Druckversion
Freitag, 14.11.2025, 13:07 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/KuchenTV-Tim-Heldt-Shurjoka-bverfg-Einstweilige-Anordnung-1bvq124
Fenster schließen
Artikel drucken
53727

Twitch-Konto gesperrt: Streamer KuchenTV schei­tert vorm BVerfG

von Xenia Piperidou und Marcel Schneider

25.01.2024

Webvideoproduzent Tim Heldt

Bereits seit mehr als einem Monat ist das Twitch-Konto von Tim Heldt alias "KuchenTV" gesperrt. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Nicole Kubelka/Geisler-Fotopress

Seit Wochen ist das Nutzerkonto des Webvideoproduzenten "KuchenTV" auf der Streaming-Plattform Twitch gesperrt. Er wünscht sich, dass das Landgericht die Entscheidung schneller trifft. Einen entsprechenden Antrag wies das BVerfG nun aber ab.

Anzeige

Der Streamer und Meinungsblogger "KuchenTV" (bürgerlich Tim Heldt) ist mit einem Antrag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gescheitert. Die Streaming-Plattform Twitch.tv hatte Heldts dortigen Nutzer-Account Anfang Dezember 2023 gesperrt, wogegen dieser derzeit gerichtlich vorgeht. Das Landgericht (LG) Braunschweig, vor das Heldt gegen die Sperrung gezogen ist, hat eine Verhandlung für den 30. Januar 2024 anberaumt. Das ist dem Influencer offenbar nicht schnell genug, weswegen er vor dem BVerfG erreichen wollte, dass das LG schneller und ohne mündliche Verhandlung entscheiden muss. Das BVerfG war in seinem am Donnerstag veröffentlichen Beschluss aber der Ansicht, dass KuchenTV kein ausreichend schwerer Nachteil entsteht, wenn vor dem LG erst am 30. Januar verhandelt wird. Es hält seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung deshalb für unzulässig (Beschl. v. 15.01.2024, Az. 1 BvQ 1/24).

Hintergrund der Entscheidung ist ein seit fast einem Jahr andauernder Streit zwischen zwei Webvideoproduzenten, welcher bis zur Kontosperrung von KuchenTV unter anderem auf der Plattform Twitch ausgetragen wurde. Eigentlich wird die US-amerikanische Streaming-Plattform hauptsächlich für die Live-Übertragung von Videospielen genutzt. Es finden sich aber auch Meinungsblogger auf der Plattform wieder, die mit ihren Zuschauern dort Themen diskutieren oder diese auf andere Art und Weise unterhalten.

Anfang 2023 äußerte sich die Twitch-Streamerin und Influencerin "Shurjoka" (bürgerlich Pia Scholz) in einer ihrer Live-Übertragungen auf Twitch kritisch hinsichtlich eines Videospiels und erntete dafür viel Gegenwind, unter anderem von Heldt. Der "Beef" zwischen den beiden bekannten Social-Media-Stars schaukelte sich immer weiter hoch und eskalierte, als Scholz – Heldts Meinung nach zu Unrecht – den deutschen Computerpreis als "Spielerin des Jahres" erhielt. Seither kommt es immer wieder zu Wortgefechten zwischen den beiden Streamern, mittlerweile beharken sich die beiden in verschiedenen Angelegenheiten sogar juristisch. Erst vor wenigen Tagen etwa hatte Scholz Heldt abgemahnt, unter anderem wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte, wie Rechtsanwalt und YouTuber Christian Solmecke berichtete. Diese Abmahnung hat unter anderem mit der Live-Sendung zu tun, die letztlich zu Heldts Kontosperrung auf Twitch führte.

In der besagten Videoübertragung soll der Twitch-Support eingegriffen und Heldts Account gesperrt haben, da mehrere Twitch-Zuschauer das Verhalten und bestimmte Äußerungen in der KuchenTV-Sendung per "Report"-Funktion gemeldet haben sollen. Laut diversen Medienberichten hat Heldt vor der Kamera unter anderem gesagt, dass "Shurjokas Tränen für ihn Gleitgel seien" und der Twitch-Support auf Scholz "einen Scheiß" gäbe. Damit hat Heldt Streamerin Shurjoka nach Twitch-Angaben "belästigt" und "unter psychischen Druck gesetzt" – ein schwerwiegender Verstoß gegen die Community-Regeln auf Twitch. Die Plattform machte von ihrem virtuellen Hausrecht Gebrauch und sperrte das Twitch-Konto von KuchenTV.

LG hält Fall für zu komplex, um ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu können

Daraufhin wandte sich Heldt an das LG Braunschweig. Er beantragte dort, es Twitch zu verbieten, sein Nutzerkonto unbefristet zu sperren, und Twitch gleichzeitig dazu zu verpflichten, sein Nutzerkonto in den Zustand von vor der Sperrung zurückzuversetzen. Mit über 300.000 Followern ist der Twitch-Kanal für KuchenTV eine wichtige Säule seiner Internetpräsenz.

