Nach Krieg und Vertreibung wird mit Einführung der D-Mark eine Abrechnung mit sozialer Ungleichheit fällig. Ein Fall aus 1964 ist besonders hübsch, weil mit den Thurn und Taxis wahre Experten beteiligt waren.
Das Ausgleichsamt und das Bayerische Verwaltungsgericht München hatten mit einer der reichsten Familien Deutschlands einen eher kurzen Prozess machen wollen. Bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in München waren bis Oktober 1949 auf den Namen der Fürstlichen Thurn- und Taxis'schen Generalkasse Pfandbriefe im Nennwert von insgesamt 165.000 Reichsmark deponiert. Woher das Geld stammte, wussten die Vertreter der Familie im Verfahren spontan zunächst nicht. Später führten sie an, im Jahr 1942 sei ein Grundstück in Böhmen verkauft und das Geld in den Pfandbriefen angelegt worden.
Bei der Währungsreform, dem Wechsel von der Reichsmark zur Deutschen Mark im Juni 1948 hatten Inhaber von Geldvermögen grundsätzlich einen tiefen Einschnitt hinzunehmen. Vereinfacht formuliert blieben von 100 Reichsmark nur 6,50 Deutsche Mark übrig, wobei es ein abgestuftes System gab.
Wesentliche Zahlungspflichten – Löhne, Mieten, Steuern – wurden im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt. Um diesen gewaltigen Eingriff in die wirtschaftlichen Verhältnisse jedenfalls ein bisschen auszugleichen, beschloss der Bundesgesetzgeber das "Gesetz zur Milderung von Härten der Währungsreform (Altsparergesetz)" vom 14. Juli 1953.
Auf die Frage, warum dies fünf Jahre in Anspruch nahm, wird zurückzukommen sein. Nähern wir uns zunächst den Thurn und Taxis – vorsichtig, wie es altem Adel gebührt.
Zu leichter Griff in die Tasche von gar nicht armen Leuten
Nach § 5 Abs. 2 Altsparergesetz konnten von der Währungsumstellung betroffene Personen einen Entschädigungsanspruch im Rahmen des Lastenausgleichs geltend machen.
War ihr Guthaben 1948 im Verhältnis 100 zu 10 umgestellt worden, betrug der Entschädigungsanspruch 10 Prozent vom ursprünglichen Reichsmarkguthaben. Bei einer Umstellung von 100 zu 6,5 konnten nun weitere 13,5 Prozent in Deutscher Mark beansprucht werden. Für Geldvermögen, das 1948 nur fünf Deutsche Mark je 100 Reichsmark wert war, konnten 15 Prozent des alten Guthabens als Forderung gegen den Ausgleichsfonds im Lastenausgleich geltend gemacht werden. Bis zur Erfüllung war der Entschädigungsanspruch vom 1. Januar 1953 an zudem mit beachtlichen vier Prozent zu verzinsen.
Nach Auffassung des Ausgleichsamts und des Münchener Verwaltungsgerichts sollte die Familie Thurn und Taxis jedoch keine Entschädigung nach dem Altsparergesetz erhalten – immerhin ein Betrag zwischen 16.500 und 8.250 Deutsche Mark, in einer Zeit, in der ein fleißiger Lehrling rund 50 Deutsche Mark monatlich verdiente. Der Anspruch der Thurn und Taxis sollte nach Ansicht von Behörde und erstem Gericht an § 4 Abs. 5 Altsparergesetz scheitern. Die Vorschrift lautete:
"Eine Entschädigungsberechtigung besteht nicht, wenn die Altsparanlage im Zeitpunkt der Einführung der Deutschen Mark für ein im Handelsregister eingetragenes Unternehmen eingetragen oder verbucht war oder, soweit es sich um ein Inhaberpapier handelt, für eigene Rechnung von einem Unternehmen verwahrt worden ist."
Weil die "Fürstliche Thurn- und Taxis'sche Generalkasse" seit 1924 in das Handelsregister eingetragen war, wollte das Ausgleichsamt den Anspruch nicht anerkennen.
Bundesverwaltungsgericht: Es lebe die Teleologie
Mit Urteil vom 6. Oktober 1964 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die Behörde den Anspruch der Familie Thurn und Taxis jedenfalls nicht auf diesem Weg ausschließen durfte. Ein anderer Senat des Gerichts hatte fünf Jahre zuvor erklärt, dass der Entschädigungsanspruch immer dann ausgeschlossen sei, wenn es sich um ein in das Handelsregister eingetragenes Unternehmen handle.
