Abgasskandal: Der Staat muss gegen Diesel ein­sch­reiten

2/2: Die Klage der Deutschen Umwelthilfe und das Urteil des VG Stuttgart

Fraglich ist allein, wer auf das Tätigwerden des Staats klagen darf. Bei Luftreinhalteplänen ist bis hin zum BVerwG anerkannt, dass auch Umweltverbände sie einklagen können. So war es auch die Deutsche Umwelthilfe, die vor das Verwaltungsgericht Stuttgart zog. Nach dessen Urteil vom 28. Juli 2017 sind Diesel-Fahrverbote die "effektivste und derzeit einzige Luftreinhalteplanmaßnahme zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte und zugleich auch zur schnellstmöglichen Einhaltung" der Grenzwerte.

Entgegen den Aussagen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt am Tag des Urteils hat das Gericht auch allen "anderen von der Planungsbehörde in Betracht gezogenen Maßnahmen (Geschwindigkeitsbeschränkungen, Verkehrsverbote nach Kfz-Kennzeichen, City-Maut, Nahverkehrsabgabe und sog. "Nachrüstlösung")" eine Absage erteilt, weil diese "von ihrem Wirkungsgrad nicht gleichwertig" seien.

Zwar ist die grün-schwarze Landesregierung sich nach Pressemeldungen noch nicht einig, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen soll. Eine Revision zu diesen Fragen liegt aber aufgrund mehrerer ähnlicher Klagen schon aktuell beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).

Dürfen Umweltverbände gegen das KBA klagen?

Für KBA-Maßnahmen ist die Lage kontrovers. Das neue Umweltrechtsbehelfsgesetz von 2017 sieht in seinem § 1 Klagen gegen diverse Umweltbeeinträchtigungen vor, Klagen im Zusammenhang mit dem KBA jedoch eher nicht.

Allerdings ist wohl gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention (AK) eine völkerrechtskonforme Auslegung geboten dahingehend, dass Umweltverbände eben doch klagen dürfen. Denn die Norm gibt, wie auch das BVerwG 2013 tendenziell anerkannt hat, Umweltverbänden die Möglichkeit, auf breiter Front Verletzungen gegen das (Grund-)Recht auf Leben und Gesundheit vor Gericht zu bringen.

Die von Art. 9 Abs. 3 AK prinzipiell eröffneten Ausgestaltungsspielräume der Nationalstaaten können bei einem so gravierenden und offenkundigen Fall kaum greifen.

Strafbarkeit der Verantwortlichen in den Autokonzernen

Die Handelnden bei den Autokonzernen können sich durch das planmäßige Unterlaufen der gesetzlichen Grenzwerte sogar strafbar gemacht haben. Gemäß § 325 Strafgesetzbuch (StGB) ist es strafbar, wenn durch Anlagen oder Maschinen unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Schadstoffe in bedeutendem Umfang in die Luft abgegeben werden. Die bisher öffentlich gewordenen Fakten klingen danach, als lägen diese Voraussetzungen vor.

Interessant wird ferner sein, ob der – relativ offenkundig vorliegende– Betrug zu Lasten der Käufer gemäß § 263 StGB von den Staatsanwaltschaften verfolgt werden wird. Wegen des Umwelttatbestands liegt aktuell eine Strafanzeige des BUND bei der Berliner Staatsanwaltschaft.

Das Gesagte wird auch nicht dadurch hinfällig, dass es komplexe und teure Technik braucht, um beispielsweise Stickstoffoxide und den ebenfalls gesundheitsschädlichen Feinstaub gleichzeitig zurückzuhalten. Eigentumsschutz auf der einen und Leben und Gesundheit auf der anderen Seite stehen grundrechtlich zwar in einem Abwägungsverhältnis. Dieses hat der Gesetzgeber jedoch – wie gezeigt – mit klaren Vorgaben aufgelöst. Die durchgreifende Lösung für diverse Luftschadstoffprobleme und zugleich das Klimaproblem wäre es freilich, insgesamt aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen. Nicht nur, aber auch bei der Mobilität.

Der Autor Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin. U.a. zum Feinstaub erscheint von ihm Anfang Oktober das Taschenbuch "Kurzschluss: Wie einfache Wahrheiten die Demokratie untergraben".

Zitiervorschlag

Felix Ekardt, Abgasskandal: Der Staat muss gegen Diesel einschreiten . In: Legal Tribune Online, 11.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23911/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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