Das LG setzte den Termin zur mündlichen Verhandlung daraufhin für den 30. Januar 2024 an, obwohl Heldt darum gebeten hatte, möglichst schnell und ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. In dringenden Fällen ist dies nach § 937 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) auch möglich. Das LG war jedoch der Ansicht, dass man in einem solch komplexen Fall nicht auf die mündliche Verhandlung verzichten könne, und verwies auf seinen Entscheidungsspielraum.

Abfinden wollte sich Heldt damit offenbar nicht, denn er beantragte vor dem BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG)), dass das LG in der Sache ohne mündliche Verhandlung entscheiden möge.

Kein ausreichend schwerer Nachteil für KuchenTV

Heldt hofft, von einer Ausnahme profitieren zu können. In bestimmten Ausnahmefällen – nämlich dann, wenn durch die Inanspruchnahme der Fachgerichte ein schwerer Nachteil für den Antragssteller droht, zum Beispiel weil die Zeit drängt – kann direkt das BVerfG entscheiden (§ 32 Abs. 1 BVerfGG). Ein solcher schwerer Nachteil sei aber nicht ersichtlich, hat das BVerfG nun entschieden, weshalb die Ausnahme für Heldt nicht in Betracht komme. Dazu führt das Gericht in seiner Begründung an, dass Heldt nicht dargelegt habe, weshalb ihm ein schwerer Nachteil drohte, wenn sein Fall vom LG erst am 30. Januar verhandelt werden sollte.

Zudem habe KuchenTV auch nicht ausreichend dargelegt, dass eine in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde nicht von vornherein unzulässig gewesen wäre, so das BVerfG. Dabei gibt es nach Auffassung des Gerichts sogar gleich mehrere Gründe, die dafür sprächen, dass eine Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache nicht von vornherein unzulässig gewesen wäre. Zum einen könnten Zwischenentscheidungen, zu denen auch die Terminierung auf den 30. Januar fällt, grundsätzlich nicht mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Nur in solchen Fällen, in welchen ein dringendes schutzwürdiges Interesse besteht, sei das möglich, so das BVerfG; einen solchen Nachweis habe KuchenTV aber nicht erbracht. Auch am Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG) scheiterte es in seinem Fall, denn Heldt habe nicht einmal einen Antrag auf Vorverlegung des Termins (§ 227 Abs. 1 ZPO) gestellt. Und letztlich wäre eine Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache nach Auffassung des BVerfG auch deshalb schon unzulässig gewesen, weil er sich in seinem Antrag gar nicht mit den Verfahrensvorschriften des § 937 Abs. 2 ZPO auseinandergesetzt habe.

Widerspruch in KuchenTVs Argumentation

Gegenüber dem LG hatte Heldt nach Angaben des BVerfG argumentiert, dass der Sachverhalt "in Umfang und Komplexität überschaubar und ohne mündliche Verhandlung zu bewerkstelligen" sei. In seinem Antrag vor dem LG, der ganze 79 Seiten umfasse, spreche Heldt selbst jedoch davon, dass der Antrag "in seiner Komplexität – in tatsächlicher und rechtlicher Sicht – äußerst umfassend" sei. Darin erkannte das BVerfG "einen unaufgelösten Widerspruch". Dass der 79-seitige Antrag komplex sein könnte, hatte auch das LG befürchtet und aus eben jenem Grund auf die mündliche Verhandlung bestanden. Auch darauf sei Heldt in seinem Antrag vor dem Verfassungsgericht überhaupt nicht eingegangen, so das BVerfG.

Im Ergebnis hat KuchenTV damit keinen Erfolg vor dem BVerfG. Es bleibt nun abzuwarten, wie das LG Braunschweig am 30. Januar entscheiden wird. Der Streamer selbst gibt sich in seinen Youtube-Videos derweil sehr optimistisch. "Ich gehe aber immer noch felsenfest davon aus, dass ich entsperrt werde, da Twitch hier einfach gegen geltendes Recht verstoßen hat."

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Twitch-Konto gesperrt: . In: Legal Tribune Online, 25.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53727 (abgerufen am: 14.11.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Zivil- und Zivilverfahrensrecht
    • Staatsrecht und Staatsorganisationsrecht
    • Einstweiliger Rechtsschutz
    • Rechtsschutz
    • Social Media
  • Gerichte
    • Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
    • Landgericht Braunschweig
Das Bild zeigt Polizeikontrollen und einen Beamten, was mit Dobrindts rechtlichen Auseinandersetzungen in Verbindung steht. 10.11.2025
Asyl

Klage gegen das BMI:

Warum es doch zum Pro­zess um Dobrindts Zurück­wei­sungen kommen könnte

Im Juni entschied das VG Berlin im Eilverfahren, dass Zurückweisungen von Asylsuchenden rechtswidrig sind. Es gab einer Somalierin recht, sie kam ins Land. Nun will sie durch Urteil klären lassen, dass die Praxis unzulässig ist.

