwirken, die das BfV u.a. von der geplanten Hochstufung zum bundesweiten Verdachtsfall kommende Woche abhalten sollen. Nach Angaben der Gerichtssprecherin plant das VG hierüber bereits am Montag zu entscheiden.

Die eingereichten Klagen der AfD-Bundespartei zielen beide Male auf ein Unterlassen des BfV ab: So richtet sich die erste Klage gegen die vom BfV zu erwartende Hochstufung zum rechtsextremistischen Verdachtsfall und deren Bekanntmachung (Az. 13 K 326/21). Zur Hochstufung zum Verdachtsfall kommt es generell, wenn der Verfassungsschutz zur Überzeugung gelangt, dass ihm hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen.  

Laut Klageantrag der AfD soll das BfV es daher unterlassen, "die Klägerin als 'Verdachtsfall' einzuordnen, zu beobachten, zu behandeln, zu prüfen und/oder zu führen". Außerdem soll es der Behörde untersagt werden, dieses öffentlich bekanntzugeben. Weiter soll der Verfassungsschutz die AfD nicht als "gesicherte extremistische Bestrebung einordnen, beobachten, behandeln, prüfen
und/oder führen" bzw. derartiges öffentlich bekanntgeben. Für den Fall der Zuwiderhandlung soll das Gericht der Bundesrepublik ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro androhen.

BfV soll keine Zahlen über den AfD-Flügel veröffentlichen

Die zweite AfD-Klage befasst sich mit der Berichterstattung und Nennung von Mitgliederzahlen des sogenannten Flügels der Partei (Az. 13 K 325/21). Hierbei handelt sich um eine Gruppierung ultrarechter AfD-Mitglieder, die seinerzeit vom thüringischen AfD-Politiker Björn Höcke gegründet worden war. Den Flügel hatte der Verfassungsschutz bereits im März 2020 zum Beobachtungsfall im Bereich Rechtsextremismus eingestuft. Kurze Zeit später hatte sich die Gruppierung - auch auf Drängen mehrerer AfD-Funktionäre – vermeintlich aufgelöst. Im Verfahren vor dem VG Köln möchte die AfD nun erreichen, dass das BfV Angaben über aus ihrer Sicht viel zu hochgegriffene Mitgliederzahlen im Zusammenhang mit dem Flügel unterlässt.  

Laut Klageschrift soll das Bundesamt u.a. nicht mehr öffentlich bekanntgeben, dass "die Mitgliederzahl des sog. 'Flügel' bis zur sog. 'Auflösung' zum 30.04.2020 'etwa 7.000 Mitglieder'" betragen habe. Auch die Behauptung, dass der Flügel weiterhin über "etwa 7.000 Mitglieder" verfüge, soll dem Verfassungsschutz untersagt werden.  In der Begründung heißt es hierzu: "Dieser Wert ist völlig aus der Luft gegriffen und nicht im Ansatz durch Fakten – wie vom Bundesverfassungsschutzgesetz gefordert – belegt."

Um möglichst zeitnah und sogar noch vor den Entscheidungen über den einstweiligen Rechtsschutz (Az. 13 L 105/21 und 13 L 104/21) in beiden Komplexen das BfV vor entsprechenden Schritten abzuhalten, hat die AfD außerdem zwei Anträge eingereicht, die noch Anfang kommender Woche das VG zu zwei Zwischenentscheidungen veranlassen wird. "Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Rechtsverletzungen und dem damit verbundenen, nicht wiedergutzumachenden Schaden für die Antragstellerin, aber auch für den bundesdeutschen demokratischen Willensbildungsprozess, wird zudem gemäß Art. 19 Abs. 4 GG beantragt, die Antragsgegnerin unverzüglich zur Abgabe einer Stillhaltezusage aufzufordern, hilfsweise einen entsprechenden Hängebeschluss zu erlassen", heißt es hierzu im Klageschriftsatz.

Wie die Gerichtsprecherin bestätigte, wird das VG daher im Rahmen einer Folgenabwägung bereits am Montag u.a. darüber vorab entscheiden, ob das BfV vorläufig verpflichtet werden kann, zunächst von einer Hochstufung der AfD als Verdachtsfall abzusehen.

AfD befürchtet Nachteile bei anstehenden Wahlen und Verlust von Mitgliedern  

Berichte über eine anstehende bundesweite Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz gibt es bereits seit Dezember. Die AfD sieht sich durch die öffentlich bekannt gemachte Hochstufung zum Verdachtsfall u.a. in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) verletzt. 

Eine Hochstufung hätte laut AfD "eine negative Abschreckungswirkung" und zahlreiche Nachteile für sie zur Folge. "Immerhin dürfte die Beklagte/Antragsgegnerin sodann nachrichtendienstliche Mittel gegen eine Oppositionspartei einsetzen", heißt es im Schriftsatz. Die nach Ansicht der Partei mit der drohenden Einstufung als Verdachtsfall und Veröffentlichung eintretenden Verletzungen v.a. der Art. 3, 21 GG und v.a. Art. 11 EMRK (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) seien "äußerst schwerwiegend, da die gezielte Einflussnahme zulasten von politischen Parteien einen massiven Eingriff in die grundgesetzliche Konzeption des Art. 21 GG darstellt und die Grundpfeiler des demokratischen parlamentarischen Rechtsstaates in Frage stellt". 

Der Partei drohten "unzumutbare Nachteile", wie etwa der Verlust von Mitgliedern. "Insbesondere solchen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind". Außerdem drohe der Rückgang von Wählerstimmen sowie ein Rückgang der finanziellen Mittel aus Beiträgen, Spenden und staatlicher Parteienfinanzierung.

Zitiervorschlag

AfD klagt gegen Verfassungsschutz: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44074 (abgerufen am: 09.11.2024 )

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