Normalerweise mahnen Anwälte für ihre Mandanten Filesharer ab. Nun aber hat eine renommierte Hamburger Kanzlei, die unter anderem dafür bekannt ist, für Pornoproduzenten massenhaft etwaige Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen abzumahnen, den Verantwortlichen des Forums "abmahnwahn-dreipage" abgemahnt. Zu Unrecht in die "Porno-Abmahnecke" gedrängt? Wohl kaum, meint Christian Solmecke.
Eine Hamburger Kanzlei, die nach eigenen Angaben einige Unternehmen aus der Erotik- und Filmindustrie vertritt und zu deren Tätigkeit es unter anderem gehört, für diese nach Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing Abmahnungen zu versenden, will nicht namentlich in einem Forum unter dem Titel "Abmahnungen von …" im Netz genannt werden.
Auch gegen die "einseitige Darstellung als 'sogenannte Abmahnkanzlei'" wehren die norddeutschen Anwälte sich – auch wenn dieser Begriff sich unter der angegriffenen URL nicht findet und die Kanzlei auch nicht behauptet, er werde verwendet.
Adressat der Abmahnung ist Steffen Heintsch, Betreiber des Forums Abmahnwahn-Dreipage.de, das laut Subline "Information und Hilfe bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen" bieten will. Geordnet nach Kanzleien finden sich Unterseiten jeweils mit der Überschrift "Abmahnungen von …", auf denen Abgemahnte Fragen stellen, die andere User, aber auch Seitenbetreiber Steffen Heintsch zu beantworten versuchen.
Das möchten die Hamburger nicht mehr. Heintsch solle es unterlassen, ein Forum unter diesem Titel "Abmahnungen von …" mit namentlicher Nennung der Kanzlei zu betreiben, fordern die Anwälte. Eine Unterlassungserklärung soll der Forenbetreiber abgeben, und zwar auch in Bezug auf die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, ohne dazu befugt zu sein. Die entstandenen Anwaltskosten beziffern die Advokaten mit 1.049 Euro. Die Kanzlei vertritt sowohl sich selbst als auch die beiden Gesellschafter.
Versendet, wer Abmahnungen versendet, keine Abmahnungen?
Der Forenbetreiber will die Unterlassungserklärung nach Informationen von LTO nicht unterzeichnen. Es verwundert kaum, dass die Abmahnung schnell die Runde machte in der Netzgemeinde und unter anderem das Mitglied der Piratenpartei Markus Kompa es sich nicht nehmen ließ, im heise.de-Blog zu titeln "Filesharing: Abmahnende Kanzlei mahnt ab, weil sie nicht Abmahnkanzlei sein will". Und tatsächlich sind die Auffassungen der Hamburger Kanzlei in gleich mehreren Punkten kaum nachvollziehbar.
So monieren die Anwälte, die Behauptung in dem Forum sei unwahr, dass die Kanzlei Abmahnungen versende. Die Begründung: Es werde nicht darauf hingewiesen, dass sie diese im Namen von Mandanten versende.
Man wird nicht aber nur voraussetzen dürfen, dass die angesprochenen Verkehrskreise wissen, dass Anwälte urheberrechtliche Abmahnungen wegen Filesharings in aller Regel selbstverständlich für ihre Mandanten, nämlich die Rechteinhaber, verschicken. Und selbst eine Auslegung nach dem Wortlaut würde zu keinem anderen Ergebnis führen. Anwälte versenden Abmahnungen. In ihrer Kanzlei wird die Abmahnung verfasst, unterzeichnet, eingetütet und verschickt. Selbstverständlich ist der Satz, dass Anwälte Abmahnung verschicken, keine unwahre Tatsachenbehauptung.
Massenhafte Abmahnungen und die "sogenannte Abmahnkanzlei"
Aber auch die "bloße Benennung des Namens der Kanzlei in Verbindung mit der Behauptung der massenhaft versendeten Abmahnung" setze ihre Dienstleistungen und Tätigkeiten herab, argumentieren die Anwälte weiter. Das ergebe sich schon "aus der einseitigen Darstellung als sogenannte 'Abmahnkanzlei' und dem damit einhergehenden Ruf, der in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise erzeugt wird", so die Begründung der Abmahnung an Forumsbetreiber Steffen Heintsch.
Dabei räumen die Hamburger Advokaten selbst ein, Unternehmen der Erotik- und Filmbranche im bei Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing zu vertreten. Hunderte solcher Abmahnung der Norddeutschen liegen allein einem einzigen Anwalt vor, das Forum veröffentlicht regelmäßig Statistiken, die aus Informationen von Abgemahnten, also Betroffenen erstellt werden.
Auch anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass die Kanzlei tatsächlich mehrere tausend Abmahnungen im Jahr für die Pornoindustrie versandt hat. Selbst wenn man vom Eindruck massenhafter Abmahnungen durch die Gestaltung des Forums ausgehen wollte, wären auch solche Behauptungen mithin nicht unwahr.
2/2: Sogenannte Abmahnkanzleien und Anwälte, die lieber namenlos bleiben wollen
Aber selbst wahre Tatsachen dürfe man nicht unbedingt veröffentlichen, wenn sie das Geschäft eines Wettbewerbers schädigen, ohne dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung besteht, so die Abmahnenden.
Ihrer Ansicht nach setzt die "einseitige Darstellung als ‚sogenannte Abmahnkanzlei" sie in ein negatives Licht, da diese aufgrund einer häufig auch sehr negativen Berichterstattung der vergangenen Jahre "für eine minderwertige anwaltliche Tätigkeit im Massengeschäft und ein zum Teil sehr aggressives Vorgehen" stehe.