Artikel lesen
Georg Eisenreich 05.11.2025
Anwaltsberuf

JuMiKo-Initiative Bayerns:

Rechts­schutz­ver­si­cherer sollen Anwälte ersetzen

Bayern möchte Rechtsschutzversicherern erlauben, ihre Versicherungsnehmer außergerichtlich zu beraten und zu vertreten. Dafür soll das Rechtsdienstleistungsgesetz geändert werden. Die Anwaltschaft ist in großer Sorge.

Artikel lesen
Halloween-Dekoration 29.10.2025
Denkmalschutz

VG Gelsenkirchen lehnt Eilantrag ab:

Hal­lo­ween-Deko­ra­tion in Herner Ruhr­pott-Sied­lung bleibt

Die Stadt Herne ist stolz auf ihre Teutoburgia-Siedlung, in der die Bewohner ihre Häuser zu Halloween flächendeckend dekorieren. Ein Mann wollte, dass die Stadt gegen die Verzierungen vorgeht, hat darauf aber keinen Anspruch, so das VG.

Artikel lesen
Prof. Dr. Dietrich Murswiek 22.10.2025
Meinungsfreiheit

Meinungsfreiheit auf LinkedIn:

Kann Wider­spruch gegen die Welt­ge­sund­heit­s­or­ga­ni­sa­tion ver­boten werden?

Der Freiburger Rechtsprofessor Dietrich Murswiek hat für einen LinkedIn-Nutzer, dessen impfkritische Postings gelöscht wurden, eine Verfassungsbeschwerde erhoben. Christian Rath kennt die juristische Argumentation.

Artikel lesen
Briefkasten des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe 17.10.2025
Anwaltsberuf

BGH zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach:

"Berufs­aus­übungs­ge­sell­schaft wie Anwalt behan­deln"

Rechtsfragen rund um das beA beschäftigen weiter die Gerichte. Jetzt hat der BGH klargestellt, wie Anwaltsschriftsätze aus dem Postfach einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft versandt werden dürfen. Martin W. Huff berichtet.

Artikel lesen
Dieselfahrzeug 15.10.2025
Abgasaffäre

BGH zu Verkehrs-Rechtsschutzversicherung:

Rechts­schutz erst­reckt sich auch auf den Fahr­zeu­ger­werb

Eine Dieselklage gab dem BGH Gelegenheit, eine hochumstrittene Rechtsfrage zur Verkehrs-Rechtsschutzversicherung zu klären: Die Versicherung erstreckt sich auch auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fahrzeugs. 

Artikel lesen
ads lto paragraph
lto karriere logo
ads career people

Wir haben die Top-Jobs für Jurist:innen

Jetzt registrieren
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Frank­furt...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Frank­furt am Main

Logo von Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg
Voll­ju­ris­ten (w/m/d) als Füh­rungs­kräf­te im Team @fi­nan­zenBW

Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg , Stutt­gart

Logo von DFH Gruppe
Voll­ju­ris­ten/Syn­di­kus­rechts­an­walt (m/w/d) für den Be­reich Pri­va­tes...

DFH Gruppe , Sim­mern

Logo von ENERTRAG SE
Rechts­re­fe­ren­dar (m/w/d) - Ber­lin/Dau­er­thal

ENERTRAG SE , Ber­lin

Logo von Clifford Chance Partnerschaft mbB
BACKS­TA­GE - Das Pro­gramm für Prak­ti­kant*In­nen am Stand­ort Mün­chen Früh­jahr...

Clifford Chance Partnerschaft mbB , Mün­chen

Logo von DMB Rechtsschutz-Versicherung AG
Ju­rist / Wirt­schafts­ju­rist / Voll­ju­rist als Scha­den­sach­be­ar­bei­ter...

DMB Rechtsschutz-Versicherung AG , Köln

Logo von Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat
Voll­ju­ris­ten (m/w/d) – Ih­re Zu­kunft in der hes­si­schen Jus­tiz

Hessisches Ministerium der Justiz und für den Rechtsstaat , Wies­ba­den

Logo von Dentons
Re­fe­ren­dar (m/w/d) Li­ti­ga­ti­on & Dis­pu­te Re­so­lu­ti­on

Dentons , Frank­furt am Main

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Arbeitsrecht in der Insolvenz aus Arbeitnehmersicht (5 Stunden)

21.11.2025

Entzug der Fahrerlaubnis insbesondere im Verwaltungsverfahren (5 Zeitstunden)

21.11.2025

Logo von Hagen Law School in der iuria GmbH
Fachanwaltslehrgang Arbeitsrecht im Fernstudium/ online

21.11.2025

7. Fortbildungsseminar zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

27.11.2025, Triesen

NomosWebinar: KI im Arbeitsverhältnis – Rechte, Pflichten und Grenzen

27.11.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH