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Bereitschafts-Staatsanwalt zu Wacken 2014: "So erstaunlich das klingt - bei den schwarzen Gestalten"

Interview von Pia Lorenz

04.08.2014

"Wacken"-Stofftier

Foto: Philipp Guelland / AFP

Lemmy Kilmister oder Helge Schneider, der als Überraschungsgast auftauchte, hat Uwe Dreessen sich nicht angehört. Dabei war der Oberstaatsanwalt aus Itzehoe zum ersten Mal beim Wacken Open Air. Im Interview erklärt er, warum den Bereitschaftsdienst beim größten Heavy-Metal-Festival normalerweise junge Kollegen machen und Polizeibeamte beleidigt sind, wenn sie nicht nach Wacken dürfen.

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LTO: Herr Dresssen, bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe gab es einen Sonder-Bereitschaftsdienst für "Wacken 2014", das Metal-Festival, das gestern zu Ende ging. Weshalb? Wegen der zu erwartenden Delikte: Körperverletzungen, Nötigungen, Beleidigungen, BtM?

Dreessen: Keineswegs. Wir haben diesen Bereitschaftsdienst vor vier oder fünf Jahren eingerichtet, weil mutmaßlich organisierte Diebesbanden die Festivalbesucher bestohlen haben. Sie traten wie normale Fans auf und entwendeten aus den Zelten und im Gedränge vor den Bühnen Geldbörsen und Bargeld. Man konnte das damals sogar auf Videos ganz gut verfolgen.

LTO: Aber braucht es denn für solche Delikte einen Bereitschaftsdienst bei der Staatsanwaltschaft? Sie würden ja wohl kaum einen Haftbefehl gegen einen Dieb erlassen?

Dreessen: Normalerweise natürlich nicht. Aber es muss schon jemand bereit stehen, um gegebenenfalls notwendige Anträge beim Ermittlungsrichter zu stellen. Und wir beantragen natürlich  sehr wohl einen Haftbefehl, wenn wir Anhaltspunkte dafür haben, dass ein organisierter, gewerbsmäßiger Diebstahl vorliegt oder es sich um reisende Täter handelt, auf die wir nicht wieder Zugriff erhalten würden. In diesen Fällen kann man ja auch eine Hauptverhandlungshaft nach § 127b Strafprozessordnung mit dem Ziel einer zeitnahen Verurteilung beantragen.

"Normalerweise machen den Bereitschaftsdienst junge Kollegen"

LTO: Und, wie viele Anträge haben Sie gestellt?

Dreessen: Glücklicherweise keinen einzigen in diesem Jahr. Anders als in den vergangenen Jahren, als durchaus reisende Diebe festgenommen und auch verurteilt worden sind, gab es 2014 während meiner Bereitschaft keinen einzigen Anruf. Außer dem schrecklichen tödlichen Verkehrsunfall, der sich am Donnerstag  außerhalb des Geländes ereignet hat, haben wir nichts Ungewöhnliches zu verzeichnen.

LTO: Wie läuft denn die Vergabe des Bereitschaftsdienstes für Wacken ab? Wollen den alle Kollegen übernehmen oder keiner?

Dreessen (lacht):  Es hat sich mit der Zeit so herausgebildet, dass das hauptsächlich junge Kollegen machen, die auch sonst für den Amtsgerichtsbezirk Itzehoe zuständig sind. Aber in diesem Jahr habe ich mir das auch mal angesehen.

LTO: Sie waren also vor Ort?

Dreessen: Nicht während des Festivals, nein. Dauerhaft hatten wir nur eine Rufbereitschaft eingerichtet. Ich habe mir nur am Mittwoch mal das Gelände angesehen, um einen Eindruck zu bekommen – auch von den Einsatzbedingungen der Polizei. Schließlich könnte es ja bei der Dimension des Open Air Festivals auch zu einem Großeinsatz kommen, zum Beispiel bei einem Gewitter oder dem Ausbruch einer Panik.

LTO: Wie war Ihr Eindruck?

Dreessen: Ich war beeindruckt, gleich in mehrfacher Hinsicht. Einerseits von der Größe und der Organisation des Festivals, das läuft alles sehr professionell. Die Einrichtung von Fluchtwegen, Kontrollen und die allgemeine Organisation der Polizeibeamten vor Ort war vorbildlich.

"Ausgesprochen friedlich abgelaufen – im Verhältnis zum Alkoholkonsum"

LTO: Und wenn schon Sie so wenig Arbeit hatten mit der Rufbereitschaft: Wie viel hatten denn die Beamten vor Ort zu tun? Hat das trotz der von vielen als martialisch empfundenen Heavy-Metal-Musik als friedlich, freundlich und selbst bei den Nachbarn geradezu beliebt geltende Festival seinem guten Ruf wieder alle Ehre gemacht?

Dreessen: Es ist insgesamt nach allem, was ich weiß, ausgesprochen friedlich abgelaufen. Natürlich gab es ein paar Anzeigen wegen Körperverletzung und auch wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Aber im Verhältnis zur Vielzahl der Besucher und – wenn man ehrlich ist – auch zum Alkoholkonsum ist bemerkenswert wenig vorgefallen.

Das hat meinen Eindruck von den Fans bestätigt, die ich dort bei meinem kurzen Besuch am Mittwoch getroffen habe. Die Freundlichkeit der Metal-Fans und die gesamte Stimmung in Wacken haben mich beeindruckt.

Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass die Polizeibeamten hier im Umkreis schon fast beleidigt sind, wenn sie nicht nach Wacken dürfen – so erstaunlich das klingt, wenn man die schwarzen Gestalten so sieht.

LTO: Herr Dreessen, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Uwe Dreessen ist Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe.

Das Interview führte Pia Lorenz.

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Pia Lorenz, Bereitschafts-Staatsanwalt zu Wacken 2014: . In: Legal Tribune Online, 04.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12784 (abgerufen am: 21.05.2025 )

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