Vermummung und Sicherheitspolitik: Fal­sche Bärte sind ver­boten

von Martin Rath

04.09.2016

2/2: KKK-Leute dürfen maskiert marschieren

Dürfen die zweifellos bis in die Knochen rassistischen Herrschaften vom KKK, das Gesicht verhüllt, durch die Straßen US-amerikanischer Städte ziehen, um für ihre nichtsnutzige Meinung zu demonstrieren? Es kommt darauf an, ob das Gericht die Maskierung als ein Mittel anerkennt, das Recht auf freie Rede in Anspruch nehmen zu können, ohne gesellschaftlichen Sanktionen ausgesetzt zu sein.
Ein Beschluss aus dem Jahr 1990 setzt sich beispielsweise u.a. mit der Frage auseinander, ob ein spezifisches kommunales Maskenverbot die Verbreitung von Schriften durch KKK-Zipfelmützenträger im Rahmen eines Klan-Aufmarsches unterbinden dürfe , und verneint dies mit Blick auf die Freiheit der Rede.

Die Stadt Goshen (Indiana), einst explizit als rassenreine Siedlung gegründet, erließ 1998 eine Ortssatzung, die allen Menschen über 18 Jahren, sofern nicht religiös oder gesundheitlich motiviert, das Tragen von Masken oder Kostümierungen in der Öffentlichkeit untersagte, soweit es ihre Identität verberge.

Der Klage der edlen KKK-Ritter gegen dieses Verbot gab das Gericht statt und hielt fest: "In der heutigen Entscheidung liegt eine unbestreitbare Ironie. Vor mehr als einem Jahrhundert trug der Ku Klux Klan Masken, um Menschen zu terrorisieren, die er aus seinen Gemeinden vertreiben wollte. Heutzutage tragen die Klan-Leute Masken, um die Identität jener zu verbergen, deren Ideen die örtliche Gemeinschaft entfernt sehen möchte."

Maske schützt Freiheit der Rede und Selbstorganisation

Die Motive, sich unkenntlich zu machen, die "wahre" Identität zu verschleiern, sich zu kostümieren, werden in der alten Demokratie westlich des Atlantiks also bereits seit einigen Jahrzehnten verhandelt.

Wenn im Fall der Stadt Goshen das Recht der KKK-Leute bestätigt wurde, ihre Gesichter zu verhüllen, um in der Ausübung ihres Rechts der Meinungsfreiheit geschützt zu sein, ist dies – eine weitere Ironie – auf eine Entscheidung des Obersten US-Bundesgerichts aus dem Jahr 1958 zurückzuführen: Damals verwahrte sich die Bürgerrechtsorganisation "National Association for the Advancement of Colored People" erfolgreich gegen das Ansinnen des Staates Alabama, die Namen ihrer sämtlichen Mitglieder vor den Behörden des rassistisch regierten Staates zu enthüllen.

Liebe zum Nacktduschen versus Kapuzen-Terrorfurcht

Ansprüche auf Ver- und Enthüllung werden in den USA im Zusammenhang mit dem Recht auf freie Rede diskutiert, auch was Pseudo- und Anonymitätspraktiken im Online-Betrieb betrifft.  

Während in Deutschland ein führender Politiker seine Verbotsfantasien im textilen Bereich schon einmal damit illustriert, dass ihm verhüllte Frauen im schwedischen Möbelgeschäft unsympathisch seien und er sich Sorgen darum macht, dass schamhafte "arabische Muskelmachos" in seinem Fitness-Studio in Unter- bzw. Badehose duschten, werden noch bestehende Klan-Kostümierungsverbote in den USA, in Georgia beispielsweise, mit der realen, historisch legitimen Furcht vor den weiß maskierten Terroristen begründet – denen man gleichwohl das Recht auf freie Rede nicht abspricht.

Über die Nationallyrik vom "Home of the Brave" macht man sich ja gerne lustig. In Sachen Maskenverbot gibt es dazu gewiss keinen Anlass.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs bei Solingen.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Vermummung und Sicherheitspolitik: Falsche Bärte sind verboten . In: Legal Tribune Online, 04.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20470/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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