Wellness: Träume sind Schäume

von Nina Klotz

28.10.2010

Ein bisschen 1001-Nacht-Zauber lässt sich nicht leugnen. Und ein Hauch "Spa"-Feeling kommt auch auf bei einem Besuch im Hamam, dem türkischen Dampfbad. LTO-Reporterin Nina Klotz berichtet über ein Erlebnis der sinnlichen und exotischen Art.

Die Schuhe und die Kleider auszuziehen ist schon ein bisschen so, wie den Alltag abzulegen. Der Rest wird dann im Bad weggespült: Eine Schüssel voll warmen, klaren Wassers über das linke Bein gießen und die Gedanken an das Projekt von morgen werden langsam weggewaschen. Eine Schüssel über das rechte und dabei den Streit mit dem Chef vergessen. Während das Wasser über den linken Arm rinnt, schwimmen die Termine der nächsten Woche davon.

Und während wir den rechten Arm waschen, werden wir nach und nach das Gefühl los, noch so schrecklich viel zu tun zu haben. Innere To-Do-Listen lösen sich in Dampf auf, Deadlines und unbearbeitete Fälle schmelzen nur so dahin. Schließlich gießen wir eine Kupferschale voll Wasser über unseren Kopf und werden ganz eingehüllt von Wärme, Entspannung und einem sanften Fluss.

"Solche Reinigungsrituale, wie Europäer sie eigentlich gar nicht kennen, wirken sehr entspannend: Man kann mit dem Wasser den Stress des Alltags abspülen. Zugleich beruhigt sich dabei auch die Seele", erklärt Yasemin Tasev, Gründerin und Geschäftsführerin des "Sultan Hamam" in Berlin-Schöneberg.

Entspannung  - aber auch Klatsch und Tratsch

Nur mit einem Baumwolltuch um die Hüften, dem Pestemal, sitzt der Hamambesucher auf angewärmten Marmorbänken und begießt sich, eine viertel Stunde lang oder eine halbe. Die Luft ist feucht und warm, konstante 45 Grad, alles um ihn herum rauscht und plätschert. Während er sich wäscht hört er nur das gelegentliche Klirren der Schöpfschalen anderer Hamambesucher am Rand der steinernen Wasserbecken – zumindest in den modernen, Spa-ähnlichen Luxus-Hamams, wie sie in den letzten Jahren zwischen Nordsee und Bosporus entstanden sind.

Ursprünglich, also vor mehreren tausend Jahren, war das Badehaus so etwas wie der Klatschtempel der Stadt. Das war schon im alten Rom so, und bei den Osmanen war es nicht anders. Das Männer- und das Weibervolk traf sich hier – getrennt von einander, versteht sich – einmal pro Woche um sich zu waschen und fast noch wichtiger um sich auszutauschen: Der neuste Tratsch, ein bisschen Politik, Kriegsstrategie, Geschäfte, Heiratskuppelei – nichts, was sich nicht bei etwas Seifenschaum und viel warmen Wasser bereden ließe.

Insofern kann es in einem Hamam auch recht laut her gehen, da wird geredet und gelacht, diskutiert und gekichert, während das Wasser spritzt und klatscht und die Spülschüsseln wild klappern. In vielen traditionellen Hamams in der Türkei, abseits der Touristenspots, ist das wohl auch heute noch so.

Ein Ort auch für besondere Anlässe

Neben der allwöchentlichen Waschung gibt es auch ganz besondere Anlässe, das Badehaus aufzusuchen. 40 Tage nach der Geburt eines Kindes zum Beispiel gehen Frauen traditionell zur Reinigung und Entspannung ins Hamam. Oder zur Vorbereitung auf eine Heirat. Das Braut- und das Bräutigam-Bad (Getrennt! Natürlich!) gelten als fester Bestandteil türkischer Hochzeitsfeierlichkeiten. "Sie werden lachen, aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Zu uns kommen heute viel mehr junge, deutsche Frauen, die hier ihre Junggesellinnen-Abschiede feiern als türkische Frauen, die ein klassisches Brautbad nehmen", berichtet die Berliner Hamam-Leiterin Yasemin Tasev. Bei solchen Anlässen dürfte der Gacker- und Kicherfaktor im Baderaum freilich etwas höher sein.

