Mit Klage und Eilverfahren zum BVerfG: Durfte AfD-Vor­sit­zender im Recht­aussau­schuss abge­wählt werden?

von Hasso Suliak

10.02.2020

Im Bundestag wurde Stephan Brandner wegen umstrittener Beiträge auf Twitter als Vorsitzender im Rechtsausschuss abgewählt. Dagegen reichte die AfD-Fraktion jetzt Organklage, verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung ein.

Die AfD-Bundestagsfraktion zieht gegen die Abwahl ihres früheren Rechtsausschuss-Vorsitzenden Stephan Brandner nach Karlsruhe. Wie ein Pressesprecher des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am Montag gegenüber LTO bestätigte, ging dort am Freitag sowohl eine Organklage als auch eine Einstweilige Anordnung (Az. 2 BvE 1/20) gegen die Abberufung Branders ein. Mit dem einstweiligen Rechtsschutz will die AfD erreichen, Brandner noch vor Ablauf der aktuellen Legislaturperiode zurück auf seinen alten Posten als Ausschussvorsitzenden zu hieven.

Verfasser des eingereichten Schriftsatzes ist der Staats- und Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Michael Elicker, Privatdozent von der Saarland-Universität in Saarbrücken. In Sachen Prozessvertretung der AfD ist Elicker kein Unbekannter. Er vertrat die Partei seinerzeit vor dem Verfassungsgerichtshof in Sachsen, als es um die zulässige Anzahl der AfD-Listenkandidaten zur Landtagswahl in Sachsen im September 2019 ging.

Mehrfach hatte der AfD-Abgeordnete und frühere Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Stephan Brandner, mit Twitter-Äußerungen für Unmut gesorgt. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich ein Tweet des 53-Jährigen Juristen, in dem er die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den AfD-kritischen Rocksänger Udo Lindenberg mit der Bemerkung "Judaslohn" kommentierte. Der Rechtsausschuss zog am 13. November die Konsequenzen und wählte den AfD-Politiker als Vorsitzenden des Gremiums ab – ein einmaliger Vorgang in 70 Jahren Parlamentsgeschichte.

Mit Ausnahme der AfD-Abgeordneten stimmten dabei alle Ausschussmitglieder für einen Abberufungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Vertreter der antragstellenden Fraktionen hatten erklärt, Brandner habe weder menschlich noch politisch die notwendige Eignung für den Vorsitz im Rechtsausschuss und sei in dieser Funktion nicht tragbar. Obwohl der Fraktion unbestrittenermaßen der Vorsitz des Gremiums parlamentarisch zusteht, benannte die AfD seither noch keinen Nachfolger für Brandners. Geführt wird das Gremium derzeit kommissarisch von Brandners bisherigem Stellvertreter Heribert Hirte (CDU*).

Darf der Ausschuss seinen Vorsitzenden einfach absetzen?

Wie der rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Roman Reusch, nunmehr auf Nachfrage von LTO sagte, wird die Klage der AfD-Fraktion im Wesentlichen damit begründet, dass mit der Abwahl Brandners gegen verfassungsrechtlich garantierte Fraktionsrechte aus Art. 38 Abs.1 Satz 2 Grundgesetz (GG), namentlich dem Recht auf Gleichbehandlung als Fraktion sowie dem Recht auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung (GO-BT) des Deutschen Bundestages sowie gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Abs. 3 GG folgende Recht auf effektive Opposition verstoßen wurde. "Herr Brandner hätte niemals abgewählt werden dürfen, da die GO-BT hierfür keine Rechtsgrundlage vorsieht", so Reusch. Weder eine "Wahl" noch die "Abwahl" eines Ausschussvorsitzenden sehe die GO-BT vor.

Der Geschäftsordnungs-Ausschuss im Bundestag hatte seinerzeit dem Rechtsausschuss "grünes Licht" für eine Abwahl Brandners gegeben und eine solche als von der GO-BT gedeckt gesehen. Als Begründung wurde auf das Argument des "actus contrarius" zurückgegriffen: Da Brandner seinerzeit im Gremium mit Mehrheit gewählt worden sei, sei es im Gegenschluss auch zulässig, dass er vom selben Gremium aus wichtigen Gründen auch mit Mehrheit abgewählt werden dürfe. In der GO-BT ist allerdings von "Wahlen" der Ausschussvorsitzenden keine Rede. In § 58 der GO-BT heißt es vielmehr: "Die Ausschüsse bestimmen ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreter nach den Vereinbarungen im Ältestenrat."

In ihrem Schriftsatz moniert die AfD-Fraktion nunmehr eine Verletzung ihrer parlamentarischen Minderheitenrechte als Oppositionsfraktion. Der Schriftsatzverfasser für die AfD-Fraktion, Elicker, gab sich im Hinblick auf das Verfahren in Karlsruhe betont zuversichtlich: "Unsere Rechtsauffassung steht im völligen Einklang mit der juristischen Literatur". Elicker betonte gegenüber LTO auch die Notwendigkeit, die Organklage mit einer einstweiligen Anordnung zu versehen: "Das ist zwar eher unüblich, aber hier nicht nur zulässig, sondern auch dringend geboten." Es gehe darum, der AfD-Fraktion "möglichst schnell" wieder "essentielle Oppositionsrechte" zu gewähren.

*Parteizugehörigkeit korrigiert am 11.02., 09:47 Uhr

Zitiervorschlag

Mit Klage und Eilverfahren zum BVerfG: Durfte AfD-Vorsitzender im Rechtaussauschuss abgewählt werden? . In: Legal Tribune Online, 10.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40221/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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