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Wo Juristen bloß stören: Die Guten im Krimi sind immer die Polizisten

von Arne Koltermann

21.04.2012

Gute Cops - Böse Anwälte

© Joachim B. Albers - Fotolia.com

Sie sind weltfremd, halbseiden, korrupt und feige. Am besten alles zusammen: Juristen haben einen miserablen Ruf – zumindest im deutschen Fernsehkrimi. Doch während die Drehbücher Staatsanwälten und Strafverteidigern die undankbare Rolle der Steinchen im Getriebe zuweisen, erstrahlt eine Berufsgruppe in hellem Glanz: die Polizisten.

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Besonderer Beliebtheit erfreuen sich beim Publikum zupackende Ermittler vom Schlage der Kölner Tatort-Kommissare: Ballauf und Schenk mögen nicht die Allerhellsten sein, doch ihr Herz schlägt am berüchtigten rechten Fleck. Von ihren Gefühlen oft übermannt, lösen sie mit Beharrlichkeit jeden Fall – um ihn am Ende gemütlich bei Currywurst und Bierchen zu resümieren.

Wo es derart menschelt, lässt der Zuschauer den Kommissaren auch rechtsstaatlich bedenkliche Verhörmethoden mit viel Körpereinsatz durchgehen – denn wenn Männer der Tat dem Recht zu selbigem verhelfen, können Strafprozessordnung und verknöcherte Paragrafenreiter nur stören.

Auch bei anderen Kriminalfilmen gilt: Die dem Zuschauer gleichsam aufgenötigte Ermittlerperspektive erzeugt Identifikation und verschafft den wirklichen Cops kostenlose Reklame. Da erscheint es fast logisch, dass die sächsische Polizei die Kölner Ermittlerdarsteller Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär 2009 allen Ernstes zu Ehrenkommissaren ernannte. Schließlich dürfte es nicht zuletzt ihrer medialen Präsenz zu verdanken sein, dass Ermittler sich hierzulande eines hohen Ansehens erfreuen.

Wendehals Staatsanwalt, Schurkenkomplize Verteidiger

Über das Schweigerecht des Beschuldigten und die Möglichkeit, einen Verteidiger zu konsultieren, hört man nicht nur die rheinländischen Tatort-Ermittler ihre Verdächtigen dagegen selten belehren: Wo das Böse besiegt werden muss, ist für Grundrechte und Verfahrensgarantien kein Raum. Nun dient Unterhaltung nicht in erster Linie der Erziehung der Zuschauer, doch könnte man sich schon einmal fragen, welche fragwürdigen Klischees dadurch auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen propagiert werden.

Unheil droht Kommissaren, Opfern und anderen guten Menschen in Krimis immer dort, wo Juristen um die Ecke biegen. Besonders undankbar ist die Rolle des Staatsanwaltes: ein karrieregeiler Wendehals, der die emsigen Ermittler mit haltlosen Fristen unter Druck setzt. In Pressekonferenzen wälzt er die Verantwortung für Fehlschläge auf seine Ermittlungsbeamten ab – im Fall eines Erfolges erntet er dagegen die Lorbeeren.

Einen glamourösen und gleichzeitig dubiosen Ruf genießt der Strafverteidiger: Er ist der Bad Guy unter den Juristen. Dass er sich seines Mandanten überhaupt annimmt, macht ihn selbst verdächtig, denn er entzieht ihn mit windigen Tricks der vom Zuschauer als gerecht empfundenen Strafe – Unschuldsvermutung hin oder her.

Selbst in so differenzierten US-Langstreckenserien wie THE WIRE oder BREAKING BAD sind Anwälte bloße Handlanger des Verbrechens und organisieren freimütig Geldwaschanlagen. Hängen bleibt beim Zuschauer: Der Verteidiger ist der gesetzlich legitimierte Komplize des Täters.

Zu viel Beschuldigtenrechte sind schlecht für die Dramaturgie

Sein Rat zu schweigen ist zwar ein Hinweis auf das elementare, in § 136 der Strafprozessordnung verbürgte Aussageverweigerungsrecht. Doch dies verträgt sich nicht mit der Volksweisheit, dass man das, was man sich - den Tatnachweis mal wieder unterstellt - eingebrockt hat; auch auslöffeln muss. Das Gesetz mag dem Beschuldigten Rechte einräumen, die Alltagsmoral sträubt sich. So befindet sich der Verteidiger von vornherein in einem Legitimationsdefizit.

Zudem würde die notorische Inanspruchnahme von Beschuldigtenrechten die ganze Dramaturgie durcheinanderbringen: Ein schweigender Verdächtiger stört ungemein, denn im Krimi gilt wie bei herkömmlichen Strafverfahren auch, dass der mutmaßliche Täter im Mittelpunkt des Geschehens steht.

Es muss stets herausgearbeitet werden, wie und warum jemand zum Mörder wurde – auch wenn sich das oft nicht so leicht bestimmen lässt. Dabei muss er sich rechtfertigen und am besten seine ganze Lebensgeschichte erzählen – neunzig Minuten wollen erst einmal gefüllt sein. Ohne unvorsichtiges Beschuldigtengequassel wären die Kommissare völlig auf sich allein gestellt. Niemand würde sich mehr selbst bezichtigen, kein dramatisches Geständnis vor dem Abspann. Und mal ehrlich: Ein Schweigetatort erscheint selbst in Zeiten oscarprämierter Neo-Stummfilme nicht wirklich erfolgversprechend.

Der Autor Arne Koltermann ist Volljurist und Assessor. Zusätzlich zu seiner juristischen Tätigkeit absolviert er ein Ergänzungsstudium im Bereich Film- und Theaterkritik an der Hochschule für Fernsehen und Film München.

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Wo Juristen bloß stören: . In: Legal Tribune Online, 21.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5998 (abgerufen am: 17.11.2025 )

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