Einigermaßen ruhig geht es aber immer im Lif zu, dem Seifenraum. Der Gast legt sich hier auf den Göbektasi, den Nabelstein, eine heiße Marmorplatte in der Mitte des Raumes und der Tellak, der Bademeister, oder die Natir, die Bademeisterin – wiederum je nach Geschlecht – beginnt mit dem, was man neudeutsch wohl als ein Peeling bezeichnen kann: Mit einem groben Waschlappen aus Ziegenhaar, dem Kese, rubbeln die Hamam-Meister den gut durchgewärmten und weichgewaschenen Gast ab. Man darf da nicht zimperlich sein, die alten Hautschüppchen müssen weg. Alle! Rötungen und kleine Pusteln auf frisch rasierten Damenbeinen können vorkommen. Der Tellak schrubbt über solcherlei Kinkerlitzchen mit konstant festem Druck hinweg.

Weitaus angenehmer ist der zweite Schritt, in dem der Tellak den Gast mit Seife einschäumt. Überall. Auch zwischen den Zehen und unter den Armen, hinter den Ohren und im Bauchnabel. Es duftet nach Lavendel und Rosen. Immer wieder wringt der Bademeister in Seifenwasser getränkte Laken über dem Gast aus, so dass der unter lauter Seifenblasen verschwindet. Der Schaum umschmeichelt sanft die Haut. Dass er auf einem harten Stein liegt, merkt der Gast schon gar nicht mehr. Alles so warm, alles so weich. Und so furchtbar entspannend, muss er ja nichts tun, außer sich auf Geheiß ab und an wie ein Schnitzel in der Pfanne umdrehen. Der Tellak massiert und drückt, zieht und knetet, 30 Minuten, vielleicht mehr.

Nicht nur Reinigung, auch greifbare körperliche Effekte

Nach dem Einschäumen spült der Tellak den Gast sauber, wieder wie anfangs Schüssel für Schüssel, mit der er aus einem großen Marmorbottich schöpft. Militärmarschall Helmuth von Moltke, der Mitte des 19.Jahrhunderts als Berater des osmanischen Sultans im damaligen Konstantinopel stationiert war, schreibt in seinen Memoiren über einen Besuch im Hamam: "Man möchte sagen, dass man noch nie gewaschen gewesen ist, bevor man nicht ein türkisches Bad genommen hat." Und irgendwie fühlt es sich wirklich so an, so wahnwitzig, nie dagewesen, porentief sauber.

Wenngleich der Gast ja eigentlich die ganze Zeit schon nichts anderes getan hat, wird er nach der letzten Spülung zur Entspannung in den Ruheraum entlassen. Dort reicht man ihm Tee und Wasser, vielleicht etwas Gebäck, Trockenfrüchte, Nüsse. Königlich! Der Köper schwebt, die Gedanken dümpeln, und kaum einer merkt, wie die Zeit an ihm vorbeirauscht: Drei bis vier Stunden sind für einen Hamambesuch ganz normal.

Loslassen soll man im Hamam, erklärt Yasemin Tasev. Und neue Energien schöpfen. Darüber hinaus hat ein Besuch im Dampfbad auch ganz greifbare körperliche Effekte: Wärme und Peeling regen die Durchblutung der Haut an, das verjüngt. Die Seifenmassage kann Muskelverspannungen (zum Beispiel die Computer-Schulter) lösen. Das Schwitzen und die feuchte Luft regen das Immunsystem an und dienen zur Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten oder Grippe.

Und eins ist der Türkin sehr wichtig, die seit 22 Jahren türkische Badekultur in Berlin praktiziert: "Jeder Mensch soll sich hier wie ein Sultan fühlen. Ihm soll bewusst werden: Ich bin wertvoll. Das ist Luxus, aber es lohnt sich!"

 

Hamams in Deutschland:

Berlin: Sultan Hamam, www.sultan-hamam.de

München: Mathilden Hamam, www.hamam.de

Hamburg: Das Hamam, www.das-hamam.de

Zitiervorschlag

Nina Klotz, Wellness: Träume sind Schäume . In: Legal Tribune Online, 28.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1821/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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