Drohnenrecht: Zwei Juristen wollen ein Gericht gegen das Wegschauen

von Martin Rath

25.01.2015

2/2: Grundrechtsbindung durch Prozess, nicht durch heilige Worte

Um Schulterschlusseffekte eines in die Exekutive eingebetteten Geheimgerichts bei ihrem "Drone Court" zu vermeiden, schlagen Guiora und Brand vor, die amtierenden, in Rechtssachen aller Art versierten Richterinnen und Richter der US-Bundesgerichte und -appellationsgerichte nach einem Zufallsmechanismus einzuspannen. Das jedenfalls US-Bürgern oder auf US-Staatsgebiet befindlichen Ausländern zustehende Recht, persönlich mit einer strafbewehrten Anklage konfrontiert zu werden und sich verteidigen zu können, muss bei geheimdienstlichen Anliegen, mutmaßliche Feinde außerhalb der US-Grenzen und jenseits militärischer Schlachtfelder zu töten, naturgemäß ein frommer Wunsch bleiben. Immerhin sehen die beiden Gelehrten aus Utah und S.F. vor, dass aus den Kreisen der Rechtsanwaltschaft für die etwaig mittels Drohne zu tötenden Menschen In-absentia-Prozessvertreter zu bestellen seien.

So unbefriedigend dies nach den Maßstäben sei, die etwa für einen Strafprozess gelten, ist damit nach Ansicht von Guiora und Brand immerhin gewonnen, dass die Entscheidungen über das Für und Wider der Counterterrorism-Tötung mutmaßlicher Feinde einem gewissen Begründungszwang unterstellt wird: Welche Qualität haben die geheimdienstlichen Informationen über das "Target" überhaupt? Wie sicher sind die Auskünfte dazu, den Feind ohne Schäden zu Lasten Unbeteiligter zu treffen? Ist die Tötung tatsächlich so alternativlos, wie behauptet wird? Schließlich: Welche Gefahr von welcher Dringlichkeit geht von dem potenziellen Drohnen-Opfer aus, dass sie mit seiner Tötung beendet werden müsste, statt zum Beispiel mit einer Inhaftierung?

Man sollte annehmen – in Deutschland ist man da mit Blick auf die Grundrechtsbindung aller Staatsgewalt, Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz vielleicht noch sehr viel staatsfrömmer als in den USA –, dass die genannten Fragen doch mit einer gewissen Rationalität schon im heutigen Entscheidungsprozess berücksichtigt würden. Bei Guiora und Brand findet sich hingegen der Hinweis, dass allein ein "Weißpapier" des US-Justizministeriums Entscheidungskriterien für den todbringenden Drohnenflug enthalte – eher weiche Kriterien, die mangels richterlicher Kontrolle im Einzelfall womöglich auch nicht hinreichend streng ins Auge gefasst würden.

Hinschauen, wo sonst gern weggeschaut wird

Einerseits ist das natürlich alles recht unappetitlich: " ‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg! / O Gottes Engel wehre", man möchte hierzulande nichts damit zu schaffen haben. Andererseits ist die Tötung möglicherweise unzureichend als solcher identifizierter Feinde jedoch nicht derart unappetitlich, dass die Vertreter der Karlsruher Bundesanwaltschaft am Zaun US-amerikanischer Militäreinrichtungen in Rheinland-Pfalz rütteln würden. Dabei heißt es doch, manch elektronischer Impuls, der irgendwo in Afrika und Asien zu Toten führt, sei nicht ganz frei von juristischen Kausalitäten durch in Deutschland ansässige Stützpunkte geflossen.

" ‘s ist leider Krieg – / und ich begehre / Nicht schuld daran zu sein!" – im hinterwäldlerischen Utah hält man ein Geheimdienst-Gericht für wenig vorbildlich, weil es 99,9 Prozent aller Abhör-Anträge durchwinkt, wünscht sich, dass Geheimdienstoperationen vom unabhängigen Personal der ordentlichen Gerichtsbarkeit überwacht werden. Angesichts eher lendenlahmer Parlamentarischer Kontrollgremien und bei Überwachungsanträgen nicht eben renitenter Amtsrichter hierzulande scheint der Vorschlag von Guiora und Brand nachgerade aufgeweckt – sie schauen hin, wo sonst gern weggeschaut wird.

Mit dem Gedanken an ein Drohnengericht muss man sich trotzdem nicht anfreunden. Doch der Gedanke löckt den Stachel, dass es vielleicht mehr Menschenleben retten, mehr zum Grundrechtsschutz beitragen könnte, als es der ehrwürdige Internationale Strafgerichtshof tut.

Hinweise: Der Aufsatz von Guiora und Brand ist hier zu finden, die Replik eines auf Sicherheitsfragen abonnierten Juristen hier, die Duplik darauf hier.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Drohnenrecht: Zwei Juristen wollen ein Gericht gegen das Wegschauen . In: Legal Tribune Online, 25.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14471/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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