Entsprechend der alten Definition, wonach unter einem Unternehmen ein Sondervermögen zu verstehen sei, "das einer dauernden, auf Gewinn gerichteten Tätigkeit gewidmet ist", sollte aber die "Fürstliche Thurn- und Taxis'sche Generalkasse" schon nach der Beweisaufnahme des Verwaltungsgerichts München kein Unternehmen gewesen sein – was immer sie sonst tat, wenn nicht Gewinne zu erwirtschaften.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts war es nicht zulässig, sich bei der Würdigung, ob es sich um ein Unternehmen handelte, nur auf die Eintragung ins Handelsregister zu stützen. Das stände "nicht mit dem Grundsatz in Einklang, daß das Altsparergesetz nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen ist" – die teleologische Absicht des Gesetzgebers, alten Sparern eine ökonomische Wohltat zukommen zu lassen, sollte also nicht aus formalen Gründen verfehlt werden.
Die Prüfung, ob eine ins Handelsregister eingetragene Firma wirklich ein Unternehmen sei, bereite der Behörde zwar "gewisse Schwierigkeiten", es könne aber von ihr verlangt werden, sich diese Umstände zu machen. Weil noch andere Aspekte, etwa die Einhaltung von Stichtagen, zu klären waren, verwies das Bundesverwaltungsgericht die Sache nach München zurück (BVerwG, Urt. v. 06.10.1964, Az. V C 28.63).
Lastenausgleich – einigermaßen populäre Sozialpolitik
Aus der wirtschaftlichen Perspektive der Familie Thurn und Taxis mochte der Vorgang ein Fall von "rechte Tasche, linke Tasche" gewesen sein – der Staat sollte zurückgeben, was er ihr an anderer Stelle für den Lastenausgleich genommen hatte.
Zur Erklärung muss man ein wenig ausholen.
Mit der Währungsreform von der Reichs- zur Deutschen Mark im Juni 1948 war ein tiefer Einschnitt in die Vermögensverhältnisse erfolgt. Bekanntlich hatte der NS-Staat bereits in den 1930er-Jahren zur Rüstungsfinanzierung zunächst auf das diskrete System der Mefo-Wechsel gesetzt – eine heimliche Ausweitung der Staatsschulden um damals enorme zwölf Milliarden Reichsmark war die Folge. Seit 1939 hatte Hitler die Reichsbank dazu verpflichtet, Reichsschuldverschreibungen aufzukaufen, gedeckt letztlich nur durch Erwartungen an eine Kriegsbeute, nicht durch wirtschaftlich wertvolle Güter.
Nachdem mit Kriegsende die Güterproduktion einbrach, erst recht für den privaten Konsum, stand der stark ausgeweiteten Geldmenge kein adäquates Angebot an Gütern und Dienstleistungen gegenüber – ein Grund für die Reichsmark-Inflation. Durch die Umstellung von der Reichs- auf die Deutsche Mark sollte im Jahr 1948 bewusst die Geldmenge drastisch reduziert und in eine gesunde Geldschöpfung gewechselt werden.
Den politischen Akteuren in (West-) Deutschland, aber auch namhaften Beratern der US-Regierung stand dabei jedoch der blanke Horror der historischen Erfahrung vor Augen: Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich die öffentliche Hand in Deutschland von ihrer kriegsbedingten Verschuldung im Wesentlichen durch Inflation befreit, ohne den Inhabern von Sparguthaben und Lebensversicherungen einen Lastenausgleich zu verschaffen. In der alten, stark wirtschaftsliberalen Welt des Bürgertums im Kaiserreich kam das oft einer völligen Vernichtung der meist vollständig privaten Altersvorsorge gleich.
Westdeutschland will den Lastenausgleich, muss aber warten
Um nicht breite Bevölkerungskreise mit der Währungsreform in die damals noch als anstößig empfundene Armenhilfe zu zwingen (die heutige Sozialhilfe wurde erst in den 1950er-Jahren erfunden und in den 2000er-Jahren vom moralischen Makel weitgehend befreit), empfahlen US-Regierungsberater, etwa der wegen seiner jüdischen Herkunft aus Deutschland geflohene Ökonom Gerhard Colm (1897–1968), bereits früh einen Ausgleich, der durch massive Belastung des Sachvermögens zugunsten der Inhaber von Geldvermögen hätte erfolgen können. Das deutsche Bürgertum sollte nach den 1920er-Jahren nicht erneut, durch die Vernichtung ihres Geldvermögens geschädigt, in den politischen Extremismus getrieben werden.
