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Nach Haldenwang-Aus und vorgezogenen Neuwahlen: Wird der Bun­destag noch über ein AfD-Ver­bots­ver­fahren abstimmen?

von Joschka Buchholz

13.11.2024

Deutscher Bundestag

Seit 2017 sitzt die AfD, jeweils mit knapp zweistelligen Wahlergebnissen, im Deutschen Bundestag. Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Deutschland befindet sich in einer Regierungskrise. Kontrovers diskutierte Vorhaben bleiben da womöglich auf der Strecke, so etwa auch der Antrag einiger Abgeordneter auf ein AfD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.

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In der deutschen Politik herrscht nach dem Ampel-Aus große Unsicherheit. Zwar konnte sich mittlerweile auf einen Neuwahltermin geeinigt werden, dem wohl am 11. Dezember die Vertrauensfrage vorausgehen wird. Doch ansonsten stehen hinter vielen unerledigten politischen Angelegenheiten große Fragezeichen. Das gilt auch für ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD, welches seit Langem kontrovers diskutiert wird.

Eine Abgeordneteninitiative hat sogar einen Antrag auf ein Verbotsverfahren gegen die AfD vorbereitet, doch die vorgezogenen Neuwahlen und das damit indirekt verbundene Aus von Thomas Haldenwang als Präsident des Bundesamtes für Verfassungschutz (BfV) könnten hierauf nun unerwartet entscheidenden Einfluss nehmen. Denn eigentlich wollten die beteiligten Parlamentarier abwarten, bis das BfV planmäßig bis Jahresende ein neues Gutachten zur AfD vorgelegt haben würde. Das war mit der Erwartung einer "Hochstufung" verbunden: Wenn die AfD als Gesamtpartei von den Verfassungsschützern als "gesichert extremistische Bestrebung" eingestuft werden würde, könnte dies ein Parteiverbotsverfahren jedenfalls mittelbar erleichtern.

Aus einer solchen Hochstufung wird aber nach übereinstimmenden Berichten von Spiegel und Tagesschau nichts mehr. Denn der Neubewertung der AfD durch das BfV steht nun das Mäßigungsgebot aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen entgegen. Die Einstufung einer Partei als extremistisch ist politisch sehr bedeutsam und mitunter wahlentscheidend. Die ehemalige BfV-Vizepräsidentin und heutige Berliner Justizsenatorin, Felor Badenberg (CDU), sagte der Tagesschau dazu: "Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung müssen Staatsorgane unmittelbar vor Wahlen alles unterlassen, was in irgendeiner Art und Weise geeignet ist, Einfluss auf die politische Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger zu nehmen". Insoweit bestehe ein "Gebot äußerster Zurückhaltung der Verpflichtung des Staates zur Neutralität", so Badenberg weiter.

Schon 2021, als die AfD sieben Monate vor der Bundestagswahl als Verdachtsfall eingestuft worden war, war das Timing einer möglichen Einstufung der AfD als Verdachtsfall hochbrisant. Befasst mit der Frage, ob die AfD als "gesichert extremistisch" eingestuft werden darf, zeigte sich das Verwaltungsgericht Köln damals über das Bekanntwerden der Einstufung als Verdachtsfall "maximal verstimmt", wie Dr. Markus Sehl für LTO hier beim erstinstanzlichen Verfahren zur letztlich auch aus Sicht des OVG NRW rechtmäßigen Beobachtung der AfD ausführlich rekapitulierte. Ob das Bundesverwaltungsgericht letztlich darüber entscheiden wird, ist zurzeit noch nicht bekannt.

BfV-Präsident wird kurzfristig zum Wahlkämpfer

Wie LTO bereits am Dienstag berichtete, wechselt der bisherige BfV-Präsident Thomas Haldenwang – dem Vernehmen nach selbst für große Teile der CDU-Bundestagsfraktion – einigermaßen überraschend vom BfV-Chefposten direkt in den CDU-Bundestagswahlkampf. Seit Mittwoch auch klar, dass dies ab sofort gilt. Heißt: Der Verfassungsschutz wird nunmehr von seinen beiden Vizepräsidenten geleitet. Sinan Selen und Silke Willems führen vorübergehend die Amtsgeschäfte. Darüber wurden die Mitglieder des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am Mittwoch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) informiert, wie ein BMI-Sprecher mitteilte.

"Das bisherige Amt des BfV-Präsidenten gilt es klar zu trennen von einer Kandidatur für den Deutschen Bundestag", sagte der Sprecher. Haldenwang habe das BfV aus Sicht von Faeser umsichtig geführt und angesichts der erheblich verschärften Bedrohungslagen durch islamistischen Terrorismus, durch die russische Aggression sowie durch Rechts- und Linksextremismus eine wichtige und erfolgreiche Arbeit geleistet. Gleichwohl berichtet Bild, Haldenwang sei von Faeser nun "abgesägt" worden. Ohnehin sei er wegen seiner aktiven Teilnahme an öffentlichen Debatten und geringem Ansehen bei den internationalen Partnern schon länger umstritten gewesen.

Zu einer möglichen Nachfolge machte Faeser nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung keine Angaben. Fraglich ist hier insbesondere, ob die Benennung der Nachfolge kurz vor der geplanten Neuwahl des Bundestages noch sinnvoll wäre. Haldenwang war nach dem Ausscheiden von Hans-Georg Maaßen 2018 von Faesers Vorgänger im Amt, Horst Seehofer (CSU), zum BfV-Präsidenten ernannt worden.

Verbotsverfahrensantrag eingereicht, aber vielleicht keine Abstimmung

Nichtsdestotrotz haben die Befürworter eines AfD-Verbotsverfahrens um den CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz ihren entsprechenden Antrag am Mittwoch eingebracht. Das ZDF hatte zuerst berichtet. Wanderwitz zufolge hat der Antrag 113 Unterstützer aus verschiedenen Fraktionen, zu denen unter anderem auch Carmen Wegge (SPD), Till Steffen (Grüne), Martina Renner (Linke) und Stefan Seidler (SSW) zählen.

Das Ziel der Gruppe ist es, dass der Bundestag noch vor der Neuwahl einen entsprechenden Beschluss fasst, ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Gang zu setzen.

Das BVerfG verbietet auf Antrag eine Partei gemäß Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz (GG), wenn diese verfassungswidrig ist. Das ist der Fall, wenn sie "nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden". Dabei bedeutet "darauf ausgehen" aus Sicht des Zweiten Senats, dass es neben verfassungsfeindlichen Ansichten, Bestrebungen und Zielen konkrete Anhaltspunkte dafür geben muss, dass diese Ziele auch erreicht werden könnten (sogenannte Potentialität).

Der Bundestag hat vor Weihnachten noch zwei Sitzungswochen, ebenso jeweils im Januar und Februar. Wanderwitz betont insoweit, man habe ein Aufsetzungsrecht, eine Plenardebatte werde es auf jeden Fall in dieser Legislaturperiode noch geben. Ob es auch zu einer Abstimmung komme, sei indes offen.

Mit Materialien der dpa

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Nach Haldenwang-Aus und vorgezogenen Neuwahlen: . In: Legal Tribune Online, 13.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55856 (abgerufen am: 17.11.2025 )

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