Zehntausende Internetnutzer sind in den vergangenen Jahren auf die immer größer werdende Anzahl von Abofallen im Internet hereingefallen. Ernsthafte Konsequenzen hatten die Betreiber bislang nicht zu befürchten. Das OLG Frankfurt hat nun allerdings entschieden, das derartige Angebote mit versteckten Preishinweisen als gewerbsmäßiger Betrug einzustufen sind.
Das Geschäftsmodell ist ebenso dreist wie erfolgreich. Abofallen im Internet erwecken den Anschein der Unentgeltlichkeit, um Internetnutzer zur Eingehung ungewollter Zahlungsverpflichtungen zu verlocken. Sie geben sich als kostenlose Routenplaner, Gratis-Rezeptsammlungen oder Freeware-Datenbanken aus. Wer im Glauben an die Unentgeltlichkeit seine persönlichen Daten zur Registrierung eingibt, ahnt noch nichts Böses.
Wenige Tage darauf bekommt es der Betroffene mit der gut geölten Einschüchterungsmaschinerie der Online-Abzocker zu tun. Mahnbriefe, Inkassofirmen und dubiose Rechtsanwälte drohen mit Schufa-Einträgen und angeblich kostenintensiven Gerichtsverfahren, falls die Forderungen nicht umgehend beglichen werden. Rechtlich sind die Ansprüche unbegründet, dennoch lassen sich viele Opfer durch die intensiven Drohungen einschüchtern und zahlen die geforderten Geldbeträge.
Die finanziellen Schäden sind immens
Nicht nur Verbraucher sind von den betrügerischen Machenschaften der Abofallen-Betreiber betroffen. Gerade bei den so genannten Download-Fallen erleiden Softwarehersteller einschließlich der OpenSource-Entwickler einen Imageschaden, da die betroffenen Opfer häufig undifferenziert auch die Hersteller der als Lockmittel missbrauchten Freeware für ihren Schaden verantwortlich machen.
Auch Banken werden wegen der Nutzung ihrer Konten durch Abofallen-Betreiber oder Inkassofirmen von aufgebrachten Kunden zu Unrecht mit dem Internetbetrug in Verbindung gebracht. Betroffene Softwarehersteller können sich jedoch – gestützt auf das Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht – gerichtlich gegen die Betreiber wehren. Ebenso haben die Gerichte Kontokündigungen durch die Banken durchweg gutgeheißen.
Die durch die Abofallen entstehenden finanziellen Schäden sind erheblich. Das LG München (Urt. v. 12.05.2009, Az. 28 O 398/09) stellte in einem Verfahren fest, dass bei einer für einen Abofallen-Betreiber tätige Inkassoanwältin im Zeitraum von nur sechs Monaten rund 2,2 Mio. Euro durch ca. 25.000 Einzelüberweisungen eingegangen waren.
Keine Täuschungshandlung, meinte das Landgericht
Dennoch haben weder Gesetzgeber noch Rechtsprechung der Internet-Abzocke in der gebotenen Klarheit eine Grenze gesetzt. Engagierte Verbraucherschützer konnten zwar Punktsiege erreichen, und die Neufassung des § 312d Bürgerliches Gesetzbuch erleichterte es den Opfern, sich von ungewollten vertraglichen Verpflichtungen freizumachen. Insgesamt müssen die bisherigen Gegenmaßnahmen den Betreibern als bloße Nadelstiche vorgekommen sein, denn den immensen Zahlungseingängen auf ihren Konten konnten sie keinen Abbruch tun. Ob die von der Bundesregierung geplante "Button-Lösung" eine Wende bringen wird, bleibt abzuwarten.
Fest steht: Es hätte nie soweit kommen dürfen. Schon frühzeitig hatte eine Frankfurter Staatsanwältin in mühevoller Einzelarbeit hunderte von Strafanzeigen abgearbeitet, um die Betreiber mehrerer Abofallen wegen gewerbsmäßigen Betrugs anzuklagen. Eine Strafkammer des Landgerichts (Beschl. v. 05.03.2009, Az. 5/27 Kls 12/08) lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens jedoch ab.
Was für die Betroffenen auf der Hand lag, vermochte das Gericht nicht zu erkennen: Es vertrat die Auffassung, die Internetnutzer seien nicht getäuscht worden, denn es gäbe keinen Grundsatz, nach dem man bei Dienstleistungen auf den ersten Blick erkennen müsse, dass es sich um ein kostenpflichtiges Angebot handele. Der durchschnittliche Nutzer, so die Kammer, habe gerade bei der Eingabe seiner persönlichen Daten besonders aufmerksam sein müssen. Eine konkludente Täuschung der Verbraucher konnte das Gericht daher nicht erkennen.
Abschreckende Wirkung der Sanktionierung kommt für viele zu spät
Eine Fehlentscheidung, wie das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (Beschl. v. 17.12.2010, Az. 1 Ws 29/09) auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin nun feststellte. Mit klaren Worten stellten die Richter des 1. Strafsenats in ihrer Entscheidung unter Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung klar, dass weder die Leichtgläubigkeit des Opfers noch die Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung die Schutzbedürftigkeit des potentiellen Opfers und damit eine Täuschung ausschließt.
Eine betrugsrelevante Täuschung, so das OLG, könne grundsätzlich auch dann gegeben sein, wenn der Erklärungsempfänger bei sorgfältiger Prüfung den wahren Charakter der Erklärung hätte erkennen können. Die Entscheidung räumt auf mit den Schutzbehauptungen der Abofallen-Betreiber.
Mit fast zwei Jahren Verzögerung werden die Betreiber von Abofallen nun mit einiger Wahrscheinlichkeit wegen gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt und müssen mit Freiheitsstrafen von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren rechnen. Die abschreckende Wirkung dieser Sanktionen kommt denkbar spät, viele Ermittlungsverfahren sind aufgrund der bisher unklaren Rechtslage nicht zur Anklage gekommen. Umso erfreulicher ist, dass nun auch die Internet-Abzocker den Preis für ihr betrügerisches Geschäftsmodell zu zahlen haben.
Daniel Hövel und Hauke Hansen sind Rechtsanwälte mit Schwerpunkt gewerblicher Rechtsschutz/IT, Prozesse und Konfliktlösung bei FPS Rechtsanwälte & Notare in Frankfurt.
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Hauke Hansen und Daniel Hövel, Abofallen im Internet: . In: Legal Tribune Online, 13.01.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2326 (abgerufen am: 14.10.2024 )
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