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Bundesregierung beschließt Änderung der Außenwirtschaftsordnung: Ber­liner Pro­tek­tio­nismus?

von Dr. Rolf Hempel

14.07.2017

Investoren aus China (Symbol)

 © corlaffra - stock.adobe.com

Eine am Mittwoch von der Regierung beschlossene Verordnung stellt klar, in welchen Fällen das BMWi den Erwerb deutscher Unternehmen durch Nicht-EU-Ausländer prüfen und ggf. untersagen kann. Was es damit auf sich hat, erläutert Rolf Hempel.

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Verbote von Übernahmen durch ausländische Unternehmen konkretisiert

Die sogenannte sektorübergreifende Prüfung des Erwerbs inländischer Unternehmen durch Nicht-EU-Ausländer wurde bereits im Jahr 2009 eingeführt. Einzug in die öffentliche Debatte fand sie in letzter Zeit im Zusammenhang mit größeren Übernahmen deutscher durch chinesische Unternehmen.

Die Regelungen hierzu finden sich in der Außenwirtschaftsverordnung und geben dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in ihrer bisherigen Form die Befugnis, zu prüfen, ob durch den Erwerb deutscher Unternehmen durch Nicht-EU-Ausländer die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet wird. Will das Ministerium den Unternehmenserwerb prüfen, muss es den Käufer innerhalb von drei Monaten nach dem Abschluss des Vertrages über die Verfahrenseinleitung informieren. Nach der Einreichung der für die Prüfung erforderlichen Unterlagen hat das Ministerium dann zwei Monate für den Abschluss der Prüfung und den gegebenenfalls erforderlichen Erlass einer Untersagungsentscheidung.

Für den Käufer besteht jedoch die Möglichkeit, beim Ministerium bereits vorab eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Transaktion einzuholen. Über einen entsprechenden Antrag musste das Ministerium binnen eines Monats entscheiden. Diese Frist entspricht derjenigen für das Bundeskartellamt im Fusionskontrollverfahren. Die Anwendung der Prüfungs- und Untersagungskriterien auf den konkreten Einzelfall ist zwar nicht immer einfach. Wegen der Möglichkeit der Unbedenklichkeitsbescheinigung ergaben sich hieraus allerdings in der Regel keine praktischen Probleme für die Unternehmen.

Verbot möglich, wenn Unternehmen zur "kritischen Infrastruktur" zählen

 

Mit der am Mittwoch erlassenen Änderungsverordnung konkretisiert die Bundesregierung das Prüfungs- und Untersagungskriterium deutlich. Sie nennt fünf Regelbeispiele, in denen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet sein können. In drei der fünf Regelbeispiele nimmt sie auf den Begriff der "Kritischen Infrastruktur" Bezug, der seinerseits im Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik definiert und durch eine Ausführungsverordnung zu diesem konkretisiert wird.

Für die Prüfung des Erwerbs inländischer Unternehmen durch Nicht-EU-Ausländer bedeutet das im Klartext:

Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit kann vorliegen, wenn das Zielunternehmen Betreiber einer Kritischen Infrastruktur ist. Kritische Infrastrukturen sind Einrichtungen in den Sektoren Energie, Informationstechnik, Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, aber auch Ernährung und Finanz- und Versicherungswesen, die von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind. Die neue Verordnung definiert diese kritischen Infrastrukturen näher, auch anhand von Schwellenwerten wie beispielsweise der Netto-Nennleistung einer Stromerzeugungsanlage, der gewonnenen Wassermenge aus einem Brunnen oder der Menge der auf einer Produktionsanlage hergestellten Lebensmittel.

Auch Softwareentwickler und IT-Dienstleister können betroffen sein

Ein weiteres Regelbeispiel betrifft Software-Entwicklungsunternehmen. Wann eine Übernahme in diesem Bereich der besonderen Prüfung bedarf, wird in der Änderungsverordnung durch nähere Umschreibung der Software präzisiert. Unter das Regelbeispiel fallen beispielsweise Unternehmen, die Software für die Stromnetzsteuerung, die Telefonnetzsteuerung, den Betrieb von kartengestützten Zahlungssystemen oder auch für Krankenhausinformationssysteme anbieten.

Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit kann auch vorliegen, wenn ein Cloud-Computing-Diensteanbieter erworben werden soll. Voraussetzung hierfür ist die Nutzung von Infrastruktur ab einer bestimmten Größe. Das Regelbeispiel zielt auf den Schutz von – beispielsweise verteidigungs- und sicherheitskritischen – Daten.

Weitere Regelbeispiele betreffen Unternehmen, die mit Überwachungsmaßnahmen nach dem Telekommunikationsgesetz betraut sind sowie Schlüsselunternehmen der Telematikinfrastruktur. Mit Telematikinfrastruktur ist das digitale Kommunikationsnetz zur Verbindung aller Beteiligten im Gesundheitswesen gemeint.

Die Änderungen dürften abschreckende Wirkung auf Investoren haben

2/2: Längere Fristen und Meldepflicht

Die Änderungsverordnung sieht zudem eine Verlängerung von Prüfungsfristen vor: So wird die Frist für die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung von einem auf zwei Monate verlängert. Damit wird der für die Transaktionsplanung praktische Gleichlauf mit der Frist für das Bundeskartellamt für eine Freigabe in der ersten Prüfungsphase beseitigt. Weiterhin wird die Frist für die umfassende Prüfung durch das Ministerium von zwei auf vier Monate verlängert und ein Fristhemmungstatbestand eingeführt.

Die bisher schon in der Verordnung enthaltene Regelung zur Erfassung von Umgehungsversuchen wird präzisiert.

Für Fälle der oben beschriebenen Regelbeispiele wird durch die Änderungsverordnung eine Meldepflicht eingeführt. Das Ministerium ist in diesen Fällen für die Kenntniserlangung nicht mehr auf etwaige Anträge auf Unbedenklichkeitsbescheinigung oder Auswertungen der Presse angewiesen.

Die Änderungsverordnung sieht schließlich Änderungen im Bereich der sektorspezifischen Prüfung von Unternehmenserwerben (Rüstungsbetrieben) vor.

Auswirkungen der Neuregelung

Die Auswirkungen der Neuregelung lassen sich nicht klar abschätzen. Im Ergebnis dürfte sie aber wohl eine gewisse Abschreckungswirkung für ausländische Investoren mit sich bringen. Zwar wird durch die Neuregelung die bisherige Rechtslage nur konkretisiert und nicht verschärft. Das Ministerium hätte in Fällen, die Kritische Infrastrukturen betreffen, schon nach bisherigem Recht untersuchen und untersagen können. Dies mag in der Vergangenheit wegen Unklarheit der Rechtslage unterblieben sein. Vor diesem Hintergrund wird in Zukunft mit mehr Untersagungen zu rechnen sein. Die Bundesregierung hat in der Verordnungsbegründung festgehalten, dass sie selbst pro Jahr von fünf zusätzlichen umfassenden Prüfungsverfahren und von zwei zusätzlichen Verhandlungen mit Transaktionsparteien über Maßnahmen zur Abwendung einer Untersagung ausgeht.

Trotz der beschriebenen Abschreckungswirkung für ausländische Investoren ist die Neuregelung im Ergebnis wohl zu begrüßen. Die Konkretisierung des Prüfungskriteriums erhöht die Rechtssicherheit für die Transaktionsparteien, die künftig leichter erkennen können, in welchen Fällen sie sich auf eine Prüfung durch das Ministerium einstellen müssen.

Der Autor Dr. Rolf Hempel ist Kartellrechtler und Partner bei CMS in Deutschland.

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Dr. Rolf Hempel, Bundesregierung beschließt Änderung der Außenwirtschaftsordnung: Berliner Protektionismus? . In: Legal Tribune Online, 14.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23469/ (abgerufen am: 30.03.2023 )

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