Der amerikanische Historiker Michael L. Hughes hält fest: "Als einzige Quelle für Fonds, aus denen die potenziell radikalen Geschädigten kompensiert werden konnten, und als einziger Weg, die Klagen über die unbillige Vermögensverteilung zu beschwichtigen, erschienen danach Abgaben von 50 Prozent und mehr auf die noch vorhandenen Sachvermögen. Daher trat die überwältigende Mehrheit der Deutschen, bei allen Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen, dafür ein, diesen Weg zu gehen."
Gegen eine frühe und großzügige Ausgestaltung des Lastenausgleichs, wie er von amerikanischen Ökonomen, teils deutscher und jüdischer Herkunft, seit 1945 vorgeschlagen worden war, regte sich in der US-Politik allerdings Widerstand – zum einen wurde, nicht unplausibel, argumentiert, dass ein so gravierender und auch riskanter Eingriff in die Wirtschaftsordnung nicht von der Besatzungsmacht, sondern von einer deutschen Regierung verantwortet werden solle.
Zum anderen, im Machtspiel gar nicht zu unterschätzen, befürchteten namhafte US-Politiker, dass eine solche Umverteilung des Vermögens auch in den USA selbst wieder populär werden könnte – entsprechende sozialistische Kampagnen hatte es in den 1930er-Jahren dort bereits gegeben.
Weil außerdem Kompetenzkämpfe zwischen Teilen der US-Regierung, Außenministerium versus Kriegs- bzw. Verteidigungsministerium, Washington versus Militärgouverneur in Deutschland, dann auch zwischen den US-Verantwortlichen und der bereits vor Gründung der Bundesrepublik zunehmend selbstbewussten deutschen Politik hinzukamen, wurde der Lastenausgleich nicht bereits 1948, sondern erst 1952 etabliert.
Neben weiteren Quellen hatten Inhaber beachtlicher Vermögen 50 Prozent des Werts in einen Ausgleichsfonds zu zahlen – aus dem schließlich unter anderem die Altsparer entschädigt wurden. Für die auch an Sachvermögen überaus reichen Thurn und Taxis also: rechte Tasche, linke Tasche.
Liebe zum Staat nur durch die Liebe zur Ausgleichs- oder Rentenleistung?
Im Fall der Familie Thurn und Taxis ließe sich die Geschichte noch auf ältere Zeiten ausdehnen. Denn zu Reichtum kam sie seit dem 17. Jahrhundert durch das Postmonopol im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation beziehungsweise in den Territorien des Reichs und des späteren Deutschen Bundes. Man darf sich den Reichtum dieser Familie in den Dimensionen von Bill Gates und Konsorten vorstellen, denn das Postwesen zog regelmäßig natürliche Monopole mit entsprechenden Verdienstmöglichkeiten nach sich.
Als es im 19. Jahrhundert zum Versuch kam, die Post zu verstaatlichen, scheiterte dies mitunter daran, dass der eine oder andere deutsche Teilstaat nicht genügend Geld aufbringen konnte, um die Thurn und Taxis zu entschädigen. In einigen deutschen Territorien kam es erst 1866, nach dem Sieg Preußens und seiner Verbündeten gegen die bundes- und verfassungstreuen deutschen Staaten, zur Ablösung des "Fürstlich Thurn- und Taxis'schen Postwesens".
Mit der Monetarisierung ihrer Sachvermögensverluste zulasten der öffentlichen Hand muss diese Familie also beachtliche Erfahrung gehabt haben. Fast wundert es ein bisschen, dass man 1964 gar nicht mehr so genau wusste, woher das Geld kam, das man nach dem Altsparergesetz im Lastenausgleich ersetzt haben wollte.
Wie populär der Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg im Übrigen war, scheint heute weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Umgekehrt wird auch wenig beachtet, wie stark ein als ungerecht empfundener Vermögensverlust zur politischen Radikalisierung beiträgt. Das Ausbleiben einer Kompensation für das in der Sowjetisch Besetzten Zone entzogene Eigentum (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 26.10.2004, Az. 2 BvR 955/00) zog etwa bei einigen der Betroffenen einen Vertrauensverlust in den deutschen Staat und die hergebrachten Parteien nach sich.
Um ihre Liebe zur Bundesrepublik Deutschland zu entdecken, mussten viele Deutsche offenbar erst an empfindlichster Stelle gestreichelt werden – ihrem Portemonnaie. Fragt sich, was bleibt, sollte der öffentlichen Hand das einmal nicht mehr so leicht möglich sein.
Währungsreform in Deutschland: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55560 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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