Der Begriff der "Abmahnkanzlei" wird auf der von den Anwälten benannten Unterseite des Forums so weit ersichtlich nicht genannt. Diese behaupten das auch weder noch verlangen sie vom Forenbetreiber Heintsch, es in Zukunft zu unterlassen, sie als solche zu bezeichnen. Dennoch fühlen sie sich auch ohne konkrete Bezeichnung als Abmahnkanzlei offenbar als solche dargestellt.
Abmahnende Kanzleien und ihr Wertschätzungsproblem
Selbst wenn man unterstellte, der Begriff wäre unmittelbar verwendet worden, erscheint es weit hergeholt, ihm eine rufschädigende Wirkung anzulasten. Selbst mit dieser Bezeichnung wäre keine Reduzierung auf eine ausschließlich abmahnende Tätigkeit verbunden und sie ließe nicht etwa den Schluss zu oder legte ihn gar nahe, dass die Kanzlei keine anderen Mandate, Mandanten oder Rechtsgebiete betreut.
Das Landgericht Berlin hat diesbezüglich im Rahmen eines ähnlichen Rechtsstreits mit Urteil vom 03.08.2010 (Az. 15 O 292/19) zutreffend festgestellt: "(…) Wenn die Antragsteller meinen, eine Kanzlei, die sich auch mit Urheberrechtsabmahnungen befasse, genieße in den Augen potentieller Mandanten weniger Wertschätzung als eine Kanzlei, die solche Mandate ablehne, hat sie durch die Übernahme der Mandate selbst die Ursache einer geringeren Wertschätzung gesetzt."
Aus demselben Grund greift das Forum auch nicht in das Recht der Kanzlei am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Weder will sein Betreiber gezielt den Kanzleibetrieb der abmahnenden Kanzlei behindern, noch wendet die Seite sich an deren potenzielle Mandanten, sondern richtet sich vielmehr an die Abgemahnten, nämlich die Gegner der Kanzlei. Die Ausschöpfung aller juristisch möglichen Verteidigungsmittel und der entsprechende Hinweis darauf im Rahmen eines Forum, stellen mitnichten eine "Behinderung" im Sinne der §§ 823 Abs. 1, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch dar.
Die Anwälte, die nicht namentlich genannt werden wollen
Mitbewerber hätten auch nicht das Recht, mit der Nennung des Namens der Hamburger Kanzlei für ihre eigene Anwaltstätigkeit zu werben, heißt es in der Abmahnung weiter. Die in dem Forum "geschaltete Werbung" sei in starkem Maße geschäftsschädigend, zur Information der Öffentlichkeit würde es ausreichen, die Rechteinhaber zu benennen, die Mandanten also, deren Rechte die Kanzlei mit den Abmahnungen wahrnimmt, meinen die Anwälte.
Bei einer Abwägung aller betroffenen Interessen muss eine Rolle spielen, dass sich abgemahnte Personen mit kurzen Reaktionsfristen und teilweise hohen Forderungen von Rechteinhabern und ihren Anwälten konfrontiert sehen. Angesichts ihres Informationsbedürfnisses dürfte auch eine Interessenabwägung an der Nennung des Kanzleinamens jedenfalls zu deren Gunsten ausfallen.
Außerdem veröffentlicht selbstverständlich nicht nur Steffen Heintsch in seinem Forum Informationen über Kanzleien, die zahlreiche Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen versenden. Diese Informationen kursieren längst im Internet. Von einer erstmaligen Offenbarung von Umständen, die der interessierten Öffentlichkeit bisher nicht zugänglich waren, kann daher keine Rede sein.
Wer abmahnen will, muss Wettbewerber sein
Es passt ins Bild, dass der in der Abmahnung enthaltene Vorwurf einer starken Geschäftsschädigung sich auf die in dem Forum "geschaltete Werbung" bezieht. Dabei ist diesem auf den ersten Blick keinerlei "Werbung" zu entnehmen. Man darf auch bezweifeln, dass die Veröffentlichungen als Werbung qualifiziert werden könnten, da das Forum gerade nicht einer irgendwie gearteten Art der Absatzförderung von Waren oder Dienstleistungen dient.
Und auch das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, welches Voraussetzung dafür wäre, dass die Kanzlei den Forenbetreiber überhaupt zur Unterlassung auffordern und abmahnen kann (§ 8 Abs. 3 Nr. 1), wirkt konstruiert. Die Hamburger Anwälte werfen dem Forenbetreiber vor, gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zu verstoßen. Handelt es sich bei nicht um einen Rechtsdienstleister, steht sein Betreiber im Sinne des UWG auch nicht im Wettbewerb zu der abmahnenden Kanzlei und ein Unterlassungsanspruch ist schon deshalb ausgeschlossen.
Es mag sein, dass diese Frage geklärt werden wird. Dazu muss aber nicht nur Forumsbetreiber Heintsch die Sache durchziehen wollen. Abzuwarten bleibt letztendlich wohl eher, ob die abmahnende Kanzlei trotz der erheblichen Bedenken im Hinblick auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch in dieser Angelegenheit tatsächlich den gerichtlichen Weg beschreiten wird.
Der Autor Christian Solmecke, LL.M. ist Partner der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, deren Beratungsschwerpunkt im Bereich der Online-Branche liegt. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet (DIKRI) an der Cologne Business School und Lehrbeauftragter der Fachhochschule Köln zu Rechtsfragen in Sozialen Netzwerken.
Christian Solmecke, Anwälte der Pornoindustrie mahnen Forum ab: Die abmahnende Kanzlei, die keine Abmahnkanzlei sein will . In: Legal Tribune Online, 10.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8494/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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