AfD-Mitglied zum Parteiprogramm: "Die der­zei­tige Euro­po­litik ist anti­eu­ro­päisch"

Interview mit Prof. Dr. Michael J.J. Brück, LL.M.

29.04.2013

2/2: "Das Subsidiaritätsprinzip muss wieder ernst genommen werden"

LTO: Aber die AfD hält nur die Währungsunion für gescheitert?

Brück: Natürlich. Man muss sich allerdings die Frage stellen, wie eine vernünftige Integration auf europäischer Ebene in Zukunft aussehen kann, wenn es keine Währungsunion mehr gibt. Und dabei muss man beantworten, wie viel Integration wir eigentlich wollen.

LTO: Und wie viel Integration will die AfD?

Brück: Vor allem wünschen wir uns mehr Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung, die derzeit beim europäischen Integrationsprozess überhaupt nicht mitgenommen wird. Das Bundesverfassungsgericht hat ja auch in seiner Entscheidung zum Lissabon-Vertrag klar gemacht, dass bei einer weiteren Übertragung von wichtigen Souveränitätsrechten wohl eine Volksabstimmung nötig werden wird. Die Einführung von Elementen der direkten Demokratie halten wir zumindest für grundlegende gesellschaftliche Fragen ohnehin für richtig.

LTO: Was wären solche grundlegenden Fragen? Und inwieweit sind Forderungen nach Volksabstimmungen auf nationaler Ebene realistisch vor dem Hintergrund, dass ja bereits jetzt viele Kompetenzen nach Brüssel abgewandert sind?

Brück: Alle Fragen, die unsere staatliche Gemeinschaft in ihren Spielregeln des Zusammenlebens und unsere demokratischen Rechte insbesondere betreffen, sind grundlegend. Man wird hier natürlich Kompetenzen von Brüssel wieder zurückfordern. Unseres Erachtens sollten nicht nur keine weiteren Gesetzgebungskompetenzen übertragen, sondern insbsondere dort zurück gefordert werden, wo das  Subsidiaritätsprinzip in der Vergangenheit verletzt wurde.

LTO: In welchen Bereichen zum Beispiel?

Brück: In vielen Fällen wie der Krümmung der Gurke und dem Durchmesser von Äpfeln ist es schlicht nicht notwendig für einen funktionierenden Binnenmarkt, Regelungen auf europäischer Ebene zu schaffen. Dies steht ja nur exemplarisch für die Tatsache, dass heute um die 80 Prozent der Gesetzgebungsinitiativen auf europäischer Ebene starten. Die Frage nach der Notwendigkeit ist in der Vergangenheit zu wenig gestellt worden. Das Subsidiaritätsprinzip steht schon lange in den Verträgen, ist aber nicht richtig ernst genommen worden. Dieser Fehler muss korrigiert werden.

"Familien- statt Ehegattensplitting – auch für eingetragene Lebenspartnerschaften"

LTO: Für welche Positionen außerhalb der Währungs-  und Europapolitik steht die AfD? Nach eigenen Angaben unter anderem "für den Schutz der Familie als Keimzelle der Gesellschaft". Was genau bedeutet das? Wie steht sie zum Beispiel zur derzeit viel diskutierten Gleichstellung Homosexueller?

Brück: Wir wollen eine gezielte Förderung der Familien. So möchten wir auch ein Familiensplitting einführen. Die Förderung soll dort ansetzen, wo Kinder sind. Wenn Sie nun das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption hinzunehmen, ergibt sich daraus auch die Einbeziehung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, die Kinder haben.

LTO: Wie steht die AfD zur Frauenquote, wie zum Betreuungsgeld? Was hat die Partei vor, damit Frauen zukünftig eine größere Rolle in der Wirtschaft spielen?

Brück: Es gibt noch keine parteiweite Positionierung zu diesen Fragen. Wir sind ja gerade zwei Wochen alt. Wir haben bislang einige gesellschaftliche Fragen herausgegriffen, die wir für besonders wichtig halten. Dazu gehört, und das geht in der öffentlichen Diskussion manchmal zu sehr nter, neben der Eurorettung, die wir für falsch halten, auch das Thema der Rechtsstaatlichkeit. Auch die EU soll eine Rechtsgemeinschaft sein. Dann müssen deren Normen und Gesetze eingehalten werden, was bei der No-bail-out-Klausel zum Beispiel nicht der Fall war.

Es schockiert uns, dass man die demokratischen Spielregeln verletzt, sich bei der Zypern-Hilfe nicht an die Regeln des ESM hält und die Abgeordneten zur Abstimmung über hochkomplexe Themen jagt, über die sie sich gar nicht angemessen informieren und beraten können innerhalb der kurzen Frist, die man ihnen dazu gibt. Gegen diese Entwicklung wollen wir uns wenden. Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip müssen beachtet werden – auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene.

"Nie rechten Parolen begegnet"

LTO: Unabhängig vom Parteiprogramm ist es kein Geheimnis, dass mehrere Mitglieder und Förderer der AfD mit rechten Gruppen in Verbindung gebracht werden. Halten Sie es zum Schutz gegen eine Radikalisierung der Partei von rechts für ausreichend, dass ehemalige NPD- und DVU-Mitglieder nicht aufgenommen werden? Wie will die Partei sicherstellen, dass sie von derartigen ehemaligen Mitgliedschaften überhaupt erfährt?

Brück: Ehemalige Mitglieder extremer Parteien werden bei uns nicht aufgenommen. Wir fragen beim Beitritt danach und prüfen dies. Wer das angibt, kommt nicht rein, wer falsche Angaben macht, wird nachträglich aus der Partei ausgeschlossen. Das ist auch Aufgabe der Schiedsgerichte der Partei.

Es gibt einen Selbstreinigungsmechanismus, den wir auch sehr ernst nehmen. Und nach vielen Treffen, an denen ich teilgenommen habe, kann ich Ihnen versichern, dass mir zu keinem Zeitpunkt rechte Parolen oder Leute begegnet sind, die sich unangemessen geäußert hätten. Im Gegenteil, es geht bei der AfD sehr gesittet zu.

Wir haben Zulauf von allen möglichen Parteien aus dem demokratischen Spektrum, auch ehemalige Mitglieder der SPD und der Linken sind vertreten. Wo liegt das Problem, wenn eine aus der Mitte der Gesellschaft entstehende bürgerliche Kraft eine Ausstrahlwirkung über die gesamte politische Landschaft entfaltet? Dass wir eine besondere Wirkung nach rechts hätten, kann ich schlicht nicht bestätigen.

LTO: Herr Professor Brück, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Prof. Dr. Michael J.J. Brück, LL.M. ist Rechtsanwalt und Attorney at Law (New York) bei Sidley Austin LLP am Standort Frankfurt. Bis Ende 2012 lehrte er als Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschafts-, Handels- und Steuerrecht an der German Graduate School of Management and Law in Heilbronn und war seit November 2006 Akademischer Direktor für Wirtschaftsrecht.

Das Interview führte Pia Lorenz.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Michael J.J. Brück, LL.M., AfD-Mitglied zum Parteiprogramm: "Die derzeitige Europolitik ist antieuropäisch" . In: Legal Tribune Online, 29.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8625/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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