Tierschutzrecht: Bes­tien, die gefeiert werden

von Martin Rath

04.10.2015

2/2: Tiere verletzen Menschen, immer und überall

Es werden zu viele Menschen von Tieren verletzt, als dass eine Darstellung jener Fälle, die den Gerichten zur Kenntnis gelangen, auch nur ansatzweise repräsentativ sein könnte. Es zeigt sich allerdings, dass Juristen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit für das sonst sträflich vernachlässigte Phänomen gefährlicher Tiere zeigen.

Nachdem beispielsweise am 5. August 2006 einer damals 16-jährigen Hilfstierpflegerin von einem Kater, der sich unverständlicherweise nicht in seine Kastration fügen wollte, eine Verletzung zugefügt worden war, die noch im März des Folgejahres eine Prothese ihres linken Mittelfingergrundgelenks erforderlich machte, zeigte sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen emotional betroffen. Zwar konnte die junge Dame nicht damit durchdringen, dass die Körperverletzung dem Tierarzt als vorsätzlich zuzurechnen sei, weil sie sich ohne Schutzhandschuhe dem renitenten Tier aussetzen musste. Solange ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht vorsätzlich schädigt, greift nur die Haftung durch die Berufsgenossenschaft. Immerhin drückten die hessischen Richter im abweisenden Urteil ihr Bedauern über den Mittelfingerschaden der jungen Hilfstierpflegerin aus (LAG Hessen, Urt. v. 14.7.2009, Az. 13 Sa 2141/08). Vielleicht ist es auch in Hessen gerichtsbekannt, wie wichtig das hier geschädigte Organ heute für die menschliche Kommunikation ist.

Erschreckende Zeugnisse animalischer Gewalt

Eine "als Folge eines Hundebisses erlittene schmerzhafte Wunde am Skrotum mit dauerhaftem Taubheitsgefühl im Bereich der linken Skrotalhälfte", eine Verletzung also, gegen die sich der hessische Kater nicht schützen lassen mochte, sowie "zehn Tage stationärer Krankenhausbehandlung und vier Wochen Arbeitsunfähigkeit", sah das Oberlandesgericht Köln mit damals 2.500 Mark hinreichend abgegolten (Urt. v. 25.4.1997, Az. 19 U 32/95). Bevor der Biss eines bösartigen Hofhundes in das neben dem Portemonnaie wohl empfindlichste Organ des Mannes so bescheiden entschädigt wurde, gab man der Ehefrau des Gebissenen Gelegenheit, zu den Potenzverlusten ihres Mannes Stellung zu nehmen. Hier kann lobenswert festgestellt werden, wie interessiert die Justiz an den Folgen tierischer Aggression ist.

Ein weiteres erschreckendes Zeugnis animalischer Gewalt gibt ein Urteil des OLG Celle aus dem Jahr 2012, das einen Hundehalter für die Bisswunden haften lässt, die ein Tierarzt zu erdulden hatte, als er dem Hund nach beendeter Rektoskopie zur Hand gehen wollte. Zu Recht muss der Hundehalter hier auch haften, obwohl er auf das Tier gar keinen unmittelbaren Zugriff hatte (Urt. v. 11.6.2012, Az. 20 U 38/11).

Leider schützt das Gesetz den Menschen nicht überall vor den tückischen Formen tierischer Gewalt: Insbesondere viele Bürgerinnen Deutschlands werden sich durch ein Urteil des OLG Karlsruhe vom 24. Juli 2009 in ihrem Schutzbedürfnis alleingelassen fühlen: Erschreckt dadurch, "dass sich in ihrer Kopfhöhe eine fette schwarze Spinne an einem Faden heruntergelassen" hatte, zog sich die Nutzerin einer Tiefgarage eine Becken- und Gesichtsprellung sowie einen komplizierten Handgelenkbruch zu. Statt den Tiefgaragenbetreiber zu gründlicher Reinigung anzuhalten, erklärte das OLG die Spinne zum "allgemeinen Lebensrisiko" (Az. 7 U 58/09).

90 Jahre Lobbyismus für sogenannte Tierrechte

Obwohl hier die Schrecknisse, die Tiere ins Leben der Menschen tragen, nur angedeutet werden konnten, bleibt darauf hinzuweisen, dass der 4. Oktober 1925 als erster "Welttierschutztag" gilt, vorgeschlagen von Heinrich Zimmermann, einem deutschen Kynologen jüdischen Glaubens. Infolge unaufhörlicher Lobbyarbeit – fragt man nicht sonst immer nach ihrer demokratischen Legitimation? – hat der Tierschutz in Deutschland seit dem 1. August 2002 sogar Verfassungsrang, wenn auch von zweifelhafter praktischer Relevanz. Dieser Symbolpolitik und -gesetzgebung galt es etwas entgegenzusetzen: Heute, am 90. Welttierschutztag, sollte auch den Opfern tierischer Gewalt gedacht werden.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Tierschutzrecht: Bestien, die gefeiert werden . In: Legal Tribune Online, 04.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17086/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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